Nach der Flüchtlingskrise 2015 und einer Welle an Zuzügen von Geflüchteten aus der Ukraine seit Beginn des Krieges im Februar 2022 kommen derzeit wieder mehr Asylbewerber nach Deutschland. Um über die aktuelle Flüchtlingspolitik und die Sicherheitssituation im Landkreis zu informieren, luden Landrätin Sabine Sitter, Marktheidenfelds Bürgermeister Thomas Stamm sowie Michael Zimmer von der Polizeiinspektion Marktheidenfeld jüngst zu einem Pressegespräch.
Insgesamt 930 Asylbewerber leben in Main-Spessart
In Main-Spessart lebten am 3. Mai insgesamt 930 Asylbewerber. 153 von ihnen waren in der Notunterkunft Klinikum Marktheidenfeld untergebracht, 445 in dezentralen Unterkünften des Landkreises sowie 332 in Gemeinschaftsunterkünften, die von der Regierung von Unterfranken betrieben werden. Etwa 155 dieser Geflüchteten haben einen genehmigten Asylantrag. Sie wohnen aber noch immer in einer Einrichtung, weil sie bisher keine eigene Wohnung gefunden haben. Zudem leben 1064 Ukrainerinnen und Ukrainer in Main-Spessart, von denen 730 privat untergekommen sind.
Kamen vor einem Jahr vor allem ukrainische Frauen mit Kindern, sind es jetzt durchschnittlich zehn bis 20 alleinstehende Männer pro Woche. Sie stammen überwiegend aus Afghanistan und Syrien. Manche kommen aber beispielsweise aus Algerien, Tunesien oder von der Elfenbeinküste, erklärte Julia Wallpe. Sie ist die Leiterin der Notunterkunft in Marktheidenfeld.
Neue Anforderungen an Verwaltung
Diese Menschen würden die Verwaltungen im Landratsamt, in den Städten und Gemeinden vor andere Anforderungen stellen, als noch vor einem Jahr die Geflüchteten aus der Ukraine, sagte Landrätin Sitter. 2022 mussten demnach vor allem Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden.
Jetzt werden Sprachkurse sehr stark nachgefragt, berichtete Stamm. Viele Migranten müssten zusätzlich das lateinische Alphabet lernen. Doch die Kapazitäten seien begrenzt. Nur für maximal zwei Drittel der 150 Asylbewerber in Marktheidenfeld könne man einen Kurs anbieten, so Stamm. Die Stadt Marktheidenfeld ist derzeit auf der Suche nach Räumlichkeiten und Lehrkräften.
Neue Flüchtlingsunterkunft in Main-Spessart geplant
Der Bürgermeister sagte: "Wir hoffen auf eine bessere Verteilung der Geflüchteten im Landkreis." Derzeit sind diese überwiegend in Marktheidenfeld und Lohr untergebracht. Landrätin Sitter sagte, dass in Main-Spessart eine weitere Einrichtung eröffnet werden solle. Wo, das sei noch offen und hänge vom Entgegenkommen der Gemeinden ab. Es sollen 70 bis 100 Plätze geschaffen werden. "Wir wollen es vermeiden, wieder eine Turnhalle zu belegen", erklärte Sitter.
Eine wichtige Frage sei: "Wie können wir die Menschen beschäftigten?", so Stamm. Julia Wallpe ergänzte, dass viele der Asylbewerber arbeiten wollen. Doch oft würde es lange dauern, bis eine Genehmigung vorliege. Damit die Langeweile nicht überhand nimmt, seien deshalb jetzt Beschäftigungsangebote für die überwiegend jungen Männer notwendig. Die Landrätin sagte, ihr sei bewusst, dass in der Vergangenheit viel von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern verlangt wurde. Dennoch sei man jetzt wieder verstärkt auf deren Hilfsbereitschaft angewiesen.
Die Stimmung unter den Geflüchteten in der Notunterkunft sei sehr gut, waren sich alle einig. Dazu trage die Zusammenarbeit des Sicherheitsdienstes vor Ort, des Landratsamts und der Polizei bei. Michael Zimmer lobte: Es sei nicht selbstverständlich, dass sich die Stellen regelmäßig austauschen würden. "Integration ist nicht unser Kerngebiet. Wenn sie aber nicht klappt, wirkt sich das auf unsere Arbeit aus."
Zimmer: Klappt die Integration Geflüchteter nicht, wirkt sich das auf die Arbeit der Polizei aus
Bisher habe es noch keine sicherheitsrelevanten Einsätze am ehemaligen Marktheidenfelder Krankenhaus oder Straftaten durch dessen Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtgebiet gegeben. Eine verbale Auseinandersetzungen zwischen circa 30 Männern in dieser Woche haben die Beamten deeskaliert, bevor es zu Handgreiflichkeiten kommen konnte.
Landrätin Sitter zeigte Verständnis dafür, dass viele Menschen aufgrund einer zunehmenden Zahl an Geflüchteten derzeit verunsichert sind. Es liege an der Haltung des Einzelnen, wie er damit umgeht. "Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Wir haben schon 2015 bewiesen, dass wir mit der vermehrten Einwanderung umgehen können." Sie plädierte deshalb dafür, nicht mehr von einer Flüchtlingskrise zu sprechen, sondern die Belange der Geflüchteten als Bestandteil der täglichen Arbeit wahrzunehmen.