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Rieneck
Neue Auflagen: Todesanzeige für die "Kulinarische Weltreise" in Rieneck
Gastwirt Horst Wirth vom "Löwen" in Rieneck fühlt sich von neuen Vorschriften gegängelt. Gaststätten mit regionalem Angebot würden kaputt gemacht.
Der Rienecker Gastwirt Horst Wirth mit einem Blauhai für seine 'Kulinarische Weltreise' im Jahr 2012.
Foto: Karl-Heinz Wiesenfelder | Der Rienecker Gastwirt Horst Wirth mit einem Blauhai für seine "Kulinarische Weltreise" im Jahr 2012.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:13 Uhr

Horst Wirth, Inhaber des Gasthauses "Zum Löwen" in Rieneck, ist bekannt für seine exotischen Gerichte aus aller Welt. Bei seiner Veranstaltung "Kulinarische Reise um die Welt" jauchzt schon mal bei Würgeschlange, Känguru oder Heuschrecke der Gaumen. 1500 Gäste hätte er dieses Jahr vom 15. bis 31. Oktober gerne mit solcher Exotik auf dem Teller beglückt. Aber Wirth hat die geplante Reise mit Lammköpfen, Wasserbüffel, Krokodil und Elch per Todesanzeige im Mitteilungsblatt der Sinngrundallianz abgeblasen. Aber nicht wegen Corona. "In tiefer, aufrichtiger Trauer geben wir bekannt, dass durch von Seiten des Gesetzgebers verschärfte Auflagen, Richtlinien und Verordnungen unsere geliebte und geschätzte 'Kulinarische Reise um die Welt' verstorben ist", heißt es in der Anzeige. Alle Reservierungen sind storniert.

Auf Nachfrage sagt der Gastwirt, dass er aufgrund neuer Auflagen des Landratsamts keine Möglichkeit sieht, die Veranstaltung wie geplant durchzuführen. Seine Kühlräume wären voll gewesen mit Material für die kulinarische Woche, aber das dürfe jetzt nicht mehr sein. Er hätte dafür gleich zwei neue Kühlhäuser gebraucht. Denn nach einer neuen Vorgabe müsste er seit Anfang 2018 Fleisch "sortenrein" lagern, bräuchte also für Frischfleisch, das er gerne im Ganzen kauft, extra Kühlhäuser für Wild, Geflügel, Fisch. Fleisch müsste auch getrennt von anderen Lebensmitteln gelagert werden.

Er hat vor 23 Jahren neu gebaut, jeden Zentimeter ausgenutzt – und auf einmal sollen neue Kühlhäuser her. "Wo soll ich die hinbauen? Aufs Dach?" Vom Landratsamt habe es geheißen, dass die gesetzliche Regelung nun mal so sei und die Umsetzung sein Problem, erzählt Wirth, den die ganze Sache mächtig aufregt.

Horst Wirth lässt normalerweise Frischfleisch bei sich abhängen

Wirth lässt normalerweise auch Frischfleisch aus der Region noch eine Zeit lang bei sich abhängen, etwa Reh, Kalb, Lamm und Wasserbüffel. Dafür habe er sich einen Ruf erarbeitet. Er wolle kein abgepacktes Fleisch aus Australien im Großhandel kaufen, sondern Qualität aus der Region bieten, er ist immerhin Gründungsmitglied der Aktion "Frische aus Main-Spessart". Aber die neuen Auflagen machten es ihm schwer – und mit ihm auch 75 Prozent aller anderen Gastwirte, glaubt er. Die Folge: "Ich hab alles heruntergefahren, ich hab meine Karte halbiert." Er fürchtet, dass ihm bei einer Kontrolle bis zu 30 000 Euro Strafe oder die Schließung des Gasthauses drohen. Derzeit sieht er den Betrieb zwar nicht bedroht, aber stark eingeschränkt. Er müsse jetzt genau überlegen, was und wie viel er einkaufe.

Es habe angefangen mit den Metzgereien, die zumachen oder die eigene Schlachtung einstellen mussten, weil sie neue Auflagen wie die Raumhöhe nicht erfüllen konnten. Momentan dürften in Main-Spessart nur noch fünf Metzgereien selbst schlachten. Und jetzt gehe die Gastronomie zugrunde. Er sieht einen großen Widerspruch zwischen den Forderungen, dass mehr regional erzeugt und vermarktet werden soll, den Versuchen, den Tourismus auf dem Land zu fördern, und den immer strengeren gesetzlichen Vorgaben, die nur Großbetriebe erfüllen können und die aus seiner Sicht für die Landbevölkerung vieles zerstören. "Was sollen regionale Erzeuger denn machen, wenn wir wegbrechen?" Sogar das Vorzeigeprojekt Sinngrundbörger mit Fleisch aus Wohnrod oder Aura sei durch die Auflagen gefährdet.

Der Gastwirt findet: "Wir sind überreguliert"

Hygiene sei natürlich wichtig, sagt Wirth, der auch stellvertretender Kreisvorsitzender des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) ist, aber die neuen Regelungen gingen zu weit. "Wir sind überreguliert", befand auch der örtliche Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann, an den sich Wirth gewandt hatte. Hoffmann hoffte, dass sich der Gastwirt und das Landratsamt einigen. Er habe ja mit dem Landratsamt sprechen wollen, aber die Behörde habe dies abgelehnt, sagt Wirth. Daraufhin nahm er sich einen Anwalt und zog im Juli vors Verwaltungsgericht, wo er jedoch unterlag. "Es wäre ein Ermessensspielraum da, aber der wird nicht ausgenutzt", glaubt Wirth. In Würzburg und Aschaffenburg seien die Landratsämter nicht so streng.

Auch der Langenprozeltener Gastronom Eberhard Imhof, DEHOGA-Kreisvorsitzender, findet, dass die Kontrolleure und das Landratsamt in Main-Spessart besonders streng sind. "Die machen uns kaputt, das muss nicht sein." Wenn der Sinn der Kontrollen sei, dass einer wie Horst Wirth, bei dem sicher nichts im Argen liege, zumachen müsse, dann könne der Landkreis Regionalität und Tourismus "an den Nagel hängen". "Das mit dem Horst hat sich so zugespitzt, dass sie jetzt alle Geschütze auffahren", so Imhof.

Eberhard Imhof hält die Vorschriften für sinnvoll, nur die Auslegung im Landkreis nicht

Er hält die Vorschriften für sinnvoll und findet es richtig, dass die Lebensmittelkontrolleure kontrollieren, aber es sei doch alles Auslegungssache. "Man kann doch mit den Leuten reden." Wenn ein Kontrolleur kommt und es ist gerade eine große Lieferung angekommen, dann sei natürlich nicht in wenigen Sekunden alles so verräumt, wie es sein muss. Imhof selbst hat in Langenprozelten vier Kühlräume. Das habe ihn 120 000 Euro gekostet.

Die Gäste von Horst Wirth wollen jetzt einen Brandbrief an Ministerpräsident Söder schreiben. Ihm selbst macht ein Termin mit Landrätin Sabine Sitter Anfang Oktober Hoffnung, auch Eberhard Imhof wird dabei sein. Das Landratsamt möchte sich erst nach diesem Gespräch zum Fall von Horst Wirth äußern.

 
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  • M. M.
    Wie man per ahnungslosem Dekret die Kleinständler abwürgt...
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  • R. A.
    Man sollte denen mal ordentliche Hausverbote um die Ohren hauen. Da geht was, trauen sich nur die Wenigsten.
    Habe das mal mit der BG durchexerziert und gewonnen.
    War eine Riesenaktion mit richtig Aufwand. Er war ja schon bei Gericht, er sollte weitermachen.
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  • H. S.
    Theoretiker machen Gesetze, bezahlen auch noch hochdotierte Berater für so einen Bullshit..... anscheinend soll es nur Großbetriebe geben, Kleine können sich den Schwachfug nicht mehr leisten....gute Nacht den Ländlichen Betrieben
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