Die Idee entstand 2007: In dem Jahr fingen Berthold Steffans Töchter an, in unmittelbarer Nähe zu seinem Haus in der Mainau in Karlburg zu bauen. "Wir hatten damals eine Ölheizung", erzählt Steffan. Er überlegte: Warum nicht gemeinsame Sache machen und eine Heizungsanlage für alle Anwohner bauen. Wie so ein Nahwärmekonzept aufzuziehen sei, damit kannte sich Berthold Steffan aus. 1982 gründete er in Karlburg das Unternehmen BHP Bad- und Heizungspartner, das seit dem besteht und seit 2004 seinen Sitz am Hammersteig 11 in Karlstadt hat.
Bedingungen in der Straße waren gut
"Mein Gedanke war: Wir bauen eine Nahwärmeanlage mit dem Brennstoff Holz-Hackschnitzel", so Steffan. Damit sei man unabhängig von importierter Energie. Zudem bleibe die Wertschöpfung in der Region. Als Ergänzung zur Wärmeerzeugung mit den Hackschnitzeln als Brennstoff sollte es noch ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung geben, so die Idee. Die Vorteile: Zu stemmen sind für alle nur einmal Investitionskosten, einmal Wartungskosten, einmal Kaminkehrerkosten, und - sollten neue Voraussetzungen für Heizungen kommen - muss nur eine Anlage ausgetauscht werden.
Zudem waren die Bedingungen in der Straße gut: Schließlich macht ein Nahwärmekonzept nur dann Sinn, wenn die anzuschließenden Gebäude nahe beieinander liegen. Denn umso kürzer die Rohrleitungen, umso weniger Wärmeverluste gibt es. "Ich habe die Idee damals im Sportheim Karlburg vorgestellt", erzählt er. Dabei habe er zehn Prozent Heizkosteneinsparung garantiert. Die Resonanz war gemischt. "Ich musste etwas Überzeugungsarbeit leisten", so Berthold Steffan. Einige waren skeptisch. Warum umstellen, wenn alles läuft?
Gestartet mit einer Handvoll Leuten
Gestartet wurde dann mit Anwohnern in der unteren Mainau. Über die Jahre kamen noch einige dazu. Stand heute sind 19 Wohneinheiten angeschlossen. Damit sind die Kapazitäten derzeit auch ausgeschöpft. "Wir haben eine GbR gegründet und jeder hat den gleichen Anteil eingezahlt", erzählt der Initiator. Dieser betrug 500 Euro für jeden Einzelnen und war gleichzeitig die einzige Investition für die Teilnehmer. Die gesamte Maßnahme kostete 180.000 Euro. Davon wurden 70.000 Euro gefördert. "Der Rest ist letztlich über die Energiekosteneinsparung finanziert worden", so Steffan. Die Investitionskosten sind seit 2020 komplett getilgt
Wie aber lief es rein praktisch ab? Um die Häuser überhaupt anschließen zu können, mussten zunächst einmal Rohrleitungen gezogen werden. Dazu galt es, sich mit der Stadt abzustimmen. "Durch die GbR treten wir sozusagen als Energieversorger auf", erläutert Steffan. Gelegt wurden Mantelrohre mit Wärmedämmung, in der die Energie von der Heizanlage in Form von Warmwasser transportiert wird. Das entfernteste Grundstück lag dabei rund 180 Meter weit weg. Die Umrüstung in den Häusern gestaltete sich einfach: Hier musste nur der Anschluss an die Nahwärmeleitung hergestellt werden.
Das Heizkraftwerk selbst bekam seinen Standort auf dem Grundstück von Berthold Steffan. Der Vorteil: Direkt neben dem Heizraum konnte das Hackschnitzellager eingerichtet werden. Es fasst rund 60 Kubikmeter lose geschüttetes Holz. Von dort aus werden die Hackschnitzel in den Heizraum und schließlich in den Heizkessel transportiert. Das gasbetriebene Blockheizkraftwerk erzeugt Strom und Wärme nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Ein gasbetriebener Motor treibt einen Generator an, der Strom erzeugt. Gleichzeitig wird die Motorabwärme in das Nahwärmenetz eingespeist. Sprich: Mit dem Blockheizkraftwerk wird gleichzeitig Strom und Heizwärme erzeugt.
Welche Leistungen herauskommen? Das Blockheizkraftwerk hat eine elektrische Leistung von 5,5 Kilowatt und eine thermische Leistung von 13 Kilowatt. Der Heizkessel hat eine Leistung von 130 Kilowatt. Für die Abnehmer bedeutet das Wärmekosten von derzeit 7,1 Cent pro Kilowattstunde. Abgerechnet wird über monatliche Abschlagszahlungen und über eine Jahresrechnung gemäß Wärmemengenzähler wie bei den öffentlichen Energieversorgern. Der Verbrauch an Hackschnitzeln schwankt je nach Jahreszeit. Wenn es richtig kalt ist, braucht die Anlage einmal pro Woche eine Wagenladung voll mit 30 bis 35 Schüttraummetern. Über den Sommer hingegen schaltet Berthold Steffan den Heizkessel aus, um ihn zu schonen. In der Zeit läuft die Warmwasserbereitung über das Blockheizkraftwerk.
Aus heutiger Sicht ein Glücksfall
Jürgen Kohlhepp ist direkter Nachbar von der Familie Steffan. Als dieser von der Idee einer gemeinsamen Heizung erfuhr, war er schnell überzeugt. "Kosten, die sonst regelmäßig anfallen, wie Wartungs- oder Kaminkehrerarbeiten, fallen für uns jetzt weg beziehungsweise werden gemeinsam getragen", erläutert er, welche Vorteile das gemeinschaftliche Nahwärmekonzept hat. Kritisch gesehen habe er den Aspekt, dass Holz als Heizmaterial im Preis schwankt und teurer werden kann. Der Holzpreis sei zu dem damaligen Zeitpunkt noch sehr günstig gewesen. Durch den Umstand, dass mittlerweile jegliche Form der Energie teurer geworden ist, sei das aber auch kein Argument mehr, das dagegen spreche.
Angeschlossen war die Familie schnell: Die alte Gasanlage kam weg. Anstelle dessen wurde der Nahwärme-Anschluss aufgebaut. Mittlerweile bezeichnet Kohlhepp den Schritt, sich der Nahwärme-GbR anzuschließen als Glücksfall. Aber: "Es braucht jemanden, der es in die Hand nimmt", gibt er allen mit auf den Weg, die ähnliches machen wollen.
Nachbarschaft muss an einem Strang ziehen
Um ein gut funktionierendes Nahwärmekonzept auf die Beine zu stellen, müsse die Nachbarschaft sich einig sein und an einem Strang ziehen, sagt auch Berthold Steffan. Von Vorteil sei die räumliche Nähe der Gebäude, sprich die dichte Siedlungsbauweise, wie es sie in vielen Orten gibt.
Was auch die Nahwärmegemeinschaft Karlburg zu spüren bekommt, sind die gestiegenen Holzpreise. Kostete der Schüttraummeter zu Beginn 2008 noch rund 11 Euro, so seien es mittlerweile rund 40 Euro. Allerdings sind Alternativen zum Brennstoff Holz noch schwierig. Sinn macht es eigentlich nur mit Biomasse, so Steffan. Der Betrieb einer Nahwärmeanlage mit Wärmepumpe sei schwierig. Hier gebe es höchstens die Möglichkeit, mit Solar eine Grundwärme zu erzeugen und mittels Wärmepumpe "nachzuheizen".