
Einem 14-Jährigen wird vorgeworfen, im September 2023 in Lohr (Lkr. Main-Spessart) einen Gleichaltrigen erschossen zu haben. Seit der Tat sitzt der Jugendliche in Untersuchungshaft. Jetzt liegt die Anklage des Würzburger Oberstaatsanwalts gegen den 14-Jährigen vor, die dem Beschuldigten "Mordlust" vorwirft.
Wie geht die Justiz mit jugendlichen Tatverdächtigen um? Und was passiert, wenn der Fall wohl bald vor der Jugendkammer des Landgerichts Würzburg verhandelt wird?
Ab wann ist man strafmündig?
In den vergangenen Monaten hatten mehrfach Gewalttaten von Kindern für Schlagzeilen gesorgt. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass ein Elfjähriger für den gewaltsamen Tod eines zehn Jahre alten Mädchens im oberfränkischen Wunsiedel verantwortlich sein soll. Im März hatten zwei zwölf und 13 Jahre alte Mädchen gestanden, in Nordrhein-Westfalen eine Zwölfjährige erstochen zu haben. Beide sind ebenfalls noch nicht strafmündig.
Bei dem mutmaßlichen Täter von Lohr ist das anders.
Wer jünger als 14 Jahre ist, ist schuldunfähig, ab 14 Jahren gilt man als strafmündig, erklärt Rainer Volkert, Sprecher des Landgerichts Würzburg. Allerdings sind Jugendliche nur dann "strafrechtlich verantwortlich", wenn sie zur Tatzeit nach ihrer "sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug" sind, "das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln". Ob das der Fall ist, prüfen in der Regel entsprechende Gutachter.
Wie lange kann ein Minderjähriger in Untersuchungshaft bleiben?
"Die Untersuchungshaftdauer bei Jugendlichen unterscheidet sich grundsätzlich nicht von derjenigen bei Erwachsenen", sagt Volkert. Laut Strafprozessordnung gibt es dabei keine Höchstfrist. Nach sechs Monaten muss ein Gericht allerdings regelmäßig prüfen, ob etwa "der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund" noch kein Urteil zulassen und deshalb "die Fortdauer der Haft" gerechtfertigt ist.
"In geeigneten Fällen" sollen laut Volkert allerdings jugendliche Beschuldigte in speziellen Einrichtungen untergebracht werden, in denen es "pädagogische Angebote für die Beschuldigten gibt".
Finden Prozesse gegen Jugendliche unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt?
Ja. "Wenn nur gegen Jugendliche verhandelt wird, ist die Öffentlichkeit kraft Gesetzes ausgeschlossen", so Volkert. Lediglich ein volljähriger Mitangeklagter könnte einen öffentlichen Prozess rechtfertigen.
Im Fall des 14-Jährigen aus Lohr hat das Gericht schon erkennen lassen, dass zumindest die Urteilsverkündung öffentlich sein wird. Dies war auch in ähnlichen Fällen so.
Warum wird gegen Jugendliche nicht öffentlich verhandelt?
Aus entwicklungspsychologischen und jugendpädagogischen Erwägungen. "Es sollen Schüchternheit und zusätzliche Hemmungen bei dem Jugendlichen abgebaut werden, um die Atmosphäre für eine freie Aussprache zu schaffen", sagt Landgerichts-Sprecher Volkert. Es gehe aber auch um den Schutz der Privatsphäre, die Vermeidung von Bloßstellung und von stigmatisierenden Folgen sowie Verletzungen des Schamgefühls.
"Da ein jugendlicher Angeklagter ohne Beobachtung durch die Öffentlichkeit wahrscheinlich freier spricht, auch über sich selbst, wird durch den Ausschluss der Öffentlichkeit auch die Erforschung und Beurteilung der angesprochenen sittlichen und geistigen Reife erleichtert und nicht durch äußere Einflüsse verzerrt", so Volkert.
Was ist das höchste Strafmaß, das einem jugendlichen Täter droht?
Die Jugendstrafe beträgt laut Jugendgerichtsgesetz grundsätzlich sechs Monate bis fünf Jahre. "Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach Erwachsenenrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren angedroht ist, zum Beispiel Mord, erhöht sich das Höchstmaß der Jugendstrafe auf zehn Jahre", erläutert Volkert. "Das ist die absolute Grenze bei Jugendlichen."
Welches Ziel wird mit der Strafe bei jugendlichen Straftätern verfolgt?
"Das gesamte Jugendstrafrecht ist in erster Linie durch den Erziehungsgedanken geprägt", sagt Volkert, also "von der Frage, wie ist auf den Angeklagten einzuwirken, damit es nicht zu weiteren Straftaten kommt." In Fällen von besonders schwerer Kriminalität könne allerdings auch "der gerechte Schuldausgleich" wie bei Erwachsenen eine Rolle spielen.
Es gibt ja immer noch die "Rübe ab" Befürworter. Und es gibt leider genug Staaten auf dieser Welt, die "kurzen Prozess" machen. Ich würde dort nicht leben wollen.
Was einem Kinder bescheren können, Mord und Totschlag sind natürlich unentschuldbar, weiß man erst, wenn man selbst Nachwuchs hat. Man muss einiges hinnehmen und verzeihen können, wenn man nicht mit ihnen brechen will. Die Eltern des Jugendlichen und er selbst verdienen trotz allem eine faire Behandlung.
Wenn Kinder und Jugendliche töten, noch dazu vorsätzlich und kaltblütig, dann ist etwas faul im Staat.
Auch wenn "Tötung durch einen Kopfschuß" nicht nach Hänschen Müller klingt, was muss sich im deutschen Straf- und Jugendstrafrecht ändern?
Macht es wirklich einen Unterschied, ob der Täter 12, 15 oder 19 ist?
Vorsätzliche und kaltblütige Tötung ist keine Frage der Erziehung, sondern der inneren Einstellung des Täters.
Wer Diskussionen um die Strafbarkeit für einen Kratzer in der Stoßstange eines anderen Pkw führt, sollte sich langsam auch mal Gedanken über das Wesentliche machen.
Der obige Bericht zeigt deutlich, dass menschliche Opfer in Deutschland von der deutschen Justiz nicht angemessen bewertet werden.
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Anton Sahlender, www.mainpost.de/leseranwalt