Brigitte Riedmann hatte gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet. Doch dann klingelte am Freitag ihr Handy, berichtet die Freie-Wähler-Fraktionschefin im Stadtrat von Lohr und im Kreistag Main-Spessart. Am anderen Ende der Verbindung live und direkt, "ohne Vorzimmer oder Referent": Hubert Aiwanger, der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und FW-Vorsitzende in Bund und Land.
Späte Reaktion auf den offenen Brief
So plötzlich der Anruf auch kam, um was es Aiwanger ging, war keine Überraschung. Schließlich hatte Riedmann im Namen ihrer Lohrer Parteifreunde vor zwei Wochen einen sehr deutlichen offenen Brief geschrieben und den Parteichef heftig kritisiert. Weil er am Sonntag der Bundestagswahl vor 18 Uhr Umfragezahlen getwittert hatte. Und weil er sich nach wie vor nicht impfen lässt, wo doch allen klar sein müsse, so Riedmann, "dass die Impfung der einzige Weg aus der Pandemie heraus ist".
Über eine halbe Stunde habe das Telefongespräch gedauert, berichtet die Lohrer Stadträtin. Und zwar "ohne eine Blatt vor dem Mund". Für die erfahrene Kommunalpolitikerin ein Beleg für die lebendige Gesprächskultur bei den Freien Wählern. Da sei es eben auch möglich, sich unabhängig von Hierarchien kritisch auszutauschen.
Aiwanger habe ihr gegenüber eingeräumt, der Tweet am Wahlsonntag sei ein Fauxpas gewesen, auch wenn mittlerweile feststeht, dass er nichts Verbotenes getan hat. Beim Thema Impfen habe er seine bekannten Positionen wiederholt, aber auch gesagt, "er denke weiter darüber nach, sich doch noch zu impfen". Wie ernst er das meint, darüber will Riedmann nicht spekulieren. "Ich habe ihm auf jeden Fall gesagt, dass die Verweigerungshaltung für die meisten Freie-Wähler-Mitglieder und Sympathisanten ein No-Go ist." Er handele in dieser Frage schließlich nicht als Privatmensch , sondern trage Verantwortung als stellvertretender Ministerpräsident.
"Nachdenklich" sei Aiwangers Reaktion auf den Hinweis ausgefallen, die Freien Wähler dürften keine "One-Man-Show" sein, in München müsse mehr auf die Basis gehört werden. Der Parteichef selbst habe schließlich vorgeschlagen, die Winter-Klausur der Parteigremien im Kreis Main-Spessart zu veranstalten, dieser sei schließlich die "Herzkammer" der Gruppierung. Denkbar sei, bei so einem Treffen, entweder live oder per Internet, auch mit den Vertreterinnen und Vertretern vor Ort zu diskutieren.
Lohrerin fühlt sich von Mitgliedern und Wählern bestätigt
"Eine gute Idee" findet die Lohrerin. Sie sieht sich aufgrund der vielen positiven Reaktionen von Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern, bestätigt, dass es richtig war, den offenen Brief zu schreiben. Beim nächsten Ärger über Hubert Aiwanger wird es aber wohl erst mal keine Post aus Lohr geben. Brigitte Riedmann wird dann gleich zum Telefon greifen: "Ich habe nämlich jetzt seine Handynummer."
In der Sache bin ich allerdings weniger erfreut über Aiwanger, Söder & Co.
Kann man sich den Opfelsoftdialekt tatsächlich eine halbe Stunde anhören?