Die Mehrwersteuer von 19 auf 16 Prozent senken – das klingt nach einer simplen Maßnahme, hat aber für Händler bundesweit großen Aufwand bedeutet. "So eine Kasse kann man nicht einfach schnell umprogrammieren", sagt Angelika Winkler, Vorsitzende der Lohrer Werbegemeinschaft. Mancher hätte sich zum 1. Juli sogar ein ganz neues Kassensystem angeschafft.
Hat sich die Investition gelohnt? Die Bilanz, die Winkler und ihre Kolleginnen aus Karlstadt, Gemünden und Marktheidenfeld, ziehen, fällt ernüchternd aus. Else Platzer vom Stadtmarketing Gemünden sagt: "Die Kunden rechnen sich schon aus, welchen Unterschied die drei Prozent machen. Das beeinflusst die Kaufentscheidung wenig." Geraldine Barrois, Vertreterin der Marktheidenfelder Einzelhändler, beobachtet, dass die Kunden manchen Einkauf, den sie vielleicht schon um Juni tätigen wollten, auf den Juli verschoben haben. "Außerdem bieten die Geschäfte jetzt eh große Sales an, Mehrwertsteuer hin oder her – denn bei vielen ist wegen des Lockdowns die Frühjahrskollektion im Lager liegen geblieben."
Kein "schneller Konjunkturmotor"
Auch Susanne Keller bekommt von den Karlstadter Händlern, die sie vertritt, die Rückmeldung, dass der Konsum kaum gestiegen ist. Nur bei größeren privaten Anschaffungen fragten die Kunden nach dem Rabatt, konkret zum Beispiel beim Kauf eines Drehstuhls. Ein "spürbarer, schneller Konjunkturmotor" sei die Steuersenkung nicht, lautet der Tenor.
Ein wenig sei die Kaufkraft in den letzten Wochen schon gestiegen, sagt an Angelika Winkler, doch das habe mehrere Gründe, nicht nur die Steuersenkung: "Wir merken, dass im Moment viele Wander- und Tagestouristen von außerhalb nach Lohr kommen." Außerdem hätten viele Lohrer ihren Sommerurlaub abgesagt und würden das gesparte Geld nun investieren, um sich den Sommer zu Hause schön zu machen, etwa mit einem neuen E-Bike. "Ganz große Beträge geben die Menschen aber auch nicht aus – man merkt vielen die Zukunftsangst an", lautet Winklers Beobachtung.
Rabatt zieht erst bei großen Beträgen
Bei größeren Investitionen wie einem E-Bike können drei Prozent Steuerrabatt einen Unterschied von 100 Euro und mehr ausmachen. Beim Marktheidenfelder Unternehmen Udo Lermann macht sich der neue Steuersatz jedoch auch kaum bemerkbar, weder bei Fahrrädern, noch in den Elektro-Fachmärkten. "Wir haben aber beobachtet, dass die Menschen direkt nach Ende des Lockdowns viel eingekauft haben", sagt Nicole Stanger aus der Einkaufsleitung.
Einen echten Schub hat die Steuersenkung dem Autohaus Grampp gebracht, sagt Vertriebsleiter Jörg Simon auf Anfrage der Redaktion. Vor allem im Bereich der Gebrauchtwagen habe sich viel bewegt. Anfang Juli hatte das Unternehmen einen regelrechten "Auslieferungswahnsinn" bewältigen müssen, so Simon. "Die Kunden waren schon im Juni da, um sich ein Auto auszusuchen, dass dann im Juli ausgeliefert und bezahlt wurde."
Gastronomen sind dankbar für Steuersenkung
Extrem froh über die Mehrwertsteuersenkung ist Horst Wirth, Inhaber des Gasthofs zum Löwen in Rieneck und stellvertretender Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands in Main-Spessart: "Nur durch die Steuersenkung können wir unsere Preise auf dem Niveau halten, wie sie sind", sagt er. Lebensmittel seien in der Corona-Krise teurer geworden, weil den Landwirten die ausländischen Erntehelfer gefehlt haben. Außerdem habe er höhere Betriebskosten. Nur etwa zwei Drittel der Plätze in seinem Restaurant kann er besetzen, er braucht aber genauso viel Personal, wie für einen vollen Gastraum – für Desinfektion und Dokumentation.
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Für die Gastronomen wurde der Steuersatz für den Rest des Jahres von 19 auf fünf Prozent gesenkt, im ersten Halbjahr 2021 soll er dann sieben Prozent betragen. Wie auch der Handel kann die Gastronomie individuell entscheiden, ob sie den Steuervorteil behält oder an die Kunden weitergibt. "Neun von zehn Wirten geben den Nachlass nicht weiter", so Wirth. Dafür sei der Kostendruck zu groß.