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Marktheidenfeld
Marktheidenfeld: Stadtrat distanziert sich von Landschaftsmaler Hermann Gradl
Die Gradlstraße wird auf Jakob Gradl umgewidmet. Er war auch Ehrenbürger und Bezirksamtmann der damaligen Gemeinde Marktheidenfeld.
So oder so ähnlich könnte es in Zukunft aussehen, wenn ein Zusatzschild auf Jakob Gradls Verdienst als eine Art Landrat im ehemaligen Landkreis Marktheidenfeld hinweist.
Foto: Carolin Schulte | So oder so ähnlich könnte es in Zukunft aussehen, wenn ein Zusatzschild auf Jakob Gradls Verdienst als eine Art Landrat im ehemaligen Landkreis Marktheidenfeld hinweist.
Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:32 Uhr

Die Stadt Marktheidenfeld hat ihr Verhältnis zum umstrittenen Landschaftsmaler Hermann Gradl geklärt. Einstimmig distanzierte sich das Gremium in der Sitzung am Donnerstag aufgrund der Verstrickung Gradls als Amts- und Funktionsträger in den Kunstbetrieb der nationalsozialistischen Diktatur von der einstigen Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Auch die 1957 benannte Gradlstraße wird dem früheren Bezirksamtmann und Ehrenbürger Jakob Gradl, dem Vater von Hermann Gradl, gewidmet.

Die Entscheidung ging ziemlich schnell über die Bühne. Es gab keine Diskussion oder Stellungnahmen aus dem Stadtrat, nur Susanne Rinno (Grüne) sprach für ihre Fraktion, die sich eine noch stärkere Abgrenzung vom Namen Gradl gewünscht hätte. Sie plädierte dafür, einen ganz neuen Namen für die Gradlstraße zu suchen. Die Anwohner sollten ihrer Meinung nach für die Unannehmlichkeiten, die sie aufgrund der Ummeldungen haben, von der Stadt finanziell entschädigt werden. Gegen die Stimmen der Grünen wurde dies aber vom Stadtrat abgelehnt.

Studentin beschäftigt sich mit Gradl in ihrer Masterarbeit

Zuvor hatte Geschäftsführer Matthias Hanakam den Beschlussvorschlag der Verwaltung begründet. Er sagte, dass die Frage, wie man mit der Person Gradl umgeht, die Stadt schon lange beschäftigt. Mit der Masterarbeit der Studentin Susanne Bayer zu Gradls Landschaftsbildern, vorgelegt an der Universität Würzburg im Fachbereich Kunstgeschichte, sei nun ein "weiterer Mosaikstein" in dieser langen Diskussion um Gradl hinzugekommen.

Es habe auch ein Treffen mit Susanne Bayer gegeben. In Begleitung von zwei Professoren habe sie noch im alten Jahr im Rathaus die Ergebnisse ihrer Masterarbeit dargelegt. All dies habe dazu geführt, so Hanakam, dass die Verwaltung vorschlägt, sich nachträglich von der Ehrenbürgerschaft Gradls zu distanzieren, auch wenn diese mit dessen Tod im Jahr 1964 erloschen ist. Der Name Hermann Gradl soll bei Auflistungen von Ehrenbürgern der Stadt Marktheidenfeld ebenso wie die in der NS-Zeit verliehenen und 1946 aberkannten Ehrenbürgerschaften für Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Franz Ritter von Epp und Otto Hellmuth nicht mehr aufgeführt werden. Der Stadtrat stimmte dem einstimmig zu.

Die Masterarbeit von Susanne Bayer liegt der Redaktion in einer Kurzfassung vor. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Bilder von Gradl auf den ersten Blick "harmlos, unpolitisch, vielleicht auch banal" wirken können. Diese sind zwischen 1933 und 1945 in der Tradition der romantischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts gemalt. Setzt man diese aber in den gesellschaftlichen Zusammenhang der NS-Zeit, dann werde klar, dass diese Bilder den Forderungen der nationalsozialistischen Kunstpolitik aufs vorbildlichste entsprachen und deshalb funktionalisiert wirken.

Gradl hat sich von den NS-Ideologie vereinnahmen lassen

Bayer stellt in ihrer Einleitung fest, dass es ihr nicht um eine moralische Wertung der Malerei oder der Person Hermann Gradls geht. Fest steht für sie aber, Gradl hat sich gegen die Funktionalisierung seiner Bilder im Sinne der braunen Machthaber nicht gewehrt und er hat die Vergünstigungen, die sich daraus ergeben haben, gerne angenommen. Auch Hanakam betonte, Gradl wurde auf Geheiß Hitlers 1939 zum Direktor der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Für Hanakam ist das "der entscheidende Grund", sich von Gradl zu distanzieren.

Der Stadtrat entschied zudem einstimmig, dass die bisherige Gradl-Dokumentationen im städtischen Kulturzentrum Franck-Haus in die Stadtbibliothek überführt werden. Dort soll eine Auseinandersetzung mit Werk und Leben Hermann Gradls möglich sein. Bürgermeister Thomas Stamm dankte dem ehemaligen Bürgermeister Leonhard Scherg, der im Stadtarchiv das Leben von Jakob Gradl erforscht hat.

Zur Person: Jakob Gradl

Jakob Gradl wurde in Dillingen am 29.11.1833 geboren. Nach dem Abitur studierte er in München Jura und schloss dies mit der Note 1 ab. Im Anschluss entschied er sich für den Staatsdienst. Nach einigen Stationen in Neunburg vor dem Wald und in Pfaffenhofen wechselte er 1881 als Bezirksamtmann an das Bezirksamt Marktheidenfeld. Es umfasste die Amtsgerichte Marktheidenfeld und Stadtprozelten mit insgesamt 51 Gemeinden. Der Bezirksamtmann repräsentiert als staatlicher Beamter mit Allzuständigkeit den Staat vor Ort.
Als besondere Ereignisse seiner Amtszeit sind zu nennen: der Abschluss des Baus der Eisenbahnstrecke 1881, der Bau des Spitals/Krankenhauses an der Karbacher Straße 1884/85, des Amtsgerichts 1886/87, der Bau der Kreuzbergkapelle 1889/90, der Bau der Mädchenschule (Obertorschule) mit Kindergarten und Feuerwehrhaus 1890-92 und die Errichtung des Denkmals für König Ludwig I. am Brückenkopf 1896.
Im Juni 1898 im Alter von 64 Jahren trat er auf sein Ersuchen hin und bedingt durch eine Krankheit in den Ruhestand. Zum Abschied wurde ihm aufgrund seines 17-jährigen Wirkens als Bezirkshauptmann das Ehrenbürgerrecht der damaligen Gemeinde Marktheidenfeld verliehen. Er kehrte nach Dillingen zurück, wo er sechs Jahre später im Alter von 71 Jahren am 6. Februar 1905 starb. 
Quelle: Recherche Leonhard Scherg
 
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  • Naja
    „Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass“. Wenn es dem Stadtrat um die Eliminierung des Namens Herman Gradl Straße gegangen wäre, hätte dieser auch konsequent beseitigt werden müssen.
    Die Beibehaltung mit einer Nonsensbegründung hat einen faden Nachgeschmack.
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  • familie.diener@gmx.net
    Ob es ein fauler Kompromiss muß jeder selbst für sich entscheiden !
    Mir fällt immer mehr auf , das wir in einer moralistischen Scheinwelt leben und jeder sich daran ergötzt negatives über den Mitmenschen zu verbreiten und zu veröffentlichen .
    Die Zeiten damals waren nicht leicht und vielleicht waren auch nicht alle Menschen so
    schlecht und haben sogar anderen geholfen , obwohl sie der Partei angehörten.
    Dies interessiert aber keinen , weil auch keiner hören möchte !
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  • e.max.s@t-online.de
    Ein fauler Kompromiss!
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