
Ob sich Jakob Gradl darüber freuen würde, dass fast 120 Jahre nach seinem Tod eine Straße nach ihm benannt wird? Die Begründung dafür ist ja nur die zweitbeste, denn die Wahl fiel vor allem deshalb auf ihn als neuen Namensgeber der Straße, um den Anwohnern keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. Aber die Entscheidung bot sich als unkomplizierte Lösung an, denn auch Jakob Gradl war einst Ehrenbürger der damaligen Gemeinde Marktheidenfeld.
Der Schritt jedenfalls, die Straße umzuwidmen und sich von der Ehrenbürgerschaft Hermann Gradls nachträglich zu distanzieren, ist richtig und überfällig. Der Stadtrat hat damit einen Schlussstrich in der Diskussion um den Landschaftsmaler gezogen und deutlich gemacht, dass es ein Fehler war, ihm die Ehrenbürgerwürde zu verleihen.
Ob Gradl ein Nazi war, lässt sich kaum klären
Dabei tut es nichts zur Sache, ob Gradl selbst ein überzeugter Nazi war. Das lässt sich kaum klären. Vielleicht war er tatsächlich nur ein unpolitischer Mitläufer, wie seine Anhänger ihn sehen. Ein Mitläufer, der geschmeichelt von der Gunst Adolf Hitlers gerne die Annehmlichkeiten annahm, die er aufgrund der Wertschätzung des Führers bekommen hat. Auch die Autorin der Masterarbeit lässt die Frage nach der moralischen Wertung der Person Hermann Gradls und seiner Bilder unbeantwortet.
Dafür hat die Autorin überzeugend dargelegt, dass Gradls idyllische Landschaftsbilder einer vorindustriellen Gesellschaft genau in die Ideologie der braunen Machthaber passen, die beim Betrachter Assoziationen an einer harmonischen Volksgemeinschaft hervorrufen sollen. Gradl hat dies gewusst und er hat sich der ideologischen Aneignung der Bilder nicht entgegengestellt. Und wer Sätze sagt wie "die Begegnung mit Hitler war der unverdiente Höhepunkt in meinem Leben" sollte nicht Ehrenbürger der Stadt Marktheidenfeld gewesen sein.