zurück
Gemünden
Marco Weber vermengte bei seiner humoristischen Stadtführung in Gemünden Dichtung und Wahrheit
Ringelnatz soll im Koppen 15 Schoppen getrunken haben, die Tochter des Bürgermeisters klingelte einst bei Sitzmann Sturm: Mit Witz und Wissen führte Weber am Samstag durch Gemünden.
Mit einer Mischung aus Dichtung und Wahrheit unterhielt Marco Weber  (rechts) am Samstag in Gemünden rund 20 Gäste bei seiner humoristischen Stadtführung.
Foto: Wolfgang Dehm | Mit einer Mischung aus Dichtung und Wahrheit unterhielt Marco Weber (rechts) am Samstag in Gemünden rund 20 Gäste bei seiner humoristischen Stadtführung.
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 10.10.2024 02:40 Uhr

Stadtführer Marco Weber deutete auf das Rathaus und ließ seine rund 20 auf dem Marktplatz versammelten Gäste wissen: "This is the house of the Burger-King." Gleich zu Beginn seiner ersten humoristischen Stadtführung am Samstagvormittag, einer Mischung aus Dichtung und Wahrheit, schlug Weber vor, sich in der kommenden Stunde zu duzen. Wer dies nicht wolle, solle die Hand heben und bis zum Ende der Führung oben lassen. Er sei der Marco, und nicht der Herr Stadtführer oder gar der Führer. Insbesondere Letzteres könne Ärger geben.

Nachdem dies geklärt war, stellte er Gemünden als Erholungsort mit rund 10.000 Einwohnern vor. Früher sei der Main – dessen Name sich vom keltischen Moin ableite, nicht vom ostfriesischen Moin, Moin – sehr wichtig für Gemünden gewesen, unter anderem wegen des Fischfangs.

Weber führte seine Gäste durch eine schmale unter den Häusern verlaufende Unterführung an die Saale. Dort erzählte er von Gemündens berühmtestem Fischer Johann Edmund Roth, genannt Dapser Hannes, der es faustdick hinter den Ohren hatte.

Gemündener Innenstadt wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört

Die flussaufwärts gelegene sandsteinerne Saalebrücke sei vor rund 200 Jahren errichtet worden und habe eine hölzerne Vorgängerbrücke ersetzt, wusste Weber. Die Nepomuk-Figur auf der Brücke sei in den 1970er Jahren von einem Autofahrer "angerummst" worden, worauf für die Brücke eine Kopie der Figur erstellt worden sei; die beschädigte Figur sei repariert worden und heute im Durchgang an der Stadtpfarrkirche zu sehen.

Marco Weber  (Mitte) bei seiner humoristischen Stadtführung.
Foto: Wolfgang Dehm | Marco Weber (Mitte) bei seiner humoristischen Stadtführung.

Weber ging mit seinen Gästen zurück zum Marktplatz. Dort zeigte er ihnen, wo das alte Rathaus gestanden hatte, das 1945 kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs durch Luftangriffe zerstört worden war – so wie fast die gesamte Gemündener Innenstadt.

Vom Marktplatz aus konnte man auch das 1570 erbaute Huttenschloss sehen, in dem sich heute das Film-Photo-Ton-Museum mit Kinosaal befindet. Über die dort einmal monatlich stattfindenden Filmvorführungen kam Weber regelrecht ins Schwärmen. Und auch die Öffnung des Gastraums am Heiligen Abend für einsame Menschen fand er toll.

Sonne, Schatten und viel Leerstand in Gemünden

In der Plattnersgasse erfuhren Webers Gäste, dass dort früher der gesamte Verkehr hindurchführte und dass dort einst eine Synagoge war, die in der Reichspogromnacht zerstört worden sei. Ein Denkmal erinnere heute daran.

Der weitere Weg führte die Gruppe zurück auf den Marktplatz und in die Obertorstraße, die halb in der Sonne und halb im Schatten lag. Ja, Gemünden habe was zu bieten, meinte Weber: "Sonne und Schatten und viel Leerstand." Allerdings gebe es auch positive Entwicklungen wie das ehrenamtlich geführte Weinlokal "Zum Schelch" am Marktplatz oder den benachbarten Kommunikationsraum "Freiraum".

Als Joachim Ringelnatz im Koppen 15 Schoppen trank

Vor einem längst ausrangierten Verkaufsautomaten am ehemaligen Kaufhaus Sitzmann erzählte Weber folgende Geschichte: Einst habe sich die Tochter des Bürgermeisters vor dem Kirchgang heimlich mit ihrem Freund getroffen und sich dabei die Strumpfhose zerrissen. So konnte sie unmöglich in die Kirche, eine neue musste her. Sie klingelte bei Sitzmann Sturm, doch der war schon in der Kirche. Die Bürgermeisterstochter gab einem Jungen zehn Pfennige und trug ihm auf, Sitzmann zu holen. Der kam und verkaufte ihr die Strumpfhose. Um zu verhindern, dass ihm so etwas noch einmal passiert, stellte er den Automaten auf. Weber lachte und sagte zu seinen Gästen: "Das habt ihr so wahrscheinlich noch nicht gehört – ich auch nicht."

Tatsächlich soll jedoch der Schriftsteller und Maler Joachim Ringelnatz während des Ersten Weltkriegs in Gemünden Station gemacht und im Koppen, genächtigt haben; der Kellnerin Therese zuliebe habe er dort 15 Schoppen getrunken.

Nichts mit der humoristischen Stadtführung zu tun habe das SPD-Büro, erklärte Weber im Vorbeigehen – "die ham nix zu lachen zurzeit"

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gemünden
Wolfgang Dehm
Brücken
Joachim Ringelnatz
Leerstände
Marco Weber
Reichspogromnacht
Zerstörung
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Renate Weber
    Eine wunderschöne Führung. Kurzweilig, unterhaltsam und informativ. Was will man mehr?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten