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Gemünden
Huttenschloss in Gemünden: Es war nie von Adeligen bewohnt
Aus der Geschichte Main-Spessarts (66): Das Huttenschloss hatte unterschiedliche Nutzungen. Es diente als Rentamt, Jugendherberge und war Lager für den Reichsarbeitsdienst. Für die heute dort untergebrachten Museen fehlt ein Konzept.
Das Huttenschloss mit seinen charakteristischen Türmen wurde 1711 erbaut. 
Foto: Günter Roth | Das Huttenschloss mit seinen charakteristischen Türmen wurde 1711 erbaut. 
Günter Roth
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:08 Uhr

So alt ist das Huttenschloss in „Kleingemünden“ eigentlich gar nicht und doch ist die Geschichte um seine Erbauung 1711 nicht in allen Einzelheiten bekannt und erforscht. In jedem Fall aber hat es in 310 Jahren eine stattliche Anzahl von Besitzern und verschiedene Bewohner in seinen Mauern beherbergt und fast noch mehr Nutzungen erfahren. Außerdem ist es in Wirklichkeit kein richtiges Schloss, da es nie von Adeligen bewohnt wurde und auch der Bezug zur gräflichen Familie Hutten ist recht dünn, schließlich war es nur sehr kurze Zeit in deren Besitz. Erbaut wurde das Huttenschloss durch den gräflich Nostiz‘schen Amtmann (Verwaltungschef) Adam Christian Stern in Kleingemünden – oder auch Weniggemünden genannt.

In der Festschrift „300 Jahre Huttenschloss“ aus dem Jahr 2011 beschreibt Werner Fella das Gebäude als behäbigen dreigeschossigen Bau mit Rustikaeck-Verkleidung. An der westlichen Schmalseite sind rechteckige, mit Flachkuppeln bedeckte Ecktürme. Das Portal fällt durch Rustikaeinfassung auf. Durch die vielfältigen Umbaumaßnahmen in den folgenden Jahrhunderten sind nur noch wenige ursprüngliche Ausbauelemente erhalten.

Das Wappen des Fürstbischofs Christoph Franz von Hutten am Eingangsportal. 
Foto: Günter Roth | Das Wappen des Fürstbischofs Christoph Franz von Hutten am Eingangsportal. 

Für den Heimatforscher und Kreisarchivpfleger Dr. Philipp Seltsam war es "das ansehnlichste Gebäude von Kleingemünden, kein großes Kunstwerk, aber immerhin ein beachtlicher Bau des frühen Barocks“. Markantestes Zeugnis der Hutten ist noch heute das Wappen des Fürstbischofs über dem Eingangsportal auf der Nordseite.

Erbauer Adam Christian Stern starb bald

Der Erbauer Adam Christian Stern hatte ganz offensichtlich nicht lange Freude an seinem prächtigen Anwesen. Er starb schon sechs Jahre später 1717. Sein Sohn verkaufte das Schloss 1726 an den Würzburgischen Oberamtmann von Gerolzhofen Franz-Ludwig von Hutten zu Stolzenberg und im selben Jahr ging es im Tausch an dessen Bruder, den Fürstbischof Christoph Franz von Hutten. Auf diese Weise kam das Huttenschloss ans Hochstift Würzburg und diente in der Folgezeit als Sitz der würzburgischen Amtsverwalter in Gemünden.

Diese hielten sich allerdings als adelige Repräsentanten selten hier auf, vielmehr nahmen sie auch Aufgaben als Hofräte in der Residenzstadt wahr. Für die hohen Herren wurden aber immer drei Zimmer vorgehalten. Unter der Regierungszeit des Fürstbischofs Georg Karl von Fechenbach (1795 bis 1808) wurde das Areal von einer festen Mauer umgeben. Die Mauer und der Torbogen mit dem Fechenbachwappen fielen allerdings den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer.

Alte Ansichtskarte vom Huttenschloss, damals noch Rentamt.
Foto: Historischer Verein | Alte Ansichtskarte vom Huttenschloss, damals noch Rentamt.

Mit der Säkularisation fiel das Huttenschloss zunächst an das Großherzogtum Würzburg und ab 1814 an das Königreich Bayern. Aus dem fürstbischöflichen Amt wurde das Königlich Bayerische Rentamt, der Vorläufer des Finanzamts. Verwaltet wurden hier neben Gemünden auch 43 Dörfer und Höfe mit fast 7000 „Seelen“. Das Rentamt Gemünden war für die Verwaltung der Finanzen und Einnahme der Abgaben zuständig, geleitet wurde es von einem Rentamtmann, dem ein Amtsbote zur Seite stand.

Aus dem Rentamt wurde das Finanzamt

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde aus dem Rentamt das Finanzamt, doch schon 1927 erfolgte die Zusammenlegung mit dem Finanzamt in Lohr. Seitdem ist Lohr der gemeinsame Sitz des Finanzamts Main-Spessart mit Außenstellen in Karlstadt und Marktheidenfeld.

Eine ganz andere Nutzung erfuhr das Huttenschloss ab 1925. Die damalige Jugendbewegung hatte die Freude am Wandern und an den „Fahrten zu Fuß“ entdeckt. So wurde im Fruchtspeicher des ehemaligen Rentamts eine geräumige Jugendherberge mit Schlafräumen für 40 junge Männer und 20 Frauen eingerichtet. Die Stadt Gemünden unterstützte dies aktiv mit finanziellen Mitteln und praktischer Hilfe. Durch die Einführung der „Land-Kraftpost“, dem Vorläufer des Öffentlichen Personennahverkehrs, wurden Unterstellplätze für die Busse gesucht. Ab 1930 gab es auf dem Gelände des Huttenschlosses die sogenannte Postgarage.

Das Huttenschloss mit seinen markanten Türmen. 
Foto: Michael Fillies | Das Huttenschloss mit seinen markanten Türmen. 

Im selben Jahr erwarb die Stadt Gemünden das gesamte Areal für 50 000 Reichsmark und plante zunächst, eine Landwirtschaftsschule, eine Hauswirtschaftsschule oder ein Kinderheim einzurichten. Auch an die Vermietung für Wohnungssuchende wurde gedacht, dafür wurden sogar umfangreiche Umbaumaßnahmen im Innern in Angriff genommen. Nichts davon ließ sich aber verwirklichen. Auch der Plan, hier ein Museum zu etablieren, konnte erst rund 50 Jahre später wieder aufgegriffen werden.

Handfester waren da die Ideen und Entwicklung des „Freiwilligen Dienstes“, aus dem sich später in der Nazizeit der Reichsarbeitsdienst entwickeln sollte. Infolge der Massenarbeitslosigkeit um 1930 fanden sich viele junge Leute, die für Unterkunft, Verpflegung und geringe Entlohnung bereit waren, Gemeinschaftsdienste zu leisten und vielleicht auf diesem Weg in geregelte Arbeit zu kommen. Teilweise in Eigenleistung wurden in den Obergeschossen und im Dachgeschoss Schlafräume für bis zu 32 Männer geschaffen. 

Huttenschloss wurde Lager für den Reichsarbeitsdienst

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde aus dem freiwilligen Dienst der „Reichsarbeitsdienst“. Unter dessen Leitung wurden außerdem eine Turnhalle, eine Küchenbaracke und ein geräumiger Speisesaal eingerichtet, der auch als Gemeinschaftsraum diente. Im Außenbereich gab es je einen großen Apell- und Sportplatz. Einer der Einsatzbereiche des Arbeitsdienstes war der Ausbau des Schutzhafens im Rahmen des Mainausbaus. In Gössenheim wurden von den Männern rund 50 Hektar Wiesen entwässert und an anderen Orten Waldrodungen durchgeführt. Im Mai oder Juni 1939 wurde das Reichsarbeitsdienst-Lager in Gemünden aufgelöst – die jungen Männer mussten schließlich an anderer Stelle ihren schlimmen Dienst tun.

In den Wirren der letzten Kriegstage 1945 war das Huttenschloss in großer Gefahr. Beim sinnlosen Versuch, amerikanische Soldaten am Vormarsch zu hindern, wurden mehrere Gebäude in „Kleingemünden“ in Brand geschossen. Das Schloss selbst kam mit leichteren Schäden davon und wurde natürlich in der Folge bis Juni 1946 besetzt. Danach fanden hier Ausgebombte und Flüchtlinge hier eine vorübergehende, notdürftige Bleibe.

Wieder ging es um die Frage: Was geschieht nun mit dem Huttenschloss und den umfangreichen Nebengebäuden? Zeitweise zogen Betriebe ein wie die Zigarrenfabriken Schuster oder Eisenmann sowie ein Zweigbetrieb des Bad Neustädter Anlagenbauers Preh. Die größte Bedeutung hatte aber zu dieser Zeit die ehemalige Baracke des Arbeitsdienstes, der sich als „Saalbau“ großer Beliebtheit erfreute. Hier fanden lange Zeit Theateraufführungen, Konzerte, Kinovorstellungen und Tanzbälle statt, bis im August 1958 ein Großbrand alles in Schutt und Asche legte. Später wurden in den Nebengebäuden das Feuerwehrhaus (bis 1990) und das Feuerwehrwohnhaus untergebracht,

1984 erfüllte sich dann der Traum aus dem Jahr 1911, aus dem Huttenschloss ein Heimatmuseum zu machen. Was lag für Gemünden näher, als neben dem allgemeinen Heimatbezug auch die besondere Bedeutung der Stadt als Eisenbahnknoten in vier Richtungen und die Flussfischerei in der Dreiflüssestadt darzustellen. Im Dezember 1984 hoben  Staatssekretär Heinz Rosenbauer und Bürgermeister Hans Michelbach offiziell das Unterfränkische Verkehrsmuseum „aus der Taufe“, im Juni 1988 war dann Eröffnung.

Lokomotiven konnten im Schlosshof bestaunt werden. 
Foto: Michael Fillies | Lokomotiven konnten im Schlosshof bestaunt werden. 

Als sichtbarstes Zeichen galten die großen Lokomotiven im Schlosshof, die von den Besuchern ausgiebig auch innen bestaunt werden konnten. Leider nagte der Zahn der Zeit auch an den besonderen Exponaten im Freien, die Loks rosteten vor sich hin und schon 2005 musste – nicht zuletzt auch wegen Besuchermangels – das Projekt Verkehrsmuseum aufgegeben werden.

In Resten erhalten ist die Ausstellung des Gemündener Fischereiwesens, die von den Mitgliedern der Fischerzunft betreut wird. Neu hinzugekommen ist ein schön eingerichtetes Trauzimmer im Obergeschoss. Im Erdgeschoss unterhält das Informationszentrum des Naturpark Spessart einige Ausstellungsräume.

Film-Photo-Ton-Museum mit zu wenig Platz

Als weiteren Versuch in Richtung musealer Zukunft muss man das „etwas andere Museum“ sehen, das der Film-Photo-Ton-Museumsverein im Huttenschloss derzeit betreut. Eine hochinteressante, umfangreiche Sammlung der Entwicklung von Unterhaltungsmedien bietet alte Phonographen, Kinematographen und auch eine „Camera Obscura“ – Dinge, von deren Existenz viele junge Leute heute keine Vorstellung mehr haben.

Leider mangelt es aber derzeit am Platz, um diese besonderen Exponate ins rechte Licht zu setzen und es mangelt vor allem an einem schlüssigen, modernen Museumskonzept. Besucher kommen eben heute nicht mehr ins Museum, um sich Gegenstände anzusehen. Es müssen hier Möglichkeiten zur Interaktion, zur Selbsttätigkeit und zur aktiven Begegnung mit dem Gezeigten geboten werden.

Vieles ist also noch in der Schwebe. Das Gemündener Huttenschloss hat Charme und Potenzial. Es muss nur noch entsprechend genutzt werden.

Zum Autor: Günter Roth war lange Lehrer im Werntal und ist mit der Heimatgeschichte vertraut. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Geschichtsfreunde Stetten.

Literatur: "300 Jahre Huttenschloss - Gemündens Barockbau im Wandel der Zeit" (Festschrift des Historischen Vereins 2011)

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_mspL.

 
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