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Marktheidenfeld
"Macht bei mir kein Theater": Warum Menschen zu Lebzeiten bereits für ihren eigenen Tod vorsorgen
Zur Entlastung der Familie und für das eigene Gefühl: Zwei Menschen aus Main-Spessart erzählen, warum es für sie wichtig ist, dass für den Fall ihres Todes alles geregelt ist.
Bereits vor vielen Jahren haben die Eltern von Petra Palte das Familiengrab gekauft. Nachdem beide Eltern gestorben waren, haben Petra Palte und ihre Schwester ebenfalls einen Vorsorgevertrag abgeschlossen.
Foto: Thomas Obermeier | Bereits vor vielen Jahren haben die Eltern von Petra Palte das Familiengrab gekauft. Nachdem beide Eltern gestorben waren, haben Petra Palte und ihre Schwester ebenfalls einen Vorsorgevertrag abgeschlossen.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:29 Uhr

Vor dem Thema schrecken viele zunächst zurück. Wer möchte sich schon zu Lebzeiten damit beschäftigen, wie und wo er bestattet werden will, welche Lieder Hinterbliebene bei einer Feier singen sollen und was auf einem Grabstein oder einer Trauerkarte steht. Dennoch ist die Tendenz, Verträge zur Bestattungsvorsorge abzuschließen, steigend, sagt Matthias Liebler. Er ist Bestattermeister aus Marktheidenfeld und Vorsitzender des Bestatterverbands Bayern. Warum entscheiden sich Menschen zu diesem Schritt? Was sind ihre Beweggründe? Zwei Landkreisbewohner erzählen. 

Der Termin ist erst ein gutes halbes Jahr her: Im März 2023 saß Petra Palte zusammen mit ihrer Schwester beim Bestattungsunternehmen, um alle Formalitäten für den Vorsorgevertrag abzuschließen. "Das einzige, was wir an dem Tag nachgereicht haben, war ein aktuelles Foto von uns sowie die exakte Liedauswahl", erinnert sich die 66-Jährige. Für die beiden Schwestern war früh klar, dass sie diese Angelegenheiten möglichst rasch klären und planen wollen. "Uns war das einfach ein Bedürfnis", sagt sie. 

Im Todesfall stürzt viel auf einen ein

Woher das kam? "Uns ist das sicherlich ein Stück weit gut vorgelebt worden", begründet Petra Palte. So seien ihre Eltern bereits vor vielen Jahren zum Bestatter gegangen, hätten einen Sarg ausgesucht, eine Grabstelle gekauft und sich für Inschriften entschieden. Als dann die Mutter überraschend starb, hätten sie gemerkt, wie gut diese Vorbereitung war. "In dem Moment stürzt so viel auf einen ein, die Trauer, jede Menge Organisatorisches. Da ist es nur gut ist, wenn man einfach nur beim Bestatter anrufen muss und der zieht die entsprechende Akte", sagt sie. 

"Man redet dann sehr schnell sehr nüchtern und geschäftsmäßig darüber."
Petra Palte

Den Schritt, solch eine Akte für sich selbst anzulegen, wollten sie und ihre Schwester allerdings erst gehen, wenn beide Eltern nicht mehr leben. Für sie wäre das eine große Belastung gewesen, ist sich Petra Palte sicher. Nach dem Tod des Vaters dann setzten sie ihren Entschluss in die Tat um. Und merkten schnell: Das macht richtig Arbeit. Für die Grundvollmachten und Bankvollmachten mussten Termine mit Bankberatern und dem Notar her, weiterhin galt es Patientenverfügungen und ein  Testament aufzusetzen. "Die Beerdigung zu planen, ist eigentlich der letzte Schritt", erzählt Petra Palte.

Petra Palte am Familiengrab auf dem Friedhof in Rettersheim.
Foto: Thomas Obermeier | Petra Palte am Familiengrab auf dem Friedhof in Rettersheim.

"Man redet dann sehr schnell sehr nüchtern und geschäftsmäßig darüber", beschreibt sie, inwiefern diese Termine sie emotional beschäftigt hätten. Schließlich müssen alle Themenbereiche durchgesprochen werden: Von der Liedauswahl bis zu der Entscheidung, was sie im Sarg anhaben wollen bis zu dem Thema, wer übernimmt die Grabpflege, wenn keiner von beiden mehr da ist. "Wir haben uns da in den meisten Fällen von praktischen Überlegungen leiten lassen", erläutert Petra Palte.

Mehr Offenheit, weniger Tabu 

Ebenfalls wichtig war ihnen, mit dem Vorsorgevertrag auch die finanziellen Dingen zu regeln. Rund 18.000 Euro planen sie für die beiden Beerdigungen ein – inklusive Grabstein. Der alleine kostet bereits rund 8000 Euro. Ein Weg, um solche Investitionen vorab abzusichern, sei ein Treuhandkonto anzulegen, auf das die entsprechende Summe eingezahlt wird. 

"Warum macht ihr das schon jetzt? Ihr seid doch noch viel zu jung", bekämen die Schwestern immer wieder mal zu hören, wenn das Thema auf den Tod und den eigenen Umgang damit käme. Palte findet das schade und würde sich mehr Offenheit und weniger Tabu wünschen. "Als Gesellschaft wäre uns schon sehr geholfen, wenn wir die Gedanken zu Trauer und Tod zulassen und auch jedem zugestehen, sich damit zu beschäftigen", empfindet es die 66-Jährige. Egal zu welchem Zeitpunkt im Leben. Für sich selbst kann sie sagen: Sie ist froh, gemeinsam mit ihrer Schwester den Schritt der Vorsorge gemacht haben. "Jetzt, wo alles geklärt ist, ist das einfach ein gutes Gefühl."

Mit 30 Jahren Vorsorgevertrag abgeschlossen

Björn Straub war 30 Jahre alt, als er seinen Vorsorgevertrag abschloss. "Ein Onkel erlitt durch einen Unfall eine Hirnblutung und wurde sozusagen über Nacht zum Vollpflegefall", erzählt der 42-Jährige. Weil keine Vollmachten im Angehörigenkreis da waren, wurde über das Betreuungsgericht ein Betreuer beauftragt. Alle wesentlichen Entscheidungen liefen nun über diesen. Zum Beispiel, welche OP gemacht oder ob eine Magensonde gelegt werden sollte. "Wir haben uns die Vormundschaft langwierig wieder erkämpfen müssen", so Straub.

"Ich habe selbst keine Kinder, wer soll die Grabstelle also betreuen?"
Björn Straub

Geprägt von diesen Erfahrungen machte der Steinmarker Nägel mit Köpfen. "Ich habe gleich das ganze Paket in Angriff genommen", erzählt er. Neben Vorsorgevollmachten und Patientenverfügung  waren das auch ein Bestattungsvorsorgevertrag inklusive Sterbegeldversicherung. War alles für ihn geregelt, begann er damit, seine Familie davon zu überzeugen, vorzusorgen. "Wir haben uns dann auch gemeinsam Grabstätten angeschaut", erzählt er. Letztlich entschieden sie sich für einen Baum mit zwölf Plätzen im Ruheforst in Stadtprozelten.  

Auf dem Ruheforst Südspessart in Stadtprozelten hat Björn Straub einen Baum als letzte Ruhestätte für sich und seine Familie für 90 Jahre gekauft. Die kompostierbaren Urnen werde im Kreis um den Baum bestattet.
Foto: Thomas Obermeier | Auf dem Ruheforst Südspessart in Stadtprozelten hat Björn Straub einen Baum als letzte Ruhestätte für sich und seine Familie für 90 Jahre gekauft. Die kompostierbaren Urnen werde im Kreis um den Baum bestattet.

"Ich habe selbst keine Kinder, wer soll die Grabstelle also betreuen?", begründet er, warum die Wahl auf den Wald fiel. Und auch für seine Eltern war ein Grab außerhalb vom gemeindlichen Friedhof in Ordnung. "Mein Vater war ein Waldmensch, Spaziergänger, Pilze-Sucher", so Straub. "Macht bei mir kein Theater", habe sein Vater immer gesagt, wenn es um seine Beerdigung ging. Und auch Björn Straub hat für sich entschieden, dass er es auf der eigenen Trauerfeier schlicht will: Keine Zeremonie, kein Pfarrer, nur engste Angehörige. Das, was in der kurzen Ansprache gesagt wird, entscheidet der Bestatter, ebenso über das Lied. 

Freunde und Bekannte reagieren noch gemischt

Seine Mutter hingegen hätte sich schon ein Musikstück ausgesucht. Nichts Trauriges, sondern was Rockiges von Bruce Springsteen, erzählt er und ergänzt: "Manchmal, wenn wir unterwegs sind, sagt sie: 'Hör mal, da läuft mein Beerdigungs-Lied im Radio' und freut sich." 

Dieser offene, leichte und lebensnahe Umgang mit dem Thema Tod in der Familie habe ihm persönlich auch die Angst genommen vor dem Sterben. Geholfen habe ihm da auch, den Tod des Vaters und der Großeltern nah mitzuerleben und zu begleiten. "Einige Stunden nachdem das Herz aufgehört hat zu schlagen, ist da noch die Wärme des Körpers, die dann langsam schwindet – wie, als ob die Seele den Menschen langsam verlässt." Das mitzuerleben, habe ihm den Abschied erleichtert.  

Auch wenn er seine Familie überzeugt hat, keine Scheu vor dem Thema zu haben und sich möglichst früh um die Vorsorge zu kümmern – Freunde und Bekannte reagieren noch gemischt. "Die Hälfte findet es gut, die andere Hälfte möchte sich nicht damit auseinandersetzen", so Straub. Er selbst findet es gut, wenn in einer Gesellschaft über das Thema Tod und Vergänglichkeit gesprochen werden kann – am besten möglichst früh und möglichst unverkrampft.  

Wer berät und informiert beim Thema Vorsoge?

Zum Thema Bestattungsvorsorgevertrag informieren und beraten die örtlichen Bestattungsinstitute in persönlichen Beratungsgesprächen. Zum Thema Betreuung und Vorsorge informiert und berät die Betreuungsstelle im Landratsamt Main-Spessart. Die Beraterinnen sind erreichbar per E-Mail unter Betreuungsstelle@Lramsp.de oder unter Tel: (09353) 7931150.
Der Hospizverein Main-Spessart bietet Einzelberatungen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht an. Terminvereinbarungen unter Tel.: 0171/7349108. Die  Broschüre "Unfall, Krankheit, Alter" des Bayerischen Staatsministeriums gibt einen Überblick über das Thema und kann unter www.bestellen.bayern.de heruntergeladen werden.
(luc)
 
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Kommentare
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  • Klaus Fiederling
    vielleicht gar nicht schlecht, wenn man vor seinem Tod noch alles regeln kann, wie man es will, oder was danach auf die Angehörigen zukommt. da ist schon viel Arbeit für die engsten Verwandten abgenommen worden.
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