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Lohr, Schweinfurt
Lohrer Geschäftsleute brachten Hilfsgüter in die Ukraine – und nahmen Geflüchtete mit zurück
Marcus Scholz organisierte einen Konvoi zum Grenzübergang – und berichtet von emotionalen Momenten an der Grenze. Auf dem Rückweg brachten die Helfer auf eigene Faust 18 Geflüchtete zur Ankereinrichtung nach Schweinfurt.
Dankbarkeit beim Abschied in Geldersheim: Der Unternehmer Marcus Scholz und zwölf weitere Helfer haben zehn Frauen und acht Kinder zur Ankereinrichtung im Landkreis Schweinfurt gebracht.
Foto: Hans-Georg Barsch | Dankbarkeit beim Abschied in Geldersheim: Der Unternehmer Marcus Scholz und zwölf weitere Helfer haben zehn Frauen und acht Kinder zur Ankereinrichtung im Landkreis Schweinfurt gebracht.
Frank Zagel
 und  Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 11.02.2024 18:00 Uhr

Zehn Frauen und acht Kinder brachten der Lohrer Unternehmer Marcus Scholz und zwölf weitere Geschäftsleute aus dem Landkreis Main-Spessart am Wochenende in die Ankereinrichtung nach Geldersheim (Lkr. Schweinfurt). Mit sechs Fahrzeugen und drei Anhängern waren die freiwilligen Helfer Freitagnacht aus Unterfranken nach Przemysl an der polnisch-ukrainischen Grenze aufgebrochen, um tonnenweise Hilfsgüter abzugeben.

Am Telefon schildert Marcus Scholz, 43, der den Konvoi und die Mitnahme der Geflüchteten organisierte, am Montagmorgen, noch immer hörbar emotional aufgewühlt, seine Eindrücke von der mehr als 1200 Kilometer langen Fahrt.

Tausende Flüchtlinge in Markthalle

"Das waren an der Grenze Zustände, wie sie mir von meiner Familie aus dem zweiten Weltkrieg geschildert wurden", versucht der Lohrer Unternehmer seine Erfahrungen in Worte zu fassen. "In einer großen Markthalle saßen und schliefen tausende von Flüchtlingen, nur mit ihren Kleidern am Leib und einem Koffer Gepäck."

Besonders das ruhige und freundliche Verhalten der Menschen beeindruckte Scholz und seine Mannschaft. "Da war kein Geschrei, keine Panik. Die Menschen waren alle total erschöpft, aber sehr strukturiert. Viele Frauen haben noch mit ihren Männern telefoniert und ihnen gesagt, dass sie in Sicherheit sind", sagt Scholz. "Wenn ich mir überlege, dass manche ihre Männer vielleicht nie mehr sehen, ist das gar nicht zu erfassen",  berichtet er ergriffen.

Im Auffanglager in der Stadt Przemysl an der polnisch-ukrainischen Grenze.
Foto: Hans-Georg Barsch | Im Auffanglager in der Stadt Przemysl an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Innerhalb von 48 Stunden sei die Hilfsaktion auf die Beine gestellt worden. Jochen Behl, ein Unternehmer aus dem Offenbacher Raum mit guten Kontakten zu Lohrer Geschäftsleuten, fasste die Idee zu einer Spendenaktion ins Auge. Über die Werbegemeinschaft Lohr erfolgte ein Aufruf, sich daran zu beteiligen. Als sich schnell abzeichnete, wie umfangreich diese Aktion angenommen wurde, war für Marcus Scholz ersichtlich, dass der Konvoi nur mit einer guten Organisation erfolgreich sein könne. Mit seiner Erfahrung als Fallschirm-Reserveoffizier der Bundeswehr habe sich Scholz bereiterklärt, Struktur in die Abläufe des gesamten Transportes zu bringen.

"Mir war klar, dass wir zuerst einen Ansprechpartner vor Ort brauchen." Über einen ehemaligen Polizisten der Ukraine im Bekanntenkreis sei der Kontakt zu einer städtischen Mitarbeiterin im westlich gelegenen ukrainischen Lemberg zustande gekommen. Über diese konnte die Abholung der Hilfsgüter von ukrainischer Seite aus gewährleistet werden. "Im Endeffekt hat das alles ganz gut geklappt", blickt der 43-Jährige zurück. "Als wir nach 20 Stunden Fahrt ankamen, stand schon ein LKW bereit, in den direkt verladen wurde."

Es wurde nach Geflüchteten gesucht mit Kontakten nach Bayern

Nun stellte sich die Frage, wen der Konvoi mit nach Deutschland nehmen sollte. Die Lohrer stimmten sich dabei mit Dolmetschern und Hilfskräften vor Ort ab. Alle Leute, die sie mitgenommen haben, haben Verwandte in Deutschland, schildert Scholz.

Beeindruckt zeigte sich Scholz dabei von den polnischen Hilfskräften. "Immer wieder trafen neue Flüchtlinge ein. Diese wurden von den Helfern direkt freundlich mit Lebensmitteln und Decken versorgt." Auf der Rückfahrt nach Deutschland habe man immer wieder Pausen gemacht – auch, um Stofftiere für die Kinder zu kaufen. "Da baut sich schon eine gewisse Beziehung auf, wenn du mit den Leuten dann fast 20 Stunden im Auto bist."

Die ukrainischen und die deutschen Helfer beim Verladen der Hilfsgüter an der Grenze.
Foto: Hans-Georg Barsch | Die ukrainischen und die deutschen Helfer beim Verladen der Hilfsgüter an der Grenze.

Marcus Scholz betont im Gespräch mehrfach, dass er sich und alle Helfer "keinesfalls selbst beweihräuchern" möchte. Man habe auch nie die Absicht gehabt, einer Behörde vorzugreifen.

Im Gegenteil. Bereits im Vorfeld stimmte sich Scholz mit dem Landratsamt Schweinfurt ab. Er betont immer wieder die Wichtigkeit, die Behörden mit einzubeziehen. "Man muss der Bevölkerung plausibel machen: Wenn die Menschen hier herkommen, dann müssen sie registriert werden. Damit die Männer, die im Kampfgebiet sind, ihre Frauen und Kinder danach auch wieder finden", sagt Scholz.

Steffen Beutert ist Flüchtlingsbeauftragter beim Schweinfurter Landratsamt und hat Marcus Scholz während der Hilfsaktion so weit er konnte telefonisch begleitet. Den Austausch mit dem Unternehmer beschreibt er als "völlig problemlos". Schon vor dem Start haben beide telefoniert und erste Informationen ausgetauscht, erzählt er: "So weit es eben ging." Immer wieder hatten beide auch während der Fahrt Kontakt. Etwa, um abzustimmen, wann der Konvoi mit den Geflüchteten in Schweinfurt ankommt. "Grundsätzlich ist das Ankerzentrum für die Aufnahme vorbereitet", sagt Beutert, "aber es ist hilfreich, wenn man weiß, wann genau die Geflüchteten ankommen." Er selbst hat Scholz’ Informationen an eben jenes weitergegeben.

Weiterer Konvoi für das Wochenende geplant

Personen, die ebenfalls eine Hilfsaktion starten möchten, rät Beutert dazu, sich vor dem Start mit der Kreisverwaltungsbehörde in Verbindung zu setzen, um abzuklären, wann es losgeht, wie viele Geflüchtete mitgebracht werden und wo diese dann unterkommen können. "So konnte ich Herrn Scholz gleich sagen, wo er hinfahren soll", sagt er. Am Ankerzentrum kommen aktuell sehr viele Geflüchtete an, beschreibt Beutert.

Das Ankerzentrum habe als Puffer gedient, sagt Beutert. "Man lässt die Geflüchteten ankommen, testet sie auf Corona, hat sofort Verpflegung, ein Bett und die Möglichkeit der medizinischen Versorgung." Das könne aber nicht überall geleistet werden – "und vor allem nicht vergangene Woche", sagt Beutert. Inzwischen seien aber viele Anlaufstellen so weit, dass sie die Unterkünfte sofort betriebsbereit haben.

Am Wochenende wollen die Lohrer Geschäftsleute erneut Hilfsgüter senden und planen dabei wiederum Geflüchtete mit Reisebussen in die Region zu überführen. "Jetzt wissen wir, wo es ist. Wir wissen, wie die Lage vor Ort ist", sagt Marcus Scholz.

Spenden können bei Scholz Design in der Ludwigstraße 6 und bei Opel Brass abgegeben werden. Gebrauchte Kleidungsstücke werden nicht benötigt, vielmehr Hygieneartikel, Campingbedarf (auch Batterien) und Lebensmittel, einschließlich Babynahrung.

Der Konvoi der Lohrer Geschäftsleute.
Foto: Hans-Georg Barsch | Der Konvoi der Lohrer Geschäftsleute.
 
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