
Es ist überwältigend, was sich bei der Ukraine-Hilfsaktion in Karlstadt tut: Am Montag soll der fünfte Lastwagen an die polnisch-ukrainische Grenze fahren. Dort werden die Hilfsgüter umgeladen. Es handelt sich einerseits um Dinge für Geflüchtete wie Lebensmittel und Hygieneartikel, andererseits aber auch um Dinge wie Medikamente und Winterjacken für die ukrainische Armee.
Hauptinitiator ist der Karlstadter Rheumatologe Dr. Igor Turin, der in Kiew geboren ist und in Deutschland studiert hat. Er berichtet von einem riesigen Kontingent, das Flyer-Alarm gespendet hat: 19 Euro-Paletten Desinfektionsmittel, 15 Paletten mit Fleecejacken, Handtüchern, Rucksäcken, Zelten und Feldbetten – alles neu – und mehr als 1000 Umzugskartons.
Medizinische Geräte aus verschiedenen Kliniken

Durch Turins Kontakte hat das Krankenhaus Gelnhausen medizinisches Gerät gespendet: einen Infusomaten, Oximeter, mit denen sich der Sauerstoffgehalt im Blut messen lässt, Operationsbesteck. Spenden kommen auch vom Klinikum Neuss bei Düsseldorf. Mit dem Klinikum Bad Windsheim ist Turin im Gespräch. Sonderlieferungen von medizinischem Material und Medikamenten werden durch das Innenministerium der Ukraine logistisch begleitet.
Als Sammelstelle fungiert eine Halle von Thomas Gundersdorf, einer der beiden Geschäftsführer des Recycling-Technik-Unternehmens URT im Karlstadter Gewerbegebiet "Hirschfeld". "Wir haben mittlerweile unsere eigene Organisation", verweist Mitinitiator Cüneyt Ünaydin auf die täglich etwa 100 Helferinnen und Helfer, die unter anderem über dessen Facebook-Ankündigung auf die Hilfsaktion aufmerksam wurden.

Viele freiwillige Helfer packen mit an
Sie sortieren die angelieferten Produkte in der Halle. Besonders bei Kleidung ist das dringend nötig. Da reiche die Bandbreite von sinnvollen Kleidungsstücken in hervorragendem Zustand bis hin zu schmutzigen und kaputten Teilen, die mühsam ausgesondert werden müssen, berichten Helfer. Was in den Transport kommt, wird auf Paletten gestapelt und in die Sattelschlepper verladen. Den Überblick behält dort Rudi Gosdschan, der auch stets über die Mobilnummer (0176) 37767263 zu erreichen ist. Er berichtet auch: "Mit Brotzeiten und Pizzen versorgten Maxl-Bäck, Punta del Sud und Backspiel die Helfenden."
Die Lastwagen samt Fahrer haben hiesige Unternehmen zur Verfügung gestellt – die Spedition HSL Fresh (Henning aus Heugrumbach), das Forstunternehmen Reith aus Heugrumbach und das Karlstadter Spenglerunternehmen Lummel. Ein weiterer Lastwagen kam von einer polnischen Spedition. Für Montag wurde ein Lkw von Volpert angekündigt.
Artikel für mehr als 10 000 Euro
Über gespendete Grundnahrungs- und Hygieneartikel im Wert von mehr als 10 000 Euro zeigte sich am Freitag der Inhaber des Lohrer E-Centers, Jörg Engelhard, bewegt. Er hatte in Lohr zu Spenden aufgerufen. Der 46-Jährige steuerte zu den Spenden seiner Kunden zusätzlich zwei Paletten mit Hygieneartikeln bei. Eine Palette mit Dosenkonserven spendete der Lebensmittelhersteller Ulrich Englert aus Lohr.

"In wenigen Tagen hat sich in Main-Spessart ein Hilfs-Netzwerk aus Privatpersonen und Unternehmern gebildet, das uns ermöglicht, schnell zu handeln und Hilfe vor Ort anzubieten", so Engelhard, der persönlich bei der Verladung seiner Hilfsgüter in Karlstadt zugegen war. Bereits am Mittwochabend, dem ersten Tag der Aktion, sei die Lagerhalle mit Waren gefüllt gewesen, wirft Daniel Hamaliy, ebenso im Organisationsteam, ein. Hamaliy fuhr am Freitagabend selbst mit Helfern an die Grenzübergangsstelle Korczowa-Krakowez, um dort beim Ausladen des Trucks mitzuhelfen.
Inzwischen gibt es erste Routine
Wie lange die Hilfsaktion auf seinem Gelände fortgesetzt werden soll, kann Thomas Gundersdorf auf Nachfrage noch nicht abschätzen: "Die Hilfe wird benötigt und wir machen jetzt einfach weiter und schauen, wie sich die Lage in der kommenden Woche entwickelt." Mittlerweile habe sich eine gewisse Routine bei der Vorsortierung und der Verladung der Hilfsgüter eingespielt. "Die Hilfsbereitschaft ist so groß, dass wir immer genügend helfende Hände vor Ort haben", so der Unternehmer.
Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach verschaffte sich am Freitag vor Ort einen Eindruck und sagte: "Wir haben über die Stadt eruiert, wer Flüchtlinge in der Region aufnehmen kann. Alle Adressen von möglichen Gastfamilien sammeln wir bei uns im Rathaus." Diese sollen dann an das Landratsamt weitergeleitet und überprüft werden.

Neben aller sachlichen Arbeit gibt es bei Hilfsaktion auch Momente, die berühren. Gosdschan hat bei einem Hilfspaket einen Brief eines Mädchens gefunden. Sie schreibt: "Hallo, ich bin Leni, ich bin acht Jahre alt. Ich wünsche euch viel Glück und viel Gesundheit. Ich wünsche für euch, dass der Krieg aufhört." Sie hat dazu auch gemalt: Die Pakete mit Hilfsgütern schweben an Luftballons hinfort.