
Ein Jahr ist es her, da sorgte ein 37-Jähriger für Schlagzeilen: Nach einer Verurteilung unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung im Bezirkskrankenhaus Lohr untergebracht, hatte sich Eugen S. Mitte Februar während Gartenarbeiten auf dem Klinikgelände abgesetzt. Zwei Wochen später nahm ihn die Polizei in Würzburg wieder fest.
Mitte März gelang dem Gewaltverbrecher dann die erste richtige Flucht aus der gefängnisartig gesicherten Forensik. Mit Hilfe zweier Patienten entfernte er einen Sperrpfosten vor einem Fenster und überwand nach einem Sprung aus dem ersten Stock den mehr als fünf Meter hohen Zaun. Nach acht Tagen wurde er wieder gefasst - erneut im Würzburger Stadtteil Zellerau.
Wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Nachstellung zu 26 Monaten Haft verurteilt, war Eugen S. gut ein halbes Jahr in der Forensik untergebracht. Grundlage war der Paragraf 64 des Unterbringungsgesetzes, was auf Drogen- oder Alkoholabhängigkeit hinweist.
Warum eine Flucht straffrei bleibt
Die Flucht als solche bleibt straffrei. „Selbstbefreiung“ folge dem natürlichen Freiheitstrieb des Menschen, so sehen es die deutschen Gesetze. Anders sieht es bei Fluchthilfe aus. "Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet, dabei fördert oder es auch nur versucht" wird laut Paragraf 120 des Strafgesetzbuches "mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft".

Hatte sich Eugen S. beim ersten "Entweichen" einfach abgesetzt, so wäre seine zweite Flucht ohne die beiden Helfer nicht gelungen. Sie unterstützten ihn wohl dabei, das Fenster aus der Verankerung zu reißen. Und sie kletterten voraus, um den schrägen Aufsatz oben am Zaun herunterzuklappen, damit Eugen S. diesen überwinden konnte. Die beiden Helfer selbst hätten schwerlich folgen können und wurden auf dem Gelände gefasst.
Die Folge: Gefängnis statt Therapie
Bestraft wurde ihre Fluchthilfe nicht, den durch den Sprung aus dem Fenster hatten sie sich ja selbst zu Flüchtenden gemacht. Konsequenzen gab es für sie dennoch: Statt in Therapie in der Forensik zu bleiben, kamen sie zurück in den normalen Strafvollzug, sprich ins Gefängnis. Auch bei Eugen S. wurde der Therapieversuch als gescheitert betrachtet. Die Staatsanwaltschaft ordnete an, ihn in Strafhaft zurückbringen und beantragte, die Restfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen.
Denkbar gewesen wäre noch eine Anklage wegen Gefangenenmeuterei. So benennt der Paragraf 121 einen gemeinsamen, gewaltsam durchgeführten Ausbruch, wofür Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren vorgesehen sind. Doch sah die Staatsanwaltschaft sah offenbar von einem solchen Verfahren ab.
Warum das Verfahren wegen Sachbeschädigung eingestellt wurde
Angeklagt wurden die drei, weil sie das Fenster beschädigt hatten. Dabei hatten sie wohl kein Werkzeug benutzt, sondern über lange Zeit immer wieder an den Gitterstäben eines Fensters im Aufenthaltsraum gerüttelt oder gegen sie getreten. Das entsprechende Verfahren wegen Sachbeschädigung wurde indes "wegen anderweitiger Verurteilungen eingestellt", teilt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen auf Nachfrage mit. Da alle drei noch längere Reststrafen zu verbüßen hatten, wäre dieses Delikt "nicht beträchtlich ins Gewicht" gefallen.
Nun war Eugen S. beide Male in Würzburg untergetaucht. Im ersten Fall hatte ihm ein 17-Jähriger Unterschlupf gewährt, was dem Jugendliche eine Anklage wegen Strafvereitelung einbrachte. Über sie hat das Jugendschöffengericht in nicht-öffentlicher Sitzung noch zu entscheiden.
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Wegen Strafvereitelung müssen sich womöglich auch eine 39-Jährige und eine 27-Jährige verantworten, die Eugen S. nach dem Ausbruch aufgenommen hatten, bestätigt Raufeisen. Über die Verfahren habe das Gericht noch nicht entschieden.
Nur marginale Veränderungen in der Forensik
Baulich gab es nach der erfolgreichen Flucht nur marginale Änderungen: Über dem Eck der Toranlage, an dem Eugen S. der Überstieg gelang, wurde sofort Stacheldraht angebracht. Später wurden noch Plastikplatten installiert, die den Griff durch die Gitterstäbe verhindern. Andere Ecken der Forsensik-Umzäunung waren schon länger auf diese Weise gesichert gewesen.


Außerdem hat der Bezirk alle Fenster des Gebäudes überprüfen und einige Gitterstäbe provisorisch verstärken lassen. Sie durch neuere, ausbruchssicherere zu ersetzen, wurde offenbar nicht als notwendig erachtet.
Organisatorisch sah die Klinikleitung keinen Grund zum Handeln: "Sowohl die Abläufe, als auch das Verhalten der Mitarbeiter in der Fluchtsituation waren tadellos und funktionierten – unter den gegebenen Umständen", teilt Direktor Dominikus Bönsch auf Anfrage mit. Deshalb seien auch personell keine Konsequenzen erforderlich gewesen.