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Lohr
Lohrer Bezirkskrankenhaus soll ambulanter und digitaler werden: Der neue und der scheidende Klinikdirektor erzählen
Der scheidende und der neue Klinikdirektor vor dem Bezirkskrankenhaus Lohr (von links): Bernd Ruß und Erwin Göbel.
Foto: Monika Büdel | Der scheidende und der neue Klinikdirektor vor dem Bezirkskrankenhaus Lohr (von links): Bernd Ruß und Erwin Göbel.
Bearbeitet von Monika Büdel
 |  aktualisiert: 27.02.2025 02:39 Uhr

Der eine ist schon da, der andere noch da: In wenigen Tagen übernimmt Erwin Göbel (57) nach zweimonatiger Übergangs- und Einarbeitungszeit die Leitung des Bezirkskrankenhauses (BKH) Lohr. Er kommt vom Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt und ist Nachfolger von Klinikdirektor Bernd Ruß (63), der sich zum 1. März Richtung Ruhestand verabschiedet. Die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin ist zuständig für Patientinnen und Patienten im westlichen Unterfranken mit rund 750.000 Einwohnern.

Zum BKH Lohr gehören stationäre, teilstationäre und ambulante Bereiche mit Außenstellen in Aschaffenburg, Alzenau und Miltenberg. Über 20.000 Menschen werden pro Jahr dort von 1450 Mitarbeitenden auf 950 Vollzeitstellen behandelt. Träger ist der Bezirk. Wie blicken der scheidende und der neue Klinikdirektor auf diesen medizinischen Versorger und seine Entwicklung?

Herr Göbel, welche Schwerpunkte werden Ihre Arbeit als neuer Klinikdirektor bestimmen?

Erwin Göbel: Zunächst ist es mir wichtig, das Geschaffene zu bewahren. In der weiteren Entwicklung werden drei Punkte wichtig sein: 1. Die weitere Ambulantisierung durch die Psychiatrischen Institutsambulanzen und den weiteren nachstationären Bereich. 2. Die Digitalisierung: Hier ist vieles im Umbruch, vieles wird sich stark verändern. Die digitale Patientenakte ist in der Umsetzung. Die Medikation wird künftig digital angelegt sein. Wichtig ist, dass wir ein einheitliches, zentrales Cloud-System haben mit einheitlichen Prozessen. Es geht um die Mobilität für die Mitarbeiter vor Ort mit Tablet statt dem Gang ins Stationszimmer. Der 3. Punkt ist die Spezialisierung in der medizinischen Behandlung, beispielsweise hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten. Eine weitere Herausforderung werden die gesetzlichen Vorgaben sein, das, was Behörden, Regierung und auch das Amt für Maßregelvollzug für die Forensik vorsehen. Das müssen wir korrekt umsetzen.

Bernd Ruß: Es gibt Vorgaben zur Einzelzimmerquote, zum Brandschutz, zur Hygiene, zum Abrechnungssystem... So haben wir für Millionen von Euro die Wasser- und Abwasserleitungen austauschen müssen, weil sie nicht mehr den Hygienevorschriften entsprochen haben. Bei der großen Zahl an alten Gebäuden ist vieles nicht immer leicht umzusetzen.

Herr Ruß, was waren die Meilensteine in den zwölf Jahren, in denen Sie als Klinikdirektor verantwortlich waren?

Ruß: Da sind vor allem die vielen Baumaßnahmen – unter anderem der 50-Betten-Neubau in Aschaffenburg, der aktuelle Neubau der Gerontopsychiatrie mit seinen 100 Betten – beide unter meiner Federführung. Dann der Neubau des Klinikums Main-Spessart auf unserem Gelände: Da waren einige Geröllsteine zu beseitigen. Dazu kommt die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung mit den Ambulanzen, der Präventionsstelle hier in der Stadt, der Leitstelle Krisendienste. Ich kann sagen: Es hat sich etwas bewegt. Es sind Projekte, die in die Zukunft weisen. Dazu kommen die Umsetzung des Krankenhauszukunftsgesetzes und die Begleitung durch die Corona-Pandemie, die Umstellung des Abrechnungssystems und des Personalwesens. Das sind Dinge, über die ich jetzt im Stillen nachdenke, jetzt wo ein neuer Lebensabschnitt kommt. Ich frage mich: Hat es einen Wert gehabt?

Wie lautet Ihre Antwort?

Ruß: Die Entscheidung, die Stelle zu übernehmen, war für mich vor zwölf Jahren nicht einfach, weil ich vorher viele Jahre Abteilungsleiter war, dann stellvertretender Betriebsleiter, als Capio hier die Geschäftsleitung hatte, also eine Fremdfirma. Schon damals musste ich die Entscheidungen treffen. Da habe ich gelernt, wie es ist, wenn man vornedran steht. Ich habe mich gefragt, kann ich das? Und habe mich entschieden, ja ich kann das. Es hat sich dann so entwickelt, dass es mir Spaß gemacht hat. Klar gab es Tage, die mal nicht so waren, aber ich bin immer gerne zur Arbeit gefahren – auch wieder gern nach Hause – aber ich wollte die Probleme angehen und das Bezirkskrankenhaus gut im Fahrwasser halten. Wir hatten in den zwölf Jahren kein Jahr mit negativem Betriebsergebnis – und das in der heutigen Zeit.

Wie hoch ist Ihr Budget?

Ruß: Rund 100 Millionen Euro im Jahr 2024 und 2025. Als ich hier angefangen habe als Direktor waren es 50 Millionen. Es kamen dann die Ambulanzen dazu, der Standort Miltenberg. Mit den Erweiterungen kam Personal dazu. Das macht sich bemerkbar. Das Personal ist unser größter Bereich.

Wie finanziert sich das Bezirkskrankenhaus?

Ruß: Fast ausschließlich aus den Behandlungserstattungen der Krankenkassen. Sie müssen jedes Jahr neu verhandelt werden. Die Einnahmen hängen auch von der Belegsituation ab. Es sind immer öffentliche Kostenträger, auch die Sozialhilfe für die Heime. Die Forensik wird über den Freistaat finanziert. Für Investitionen, wie den Neubau der Gerontopsychiatrie gibt es 70 Prozent Förderung vom Freistaat. Erst bei einem negativen Ergebnis müsste der Träger, also der Bezirk, einspringen.

Es wird oft beklagt, dass im öffentlichen Dienst die Entscheidungs- und Bearbeitungswege lang sind. Der Ärztliche Direktor Dominikus Bönsch hat sich bei der Abschiedstour 2023 des damaligen Bezirkstagspräsidenten Erwin Dotzel gewünscht, diese Wege beim Bezirk mögen kürzer werden. Was hat sich getan?

Ruß: Wir haben schon bei den Entscheidungsprozessen einen Fuß in der Tür. Die Zusammenarbeit ist sehr gut. Wir haben es geschafft – seit diesem Gespräch – mehr Entscheidungswege nach Lohr zu bringen.

Göbel: Der Ordnungsrahmen ist Garant für Stabilität. Das hat den Vorteil gegenüber Schnellschüssen. Man muss abwägen, ob es besser ist, schnell zu sein oder einen stabilen Unterbau zu haben, beispielsweise bei Bauvorhaben.

Wie ist die Personalsituation?

Ruß: In den medizinischen Bereichen sind wir sehr gut aufgestellt, also im ärztlichen und psychologischen Bereich sowie im Sozialdienst. In den Therapien wie der Ergotherapie ist es etwas schwierig. In diesem Bereich gibt es wenig ausgebildeten Nachwuchs und dieser wird überall gesucht. Wir arbeiten am Menschen. Das erfordert eine gute Ausbildung. In der Verwaltung ist die Situation gut: Man sucht, man findet. Im Pflegebereich ist es etwas rückläufig.

Göbel: Unser Vorteil ist, dass wir uns selbst um unseren Nachwuchs kümmern können mit unserer Berufsfachschule. Wir bilden junge Menschen zielgerichtet für unser Haus aus und halten unsere Qualitätsstandards aufrecht. Was uns Sorgen bereitet, ist die Demografie: Die nächsten sechs, sieben Jahre gehen viele in den Ruhestand, darunter Mitarbeiter in exponierten Funktionen. Wir versuchen gegenzusteuern – auch mit ausländischen Fachkräften. Wie Herr Ruß schon sagte: Wir arbeiten am Menschen. Wir brauchen multiprofessionelle Teams.

Thema Gelände: Es ist schon angeklungen, dass das große Areal mit den vielen, teils alten Gebäuden unter Denkmalschutz, eine Herausforderung ist. Einige Häuser stehen leer. Wie soll die weitere Entwicklung aussehen?

Ruß: Es sind nicht einige Häuser, die leer stehen. Haus 1 steht leer. Dafür werden jetzt Überlegungen zum weiteren Vorgehen angestellt. Dann ist nur noch ein Teil von Haus 14 offen, das für andere Dinge genutzt wird, und ein Haus, das derzeit renoviert wird.

Aber es besteht Renovierungsbedarf an etlichen Häusern...

Ruß: Wir haben das Problem der Energiesystematik. Die Häuser wurden 1912 gebaut. Dämmung, Fenster... Wir müssen das Stück für Stück über den Haushalt angehen.

Göbel: Wir sind dankbar, dass es gewisse Pufferflächen gibt, wenn wir bei Baumaßnahmen Ausweichmöglichkeiten brauchen.

Ruß: Wir haben für das Gelände einen Generalausbauplan, der damit begonnen wurde, dass der 100-Betten-Neubau für die Gerontopsychiatrie erstellt wird. Darauf folgend soll Haus 19, ähnlich wie bereits Haus 18, renoviert werden. Danach ist vorgesehen, Haus 40 anzupassen, ebenso Haus 3. Wenn die Gerontopsychiatrie in den Neubau umzieht, gibt es schon Pläne für die freiwerdenden Häuser 9 und 6. Wir brauchen noch Büros und Wohnungen. Das Schwesternwohnheim ist immer relativ voll. Haus 35 ist zur Hälfte umgebaut worden für Wohngruppen, für Auszubildende und Bedienstete. Wir planen auch einen Wohnraumbau, um Wohnungen, eventuell auch größere, zur Verfügung stellen zu können.

Was tut sich an Synergieeffekten durch den Neubau des Kreiskrankenhauses Main-Spessart in unmittelbarer Nachbarschaft?

Ruß: Wir sind in Gesprächen mit Herrn Bostelaar vom Klinikum Main-Spessart. Wir haben alle Möglichkeiten abgeklopft. Die Synergien werden sich im Lauf der Zeit ergeben. Wir sind eingeladen, an einer Arbeitsgruppe teilzunehmen. Der größte Vorteil werden die kürzeren Wege sein. Davon werden die Patienten profitieren.

Wie ist der Stand bezüglich der Erweiterung der Forensik?

Ruß: Da sind wir derzeit mitten in den Gesprächen mit dem Amt für Maßregelvollzug. Derzeit wird der Haushalt für die Jahre 2026 und 2027 aufgestellt. Wir haben unseren Plan eingereicht.

Göbel: Man schaut sich die aktuellen Entwicklungen an. Das sind vor allem die Belegungszahlen und die Prüfung, was sich gesetzlich geändert hat.

Wie sieht es derzeit mit der Belegung in der Forensik aus?

Ruß: Die Planbettenzahl ist 136.

In der Realität liegt sie bei um die 180, hieß es voriges Jahr bei einer Tagung unter dem Motto "Forensik am Limit".

Ruß: Da ist die Grenze erreicht. Wir dürfen nicht mehr als eine bestimmte Personenzahl in einen Raum legen. Je mehr Menschen auf engem Raum, desto höher das Aggressionspotenzial.

Erwin Göbel

Erwin Göbel studierte nach einer Kaufmannslehre seinen Angaben zufolge Betriebswirtschaftslehre. Weitere Stationen waren unter anderem beim Roten Kreuz als Kreisgeschäftsführer, bei den Kreuzschwestern in Gemünden als kaufmännischer Leiter und zuletzt am Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt als Geschäftsleiter. Göbel lebt im Raum Arnstein.
(mb)
 
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