Sobald die Trommel erklingt, stoßen zehn Paddel gleichzeitig ins Wasser. Die Männer und Frauen in den langen, schmalen Booten mit dem Drachenkopf beugen sich nach vorne, um Kraft zu holen. Die Arme sind durchgestreckt. Gleichmäßig ziehen sie die Paddel durch das Wasser und gleiten auf dem Main. So zumindest die Theorie.
Seit Ende Juni können die Mannschaften, die sich für das Drachenbootrennen in Marktheidenfeld am 15. Juli angemeldet haben, für den Wettbewerb trainieren. Eine halbe Stunde haben sie Zeit, ihren Rhythmus zu finden. Für die meisten der bunt zusammengewürfelten Gruppen, die sich Namen wie Badehaubentaucher, Meedrachen oder Meenixli, ausgesucht haben, ist das eine Herausforderung.
Arbeitskollegen von Hilite sitzen im sprichwörtlich gemeinsamen Boot
Die meisten von ihnen sitzen zwar im sprichwörtlich gemeinsamen Boot, etwa weil sie Arbeitskollegen sind oder in der selben Sportmannschaft trainieren, doch zusammen gepaddelt sind sie noch nie. "Das wichtigste ist, dass ihr synchron zu eurem Vordermann einstecht", erklärt Gerhard Blum von der Rudergemeinschaft Marktheidenfeld (RGM) den "Hilite Marlins". Die Mitarbeitenden des Automobil-Zulieferers mit Sitz in Altfeld haben sich nach einem Schwertfisch benannt.
Nach den Trockenübungen an Land besteigen die 13 Männer und Frauen das Boot. Die Reihen werden von vorne nach hinten besetzt. Auf den Rand sollte man besser nicht treten, rät Blum, sonst könnte das Boot kippen. Es ist eng. Viel Platz für ihre Beine und zum Ausholen beim Paddeln haben die Männer und Frauen nicht.
Christopher Böhm hilft ihnen. Er hält das Boot fest, damit es nicht vom Steg wegtreibt. An diesem Abend schaut er sich an, wie seine Kollegen der RGM das Paddeln erklären und als Steuermänner die Mannschaften auf dem Wasser beraten. Auch er wird Steuermann beim Wettbewerb sein. Ruderer Blum steigt zu den "Hilite Marlins" ins Boot. Das Steuern müssten erfahrene Ruderer übernehmen, erklärt Jochen Strnischa, Pressewart des Vereins: "Wenn das Boot einmal aus dem Ruder läuft, hält es niemand mehr auf."
Beste Verkleidung eines Teams wird prämiert
Bis Anfang Juli haben sich fast 50 Mannschafen mit je acht bis zehn Paddlern und einem Trommler zum Drachenbootrennen angemeldet. Am 15. Juli ab 11 Uhr finden die Rennen auf einer Strecke von 250 Metern auf Höhe des Mainkais zwischen der alten Mainbrücke und dem Schiffermast statt. Geplant ist, dass jedes Team in zwei Zeitläufen startet. Je nachdem wie es abschneidet, werden die Finalläufe zusammengestellt.
Neben den schnellsten Mannschaften wird auch die beste Verkleidung prämiert. So war es auch bei den Marktheidenfelder Drachenbootrennen in der Vergangenheit üblich. Im Jahr 2000 war die RGM Ausrichter der Wasserspiele der bayerischen Ruderjugend. Um den Kindern etwas Besonderes zu bieten, sei man auf die Idee gekommen, die Kleinen in einem Drachenboot paddeln zu lassen, erklärt Strnischa.
Im Jahr 2000 war das erste spontane Drachenbootrennen in Marktheidenfeld
Zusätzlich gab es ein spontanes Drachenbootrennen auf dem Main im Bereich des Bootshauses. Sechs Mannschaften, unter anderem Ministranten, Feuerwehrler und Basketballer, traten dabei gegeneinander an. Thomas Stamm, der damalige Vorsitzende der RGM und heutige Bürgermeister von Marktheidenfeld, versprach, dass das Drachenbootrennen im kommenden Jahr wiederholt werden sollte.
Stamm hielt Wort und bis 2012 gab es jährlich ein Rennen am Mainkai, bei dem zu Hochzeiten 90 Teams mit rund 1700 Teilnehmenden an den Start gingen. In den Folgejahren ging die Anmeldungen zurück. Im Jahr 2013 waren es zu wenige und das Drachenbootrennen wurde abgesagt. Nach zehn Jahren ohne Drachenbootrennen in Marktheidenfeld kam aus dem Stadtrat die Idee, ein Drachenbootrennen zum Stadtfest abzuhalten. Veranstalter ist die Stadt Marktheidenfeld, die RGM ist für die Vorbereitung und Organisation der Rennen zuständig.
Noch keine Wettbewerbsstimmung beim Training
Derweil ist beim Training noch keine Wettbewerbsstimmung zu spüren. Die Mannschaften trainieren nacheinander im vereinseigenen Boot. Der bunt bemalte Kopf und der gezackte Schwanz, die es zum Drachenboot machen, sind an diesem Abend nicht montiert. Es bietet Platz für insgesamt 18 Paddlerinnen und Paddler. Für das Rennen wird die RGM sechs kleinere Boote bei einem Eventservice in Wuppertal abholen und zu Wasser lassen.
Als nächstes stehen die "Okaluxe" (Isolierglashersteller Okalux, Altfeld) bereit. Von der Betriebsleitung über Mitarbeitende der Logistik bis hin zur Verwaltung sind nahezu alle Abteilungen in der Paddelmannschaft vertreten. Nur die Auszubildenden hätten sich "gedrückt", scherzen sie.
Steuermann lobt Polizei nach dem Training
Auch die "Blue Vikings" absolvieren ihr Training an diesem Abend. Hinter dem Mannschaftsnamen verbergen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizeiinspektion Marktheidenfeld. Stephan Baumgärtner, stellvertretender Dienststellenleiter, verrät, dass sein Team am 15. Juli – gemäß dem Mannschaftsnamen – mit Wikingerhelmen und blauen T-Shirts antreten wird.
Steuermann Marc Betz ist mit der Truppe von der Polizei zufrieden. "Die haben das richtig gut gemacht." Der Wassersport ist für das Team nichts Neues, es war schon auf der Saale Kanu fahren. "Das endete aber in den Versuchen, sich gegenseitig zu versenken", so Baumgärtner. "Für uns wird es eine Herausforderung, dass wir die Kräfte zurücknehmen und uns stattdessen auf den Gleichklang des Rhythmus einlassen", so sein erstes Resümee nach dem Training. "Es könnte im Wettbewerb passieren, dass wir taktische Vorgaben über Bord werfen, um schneller zu sein." Ob das dann auch der Weg zum Sieg ist, bleibt abzuwarten.