Sport machen, am liebsten Fußball spielen und Fahrrad fahren, darauf freut sich Oumar Doukouret am meisten. Nach den Osterferien geht es für den Zehnjährigen in die Grundschule. Die Zeit in der Erwin-Ammann-Halle ist ihm lang geworden, weiß Mutter Aisha. Sie sind von der Elfenbeinküste ins Ankerzentrum in Geldersheim gekommen und seit Dezember in Karlstadt. Obwohl die Familie noch in der Notunterkunft lebt, darf Oumar nun zur Schule gehen. Möglich wurde das durch die Ehrenamtlichen des Helferkreises und die Unterstützung der Behörden.
"Der Helferkreis hat sich darum bemüht", weiß Schulrat Manfred Glock vom Schulamt in Main-Spessart. In Zusammenarbeit mit der Regierung von Unterfranken und dem Landratsamt sei ein Angebot geschaffen worden, das nicht selbstverständlich sei. Normalerweise würden die Kinder erst zur Schule gehen, wenn sie in dezentralen Unterkünften leben.
Im Regelfall sollen Kinder erst nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland beschult werden, erklärt Glock, weil sie erst einmal ankommen sollen. Doch die Geflüchteten in der Erwin-Ammann-Halle seien teils schon in anderen Unterkünften untergebracht gewesen: "Für manche ist es nicht das erste Ankommen in Deutschland", so Glock. Daher habe sich der Helferkreis dafür eingesetzt, dass die Kinder zur Schule gehen könnten.
Eine gute Gelegenheit, etwas von Deutschland mitzubekommen
So geht es auch Familie Nazari aus Afghanistan: Zunächst kamen Golmohammad Nazari mit seiner Frau Samargol Sharifi sowie den drei Söhnen Binyamin, Bezaahd und Ali im Ankerzentrum Geldersheim an, mittlerweile leben sie schon seit zwei Monaten in der Karlstadter Notunterkunft. Zwei der drei Kinder kommen nun in die Grundschule, der dritte Sohn ist noch zu jung. Es sei dringend nötig gewesen, dass die Kinder zur Schule gehen, findet Vater Golmohammad. Dass seine Söhne Deutsch lernen und dass sie Kontakt zu anderen Kindern außerhalb der Halle zu haben, ist ihm besonders wichtig – außerdem seien sie viel zu oft am Handy.
Sakine Azodanlou, Integrationsbeauftragte der Stadt und Leiterin des Helferkreises, sieht die Einschulung als eine gute Gelegenheit, etwas von Deutschland mitzubekommen: "Wie reden deutsche Kinder, was essen sie, wie spielen sie?" – all das könnten die Kinder aus der Notunterkunft nun erfahren. Um die zehn Kinder hätten bereits an einem vom Helferkreis organisierten Deutschkurs teilgenommen.
Aisha, die Mutter von Oumar, begegnet der Einschulung mit gemischten Gefühlen. Was, wenn der Auszug aus der Notunterkunft einen Schulwechsel nötig macht? Ein richtiges Ankommen sei das noch nicht. Die Situation in der Halle sei stressig und wirke sich auf Aishas Gesundheit aus, bestätigt auch ihr Freund.
Eine neue Deutschklasse an der Mittelschule Karlstadt
Das Landratsamt beschreibt auf Anfrage der Redaktion, dass es grundsätzlich sinnvoll war, die Kinder erst einzuschulen, wenn sie in einer Wohnung angekommen sind. Das führe zu einer besseren Integration und zum Kennenlernen des neuen Umfelds. Doch die in der Erwin-Ammann-Halle untergebrachten Eltern hätten den Wunsch geäußert, die Kinder zeitnah zu beschulen.
Alle Beteiligten hätten es als sinnvoll erachtet, diesem Wunsch nachzukommen. Denn aufgrund der Wohnungsknappheit sei der Auszug aus der Halle nicht für alle Familien zeitnah möglich. Auch die Kinder einer Familie aus der Notunterkunft in Marktheidenfeld könnten nun eingeschult werden.
Voraussichtlich 13 Schülerinnen und Schüler werden bald die Mittelschule in Karlstadt besuchen, 11 Kinder die Grundschule Wiesenfeld-Karlburg. An der Mittelschule wird es eine zusätzliche Deutschklasse geben, für die eine neue Lehrkraft eingestellt werden konnte. An der Grundschule soll es ein zusätzliches Unterstützungsangebot geben. Das im laufenden Schuljahr zu leisten, sei eine Anstrengung für alle Beteiligten, weiß Schulrat Glock – aber eine "absolut wertvolle Geschichte".
Viel Unterstützung für den Helferkreis
Und in der Erwin-Ammann-Halle scheint es kurz vor dem Ende der Osterferien nur so zu wuseln vor Kindern, als Ehrenamtliche des Helferkreises eine Büchertaschenspende verteilen. Schnell schnappt jeder seinen Ranzen und nach einem kurzen Gruppenfoto auf der Tribüne wird schon der Inhalt neugierig analysiert. Ebenso schnell sind die Kinder mit ihrer neuen Errungenschaft in den Winkeln der Halle verschwunden.
"Wir bekommen so viel Unterstützung von allen Seiten, das beflügelt uns", sagt Azodanlou. Das Ledergeschäft Kraft spendete mehrere Büchertaschen, das Architekturbüro Drüing Brotzeitboxen und Trinkflaschen, dazu erreichten viele private Spenden den Helferkreis.
Nun sind die Eltern dran: Auf verschiedenen Sprachen gehen die Ehrenamtlichen die Schulanmeldungen durch, klären Fragen vom Schulweg bis zur Brotzeit – viele Selbstverständlichkeiten, die in einem anderen Land erst einmal erfragt werden müssen.
Einige Jugendliche und junge Erwachsene, die zu alt für eine Einschulung in der Mittelschule sind, wollen nun auch am liebsten zur Schule gehen, hört Azodanlou aus dem Hintergrund. Vielleicht gibt es Möglichkeiten in der Berufsschule – sie wird sich umhören.
Der Helferkreis sammelt derzeit vor allem Fahrräder, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Wer ein Fahrrad abzugeben hat, kann sich an Christian Volkmann unter Tel.: (09353) 7862 oder 0171 1444392 wenden. Außerdem sind weiterhin Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Arztbesuche gefragt, in den Sprachen Türkisch und Französisch.