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Marktheidenfeld
Kaffeemaschine, Wecker, Rasierapparat: Das ganze Haus voller Produkte Marke Braun
Mit einem Rasierer fing es an, am Ende hatte Norbert Nolte über 500 Gebrauchsprodukte der berühmten Marke in seiner Sammlung. In Marktheidenfeld sind die schönsten zu sehen.
Geräte von Braun sind Alltagsgegenstände - und Design-Ikonen. In Marktheidenfeld gibt's dazu eine besondere Ausstellung.
Foto: Thomas Obermeier | Geräte von Braun sind Alltagsgegenstände - und Design-Ikonen. In Marktheidenfeld gibt's dazu eine besondere Ausstellung.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:11 Uhr

Das Lieblingsstück steht gleich am Eingang, in fünffacher Ausführung. Orange, gelb und weiß. In rot. Und ja: olivgrün. Die KF20 ist die Maschine für den perfekt gebrühten Kaffee. Weil sie das Wasser geschickt durch zwei Metallrohre von oben nach unten und wieder nach oben leitet, dabei erhitzt und dann ausgewogen im Filter verteilt. Und weil sie dabei sogar gut aussieht, vorne wie hinten, rundherum.

"Einfach nur schön!" finden Uta und Jörg Nolte die KF20. "In der Ästhetik bahnbrechend schick!" Und so haben die beiden Geschwister die Kaffeemaschine aus dem Jahr 1972 zum prominentesten Stück ihrer Ausstellung erkoren. "Gewissermaßen ein Sinnbild für das Design der Marke Braun", sagt Jörg Nolte über den Aromamaster mit dem Wassertank obenauf. Dieter Rams, der berühmte Braun-Designer, hatte das Küchengerät damals entworfen. Täglich im Einsatz, gilt es als Musterbeispiel für zeitloses Produktdesign – und für hochwertige Fertigung. So eine Kaffeemaschine brühte und lief und lief und lief . . . über Jahre.

Die Kaffeemaschine KF 20 gibt es in sechs verschiedenen Farben, fünf davon sind in der Ausstellung in Marktheidenfeld zu sehen. Die Kaffeemaschine wurde ab 1972 produziert.
Foto: Thomas Obermeier | Die Kaffeemaschine KF 20 gibt es in sechs verschiedenen Farben, fünf davon sind in der Ausstellung in Marktheidenfeld zu sehen. Die Kaffeemaschine wurde ab 1972 produziert.

Als Norbert Nolte vor acht Jahren starb, hinterließ er seinen Kindern fast zwei Dutzend der schönen Kaffeemaschinen. Und dazu 500 oder noch mehr weitere Geräte der Marke Braun. Küchenhelfer und Hi-Fi-Geräte, Gebrauchsgegenstände fürs Wohnzimmer, fürs Schlafzimmer, fürs Bad. Rasierapparate und elektrische Zahnbürsten, Küchenmixer und Radiowecker. Stereoanlagen und Trockenhauben. Toaster, Föhns und Unterhaltungselektronik. Ein ganzer Elternhauskeller voller funktionstüchtiger roter, grüner, gelber Gerätschaften, eine einzigartige Sammlung. Weil: alles von Braun.

Fotoserie

Und jetzt sind rund 200 dieser Objekte im Franck-Haus in Marktheidenfeld zu sehen. Weil die Marke in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert. Weil Braun hier, im Landkreis Main-Spessart, seit genau 60 Jahren einen Produktionsstandort hat. Und weil die Stadt schon seit einiger Zeit immer wieder bei Uta und Jörg Nolte anfragte, ob sie nicht wieder eine Ausstellung mit der Sammlung ihres Vaters machen könnten und wollten.

Ab 1961 Produktionswerk in Marktheidenfeld

Norbert Nolte, Jahrgang 1932, war in Kassel aufgewachsen und hatte dort seine Lehre zum Radio- und Fernsehmechaniker gemacht. Und weil er aus einer Familie mit hoher Affinität für Gestaltung und Sinn für Ästhetik stammte, erzählt Uta Nolte, hatte er früh die Marke Braun im Blick. Und wollte unbedingt bei dieser Firma arbeiten. In Kassel leitete Norbert Nolte bald das "Verkaufs- und Service-Büro" von Braun. "Showroom würde man heute sagen", erzählt seine Tochter beim Rundgang durch die Ausstellung. Hi-Fi-Vorführungen gab es da. Und Demonstrationen der neuesten Küchengeräte.

Als das Büro in Kassel Ende der 60er Jahre aufgelöst wurde, wechselte Norbert Nolte nach Unterfranken, nach Marktheidenfeld. 1961 war hier das größte Produktionswerk für Haushaltsgeräte der Marke Braun in Betrieb gegangen. 40 Jahre, nachdem das Unternehmen als kleine Ingenieurwerkstatt in Frankfurt seine Anfänge genommen hatte. Ein Treibriemenverbinder und Komponenten für die Radioherstellung waren das Erste, was Gründer Max Braun produzierte. 1949 ließ die Firma das Schergerät mit Rasierschnitt patentieren – eine wegweisende Innovation. Radios, Haushaltsgeräte und Rasierer gab es fortan von Braun. Und als Max Brauns Söhne nach dessen Tod 1951 die Verantwortung übernahmen, legten sie – zum Absetzen von der Konkurrenz – immer stärker den Schwerpunkt auf Design.

Elektroschrott und Design-Ikonen: Auf jeden Fall innovativ, haltbar – und ästhetisch

Als Standort für ein neues Braun-Werk wurde Marktheidenfeld gewählt. 1961 begann – mit sechs Mitarbeitern – die Produktion. Bald kamen Kaffeemaschinen und Multimixer vom Main, ab 1963 elektrische Zahnbürsten namens "Mayadent", die Zahl der Beschäftigen stieg rasch. Und ab 1967 – dem Jahr, in dem die Braun-Brüder ihre Firma an Gillette verkauften – war Nolte hier im Einkauf tätig. Nebenbei, erzählt Uta Nolte, war er seinem gelernten Beruf als Radio- und Fernsehmechaniker treu, richtete sich zu Hause eine Werkstatt ein, meldete ein Kleingewerbe an. Und reparierte Braun-Geräte.

Weil er die gute Gestaltung der Produkte so schätzte, erwarb Nolte einen S50 Rasierer aus dem Jahr 1950. Der Beginn seiner privaten Sammlung. Und die Sammlung wuchs. Plattenspieler, Uhren, weitere Kaffeemaschinen. Leute kamen und brachten alte Gerätschaften, die eigentlich noch ihren Dienst taten. 1998 stellte der Braun-Mann einen Teil seines Schatzes im Franck-Haus aus.

Design-Ikonen oder doch nur altes Elektrogerät? Uta Nolte betreut die Braun-Collection, die ihr Vater Norbert Nolte gesammelt hat.
Foto: Thomas Obermeier | Design-Ikonen oder doch nur altes Elektrogerät? Uta Nolte betreut die Braun-Collection, die ihr Vater Norbert Nolte gesammelt hat.

"Wir waren gezwungen, die Kisten auszupacken und anzufangen zu sortieren", sagt Uta Nolte, selbst Grafikdesignerin, über diesen Schatz und die aktuelle Ausstellung zum Jubiläumsjahr. Die historischen Braun-Produkte – das seien Design-Ikonen, Kult-Objekte, die in den großen Museen in New York, London, Tokio präsentiert werden. Die Design-Thesen von KF20-Gestalter Dieter Rams seien unter Produktdesignern heute der Maßstab. Innovativ soll Design sein, aber auch ästhetisch. Langlebig und umweltfreundlich und haltbar.

Der AB21s - ein Klassiker unter den Weckern.
Foto: Thomas Obermeier | Der AB21s - ein Klassiker unter den Weckern.

"Und dann ist es halt doch nur eine Kaffeemühle", sagt die 47-Jährige mit liebevoller Distanz zu den Ikonen. "Im Grunde haben wir hier halt Elektroschrott rumstehen."

Aber was für einen: Im Erdgeschoss des Franck-Hauses stehen die alten schicken Hi-Fi-Anlagen, Fernseher und andere Wohnzimmergeräte. In der Etage darüber reihen sich die Küchengeräte, oben stehen die Wecker und Geräte fürs Badezimmer. Seit 2005 gehört "Braun" zum US-Konzern Procter & Gamble. Am Standort Marktheidenfeld haben heute über 1500 Menschen einen Arbeitsplatz. Mehr als 100 000 elektrische Zahnbürsten und über eine Million Aufsteckbürsten verlassen pro Tag das Werk.

Radios, Wecker und Mixer

Wie es mit den funktionstüchtigen Dampfgarern, Radios, Weckern und Mixern von Norbert Nolte weitergeht, wenn Mitte September die Ausstellung schließt? Grafikdesignerin Uta Nolte und Elektrotechniker Jörg Nolte wissen es noch nicht. Einfach nur wieder in Kisten packen und in den Keller des geerbten Elternhauses zu stellen – zu schade. Die olivgrüne KF20, die bei der Wahl der Lieblingsfarbe unter Kunden einst am besten abgeschnitten hatte, verkaufte sich dann übrigens doch nicht so gut, erzählt Jörg Nolte. Bei der Umfrage war sie vor einer hellen Ahornwand präsentiert worden. In der eigenen Küche mochten die Hausfrauen und Hausmänner die roten und weißen Kaffeemaschinen dann doch lieber.

Die Ausstellung "Mein Leben mit Braun – Das Beste aus 40 Jahren Sammlung" ist noch bis zum 12. September im Franck-Haus in Marktheidenfeld zu sehen. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 14 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei!

Infos zu Führungen gibt es unter www.stadt-marktheidenfeld.de und www.brauncollection.de

 
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Kommentare
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  • H. R.
    Herrlich dieser Artikel und die Bilder!
    Als Schüler und Student habe ich oft in der Thermoplastik von Braun gejobbt und sehe auf den Bildern viele der damaligen Produkte wieder, die durch meine Hände gegangen sind - am häufigsten der HLD5 in orange.
    Ich bin immer noch begeistert von der Qualität und dem Design der Produkte und greife beim Ersatz von Geräten immer wieder gerne zu Braun, speziell bei den Rasierapparaten. So habe ich noch heute meinen Sixtant 8008, den mir damals mein Vater 'vom Lermann' mitgebracht hatte.
    Grüße vom Ammersee in die Ausstellung!
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