Einmal Handballer, immer Handballer! "So war das zumindest früher", sagt Ernst Weber. Der 77-jährige Lohrer ist einer von früher. Einer von denen, der in Aktivenzeiten bis zu fünfmal in der Woche in der Halle war, bis zu vier Mannschaften trainierte, als er selbst noch spielte. Einer von denen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, einen gewissen Josef Karrer nach Lohr zu locken – den ersten auswärtigen Spieler überhaupt, so Weber.
Karrer kam aus der früheren Handball-Hochburg Großwallstadt, war 1972 Torschützenkönig in der Bundesliga gewesen und 39-facher Nationalspieler. Zum Gewinn des Weltmeistertitels der bundesdeutschen Feldhandball-Mannschaft 1966 hatte er zwei Dutzend Tore beigesteuert. Am Wochenende 16./17. März kommt Karrer wieder einmal nach Lohr. Anlässlich seines 80. Geburtstags hat Weber zu einem Nostalgie-Treffen eingeladen.
Den Aufschwung mit Karrer fortgesetzt
Denn mit Karrer als Spielertrainer legten die aufwärts strebenden Lohrer Handballer ab 1973 noch eine Schippe drauf: Das TSV-Team wurde Meister in der Bezirksklasse, stieg auf in die Landes- und schließlich in die Oberliga. Weber war damals Mannschaftskapitän. Zusammen mit seiner Frau Ingrid pflegt er bis heute nicht nur eine nahezu familiäre Beziehung zu Josef und Maria Karrer in Großwallstadt.
Weber ist es auch, der die Truppe von damals zusammenhält. 17 Männer präsentieren sich auf dem Meisterfoto von 1974, 19 sind es ein Jahr später. Drei von ihnen sind bereits gestorben, zählt Weber durch. Doch von den noch Lebenden werden wohl fast alle kommen, meint er. Weiter als Karrer, der gut 50 Kilometer aus dem Handball-Dorf Großwallstadt nach Lohr fährt, hat es eh keiner, erzählt er. Die meisten seien im Großraum Lohr geblieben. Viele von ihnen waren auch da, als sich die Meistermannschaft aus den 1970ern vor fünf Jahren beim ersten Nostalgie-Treffen auf der Franziskushöheversammelte.
Wenn alles läuft, will man höher hinaus
Organisiert hatte dieses auch damals schon Ernst Weber. Er war Karrers Vorgänger gewesen. Ab 1970 hatte er die 1. Mannschaft als Spielertrainer von der B-Klasse bis in die Bezirksklasse geführt. "Um den Lohrer Nachwuchs war es gut bestellt", erzählt Weber. Willi Volkening, langjähriger Spieler- und Jugendtrainer, habe damals gute Arbeit geleistet. Daher seien "Überlegungen angestellt" worden, "wie das Niveau weiter gehoben und verbessert werden" könne.
Den Namen Josef Karrer als Spielertrainer habe Helmut Schaller ins Gespräch gebracht, Spieler der Meistermannschaft 1948/49 und Trainer der A-Jugend von 1958. "Karrer war zu dieser Zeit die Handball-Ikone des Deutschen Handballbundes", verdeutlicht Weber. Karrer war Mitglied der bundesdeutschen Olympia-Mannschaft 1972 in München gewesen.
Als Handball noch im Freien auf dem großen Feld gespielt wurde
1973– zwei Jahre bevor dieser Wettbewerb abgeschafft wurde – wurde Karrer mit Großwallstadt Bundesdeutscher Meister im Feldhandball. Doch wie eine solche Spielerpersönlichkeit nach Lohr lotsen? Einen Athleten, der sich vor dem Endspiel bei dieser Meisterschaft die Achillessehne gerissen und damit den sportliche Tiefpunkt seiner Karriere erreicht hatte?
Schaller und Weber gingen auf ihn zu, besuchten Karrer in der Unfallklinik in Frankfurt, unterbreiteten ihm ein Angebot, fuhren jedoch ohne Zusage nach Hause. "Josef wollte erst die Menschen und das Vereinsleben in Lohr kennenlernen", erzählt Weber. Wenig später luden die Handballer das Ehepaar Karrer zu ihrer Faschingsveranstaltung in den Weinkeller der damaligen Stadthalle ein. "Die gesamte Abteilung wirkte dabei mit. Die Damen fertigten individuelle Einladungskarten und Roland Schaller sorgte für eine ansprechende Dekoration", erinnert Weber.
Die Nacht, in der Karrer zusagte
"Die Begeisterung war riesig, die Stimmung hätte nicht besser seien können und die Veranstaltung war ein voller Erfolg." Nicht zuletzt deshalb, weil Karrer den Lohrer Handballern noch in dieser Nacht zusagte. "Nicht ganz unschuldig dabei war Otto Heine, der den Josef den ganzen Abend hindurch bearbeitet hatte." Dies habe Karrer ihm bestätigt, bekräftigt Weber. "Die Sensation in der Handball-Szene war perfekt und die Freude beim TSV Lohr grenzenlos."
Die Euphorie bei den Handball-Fans war unbeschreiblich groß, beschreibt Weber die weitere Entwicklung. "Das Publikum in der Nägelseehalle war eine Macht." Karrer holte weitere Spieler aus Großwallstadt nach Lohr, darunter Dieter Hess, der in Lohr blieb und zusammen mit seiner Frau Lilo eine erfolgreiche Institution im Trainerbereich wurde. Norbert Klein und Klaus Landwehr gaben dem Verein starke Impulse.
Erstmals wurde ein Trainingslager abgehalten und man spielte gegen namhafte Gegner wie den VfL Gummersbach mit Andreas Thiel im Tor. Einer seiner Nachfolger auf dem Posten zwischen den Pfosten war übrigens ein Lohrer Eigengewächs: Frank Hofstötter, der inzwischen nach Sackenbach zurückgekehrt und beim TSV als Torwart-Trainer aktiv ist.
Im Sonderzug nach München zum FC Bayern
Wenn Weber vom Handball erzählt, erzählt er auch von Sommernachtsfesten in der Festhalle, von den Pfingstturnieren, Meisterschafts- und Weihnachtsfeiern; und natürlich auch von der Sonderfahrt nach München, wo rund 150 Lohrer die Mannschaft mit der Bahn zum Oberliga-Spiel gegen den FC Bayern begleiteten. So war das damals.
"Heute fährt kaum noch einer mit zu den Auswärtsspielen", bedauert Weber. Doch will er nicht jammern. Mit dem Treffen der Veteranen von damals will er nicht nur Karrer die Ehre erweisen, räumt er ein. Er hofft, auch ein bisschen von der damaligen Euphorie wiederzubeleben. So ist er halt, der Ernst Weber: "Einmal Handballer, immer Handballer!"
Die Recken der 70er Jahre treffen sich beim Heimspiel am Samstag, 16. März, gegen den TV Haunstetten in der Spessarttorhalle (19.30 Uhr). Tags darauf, am Sonntag, 17. März, zeigt Weber ab 15 Uhr Dias aus der glorreichen Vergangenheit - ausdrücklich für alle Interessierten im Mehlingskeller.