Ältere Herren stellt man sich gerne gemütlich vor. Ohrensessel. Opa-Puschen. Ein Schoppen am Abend. Wenn man mit Josef Karrer spricht, hat man eine ganz andere Vorstellung im Kopf. Eher das Bild des rüstigen Rentners. Gesellig. Aktiv. Sozial eingebunden. „Gerade sind die Kollegen von der TVG-Traditionsmannschaft zu Besuch“, erzählt der frühere Handball-Nationalspieler am Montag am Telefon fröhlich, während im Hintergrund Stimmengewirr zu hören ist. Mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes gewann er 1966 in Österreich den Weltmeistertitel und nahm 1972 an den Olympischen Spielen in München teil, mit dem TV Großwallstadt wurde er 1973 auf dem Großfeld deutscher Meister. „Wir treffen uns immer noch regelmäßig. Alle zwei Jahre machen wir einen Ausflug, heuer geht's in den Harz. Und jedes Jahr am ersten Advent gehen wir spazieren – Wandern kann man das in unserem Alter ja nicht mehr nennen.“ Josef „Seppl“ Karrer kann selbst darüber lachen.
„Ich bin noch sehr fit!“
Mit 80 Jahren ist er ein älterer Herr – aber einer, der noch mitten im Lebens steht und sich guter Gesundheit erfreut. „Ich bin noch sehr fit und froh darüber!“ Am Sonntag hat er seinen runden Geburtstag gefeiert, „ein wunderschöner Tag!“ Erst hat er zu Hause in Großwallstadt Glückwünsche entgegengenommen, unter anderem aus Rimpar, und Gratulanten empfangen, darunter sein früherer Vereinskamerad Ernst Weber aus Lohr. Am Nachmittag ging's dann zu Kaffee und Kuchen ins TVG-Vereinsheim mit der Familie. Neben seiner Frau Maria, die im Juni auch 80 wird, seinen drei Söhnen Rainer (Jahrgang 1962), Albert (1964) und Heiko (1971) sowie deren Frauen gehören dazu sechs Enkel und seit Oktober auch der erste Urenkel: Quirin, der Sohn von Rainers Tochter Nadja. „Ein ganz nettes Kerlchen ist das!“, sagt der Uropa voller Stolz. „Er lacht so viel!“ Überhaupt schätze er sich glücklich über die „Bomben-Familienverhältnisse“.
Heiko Karrer: „Papa ist eine starke Persönlichkeit“
Wie so oft, erfordert die Rolle des Großvaters dabei weit weniger Strenge als die des Vaters. „Zu den Enkeln ist Papa total lieb“, sagt Heiko Karrer, „denen erlaubt er viel mehr als uns damals. Die kriegen Süßigkeiten und dürfen Eis essen.“ Die Milde beschränke sich allerdings auf die Kindeskinder. „Ich weiß nicht, ob ich das Altersstarrsinn nennen würde“, scherzt der jüngste Sohn, „aber Papa ist nach wie vor eine starke Persönlichkeit. Er hatte schon immer eine Meinung, und die vertritt er auch heute noch, mit zunehmendem Alter eher umso mehr. Wenn er was sagt, dann wird das auch gemacht.“ Was zu Ehren des Jubilars gemacht wird, hat allerdings die Familie entschieden: Sie hat ihm ein gemeinsames Wochenende mit Aktivitäten und Übernachtungen in einem Landgasthof im Odenwald geschenkt.
Nostalgie-Treffen in Lohr
Die Bande zu seinen sportlichen Familien haben sich unterschiedlich entwickelt; die einen sind mehr, die anderen weniger bombig. Zum TSV Lohr, wo Josef Karrer in den 1970ern sechs Jahre lang als Spielertrainer den sportlichen Aufstieg von der Bezirksklasse bis in die Oberliga prägte, hat er nicht zuletzt dank des damaligen Abteilungsleiters Helmut Schaller und des einstigen Kapitäns Ernst Weber noch freundschaftliche Verbindungen. „Er organisiert für dieses Jahr wieder ein Nostalgie-Treffen.“
Das Verhältnis zum Heimat- und Herzensverein ist angespannt
Zum TV Großwallstadt, bei dem der gelernte Bauschlosser in der Saison 1971/72 Torschützenkönig der Handball-Bundesliga war, ist das Verhältnis eher angespannt. Als er sich 1973 vom Untermain sportlich Richtung Spessart verabschiedete, nach einem Riss in der Achillessehne, fühlte er sich hängengelassen. Später versöhnte er sich zwar mit seinem Heimat- und Herzensverein, trainierte Jugendteams und die zweite Mannschaft, bedauerte die Abstiege von der ersten bis in die dritte Liga. Doch zuletzt fühlte er sich ganz fallengelassen und nicht mehr gewürdigt mit seinen Verdiensten für den Traditionsklub.
Karrers Tipp: Lohr schafft den Klassenerhalt eher als Großwallstadt
„Wenn der Seppl Karrer nicht gewesen wäre, wäre der TVG nicht das geworden, was er war“, sagt er – „das sagen auch andere!“ Doch eigentlich will er sich seine Feierlichkeiten nicht vom Frust verderben lassen. Nur so viel möchte er zu dem Thema noch loswerden: „Als Ehrenmitglied habe ich von der neuen Vorstandschaft zum ersten Mal keine Dauerkarte bekommen.“ Erst nach einem zufälligen Gespräch mit dem Bürgermeister habe der in die Wege geleitet, dass er die Karte doch kriegte. „Jetzt schaue ich mir ab und zu ein Spiel an, aber ich bin nicht mehr mit Begeisterung dabei.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass der TVG direkt wieder aus der zweiten Liga absteigt, hält er für groß. „Wenn man als Tabellen-18. dann auch noch gegen die Mannschaften verliert, die auch unten drin stehen, wird's schwer mit dem Klassenerhalt.“
Dass die Lohrer Handballer die Bayernliga halten, hält der 80-Jährige da schon für wahrscheinlicher. „So, wie es nach den letzten Spielen aussieht, könnten sie es noch schaffen.“ Und wenn dann sein Sohn Heiko als Trainer beim Landesligisten TG Heidingsfeld noch die Meisterschaft klarmachen würde – wonach derzeit alles aussieht – „dann gäbe es nächste Saison ein schönes Derby“.
Das 47. Sportabzeichen im Blick
Für seine eigene Zukunft und sein neues Lebensjahr(zehnt) hat sich Josef Karrer vorgenommen, „vor allem gesund zu bleiben und weiter viel Spaß mit der Familie zu haben“. Und nicht zu vergessen: „Dieses Jahr will ich zum 47. Mal mein Sportabzeichen ablegen. Es geht zwar nicht mehr alles, beim Weitsprung oder 100-Meter-Lauf muss ich passen. Aber Radfahren oder Schleuderball kann ich allemal noch.“ Er ist ja auch nicht so, wie man sich ältere Herren gerne vorstellt . . .