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Halsbach/Arnstein
In Main-Spessart werfen Obstbäume schon die Früchte ab – warum ist dieses Jahr so anders?
Fallobst statt gesunde Tafeläpfel: Die Obstbauern im Landkreis beklagen in diesem Sommer hohe Ernteeinbußen. Wie sich die Landwirte fit für die Zukunft machen wollen.
Peter Stenger erklärt die Situation an den alten Streuobstbäumen, die besonders viele Früchte verlieren.
Foto: Simon Bald | Peter Stenger erklärt die Situation an den alten Streuobstbäumen, die besonders viele Früchte verlieren.
Simon Bald
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:14 Uhr

Peter Stenger, Obstbauer in Lohr-Halsbach, hat festgestellt: Bereits die Obstblüten waren in diesem Jahr zwei Wochen früher dran als sonst. Doch nicht nur die Vegetationsperiode hat sich nach vorne verschoben. Der ganze Sommer sei sehr warm und vor allem extrem trocken gewesen. "Dieses Jahr ist mit 2018 vergleichbar. Damals hat es auch kaum geregnet. Aber sowas wie 2022 haben wir vorher noch nicht gesehen", sagt er mit Blick auf die am Boden liegenden Äpfel.

"Die vergangenen fünf Jahre waren eigentlich alle sehr trocken. Der regnerische Sommer 2021 war dabei eine Ausnahme. Früher war das eher die Regel und heute ist es umgekehrt." Die Fruchtgrößen blieben weit hinter dem zurück, was man gewohnt sei, sagt Stenger im Gespräch mit dieser Redaktion. Zusätzlich steige durch die intensive Sonneneinstrahlung in Verbindung mit zu wenig Wasser die Sonnenbrandgefahr.

In einem feuchteren Jahr liegen vor allem wurmstichige Früchte wie dieser Apfel am Boden. 2022 überwiegen zu klein gebliebene, die der Baum abwirft, um sich selbst zu schützen.
Foto: Simon Bald | In einem feuchteren Jahr liegen vor allem wurmstichige Früchte wie dieser Apfel am Boden. 2022 überwiegen zu klein gebliebene, die der Baum abwirft, um sich selbst zu schützen.

Anderswo in Deutschland ist die Situation eine andere, aber hier in Mainfranken fehlt es von oben und unten an Wasser. Als Folge rechnet der Obstbauer mit beträchtlichen Ernteeinbußen und Schwierigkeiten beim Absatz seiner Tafeläpfel. Die Kundinnen und Kunden hätten gewisse Vorstellungen, wie ein Apfel auszusehen habe, doch diese werden dieses Jahr wohl kaum zu erfüllen sein. Und dann bleiben die Tafeläpfel liegen. Eine kleiner Lichtblick: Beim Brennen des Obstes zu Schnaps erziele man dieses Jahr womöglich bessere Ergebnisse. Die vielen Sonnenstunden sorgen für einen höheren Zuckergehalt – ein Vorteil.

Der Vorerntefruchtfall dient dem Baum zum Selbstschutz

In feuchten Sommern seien vor allem Wurmbefall und Pilzinfektionen ein Problem. Dieses Jahr ist anders: Aufgrund des ausgebliebenen Regens in den Sommermonaten sei bislang gut die Hälfte der Äpfel vom Baum gefallen. Im Juni gebe es immer eine Phase, in der die Bäume auf das Wetter reagieren könnten. Und zwar, indem sie überschüssige Fruchtansätze abwerfen. Das sei auch in diesem Jahr passiert. Wenn es aber danach weiterhin nicht regnet, steht dem Baum nicht genügend Wasser zur Verfügung, um die noch verbliebenen Früchte zur Reife zu bringen.

In der Folge tritt der sogenannte Vorerntefruchtfall ein, der aktuell zu beobachten ist: Der Baum wirft immer mehr Äpfel ab, weil er das noch verbliebene Wasser für seine grundlegenden Lebensfunktionen benötigt. "Die Pflanze kühlt ihre Organe, indem sie Wasser über die Blätter verdunstet. Ganz ähnlich, wie wir Menschen schwitzen. Wenn das nicht mehr möglich ist, dann vertrocknet sie", sagt der erfahrene Obstbauer, der neben Äpfeln auch Zwetschgen, Birnen und Beeren anbaut. Das Obst wird dann im Hofladen und im Obstautomaten an der Hofstettener Straße außerhalb Steinbachs verkauft.

Bewässerung und mehr Pflege helfen auch nicht immer

Wenn die Bodenqualität stimme und noch genügend Feuchtigkeit zur Verfügung stehe, wie es etwa in unteren Hanglagen der Fall ist, müsse ein Jahr wie dieses nicht einmal schlechte Ernteerträge zur Folge haben. "Aber wir sind hier auf dem Berg, da ist Wasser meistens knapp", sagt Peter Stenger.

Kann der Landwirt seine Ernte noch retten? Bei den Tafeläpfeln sei vor einigen Wochen von Hand ausgedünnt und zusätzlich mit schwacher Tröpfchenbewässerung nachgeholfen worden – in der Hoffnung, dass die verbliebenen Äpfel die gewünschte Größe und Reife doch noch erreichen. Beim Rundgang über die Plantage zeigt Peter Stenger eine beschädigte Stelle am Bewässerungsschlauch. Was sofort auffällt: Um das Leck wächst dichtes, grünes Gras. Außerdem sind die Äpfel hier deutlich größer und saftiger.

Peter Stenger zeigt, dass die Äpfel an einer Leckstelle des Tröpfchenschlauchs deutlich kräftiger gewachsen sind – so sollten sie in einem guten Jahr aussehen.
Foto: Simon Bald | Peter Stenger zeigt, dass die Äpfel an einer Leckstelle des Tröpfchenschlauchs deutlich kräftiger gewachsen sind – so sollten sie in einem guten Jahr aussehen.

Bei den Mostäpfeln werde dagegen gar nichts unternommen. Hier lohne sich keine zusätzliche Bewässerung und die Ausdünnung von Hand stehe außer Frage. "Das rechnet sich wirtschaftlich nicht. Gerade, weil die Bäume größer sind und die Mostäpfel weniger einbringen", so Stenger. Die Früchte, aus denen später Saft und Wein hergestellt werden, wachsen in aller Regel an Hochstämmen auf Streuobstwiesen – eine heute schon fast historische und wertvolle Kulturform.

Hier seien die Ernteeinbußen besonders hoch, weil diese Bäume momentan aus oben besagten Gründen besonders viele Früchte verlieren. Und mit den Äpfeln, die am Boden liegen, lasse sich nichts mehr anfangen, da sie für gewöhnlich sehr schnell von der Sonne verbrannt würden.

Hier sieht man den Unterschied: Im Vordergrund die Äpfel nahe des Lecks und im Hintergrund die von der Trockenheit gestressten kleinen Früchte.
Foto: Simon Bald | Hier sieht man den Unterschied: Im Vordergrund die Äpfel nahe des Lecks und im Hintergrund die von der Trockenheit gestressten kleinen Früchte.

"Die Äpfel werden jetzt langsam reif. Wenn wir einen feuchteren Sommer hätten, wie er früher normal war, dann sähen alle so aus", sagt Stenger. Für die Zukunft müssten sich Landwirte überlegen, ob sie vermehrt auf trockenheits- und hitzeresistentere Sorten umsatteln – oder gleich auf andere, wärmeliebende Obstsorten.

Andere Obstsorten sind eine mögliche Strategie – aber kein Allheilmittel

Dem stimmt Stefan Veeh vom Biohof "Fruchtverliebt" in Arnstein zu. Er hat den Hof erst vor zwei Jahren übernommen, auf ökologischen Landbau umgestellt und um eine Kelterei erweitert. Außerdem trug er mit dem Betrieb von Beginn an den kommenden Klimaveränderungen Rechnung: "Wir haben einige Obstsorten mit ins Sortiment aufgenommen, die bislang noch vorwiegend in südlicheren Ländern angebaut werden. Beispielweise Nektarinen, Pfirsiche und italienische Süßkirschen."

Das Jahr 2022 erschwerte die Ernte auf dem Biohof allerdings gleich doppelt: Die klassischen heimischen Obstsorten haben unter der Trockenheit gelitten und die wärmeliebenden sind zu einem großen Teil durch den letzten Spätfrost am 20. April in der Blüte erfroren. Beiden Obstbauern ist eine Erhaltung alter Sorten wichtig. Einige davon seien nicht nur robuster als die neueren Züchtungen, sondern auch verträglicher: Häufig höre man von Allergikern, dass sie genau diese Äpfel endlich vertragen würden.

 
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Kommentare
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  • bobmannschaft@t-online.de
    Wir haben einfach die laufende Klimakatastrophe und das nicht nur im Spessart oder Würzburg.
    Das ist wirklich beängstigend, da nicht mehr aufzuhalten.

    Wenn ich lese, dass man auf andere stressresistente Apfelsorten ausweichen soll, wünsche ich viel Spaß beim Gießen über Jahre bis die Hochstämme für Mostäpfel endlich tragen. Die andere Alternative auf andere Obstarten ausweichen, bringt keinen Apfelsaft, eher bald Ananassaft.

    Real ist, dass Mostäpfel nix bringen und deshalb nichts in Pflege und Bewässerung investiert wird. Das lohnt wirklich nicht.

    Aus meiner Sicht sterben die Hochstammkulturen kurzfristig komplett aus, da sie kommerziell gar keinen Sinn machen. Ich lass meine 40 Bäume einfach stehen und muß leider jedes Jahr 3 bis 4 Verdörrte entsorgen, da der Aufwand und die Kosten auch privat zu hoch sind. Am Ende kommt der Hentinger und meint dafür müsste man auch noch Steuer zahlen weil es ein riesen Betrieb sei. Hoffe es gibt in der Zukunft überhaupt regionale Äpfel.
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  • streetmak@t-online.de
    Früher konnte den Grünen die Landschaft nicht grün genug sein, dan kam die Verspargelung der Landschaft durch Windkrafträder. Heute soll alles zugepflastert werden mit diesen Photovoltaikanlagen. Wohl gemerkt: ich bin nicht gegen Windkraft oder PV, aber den Grünen macht man es nie Recht.
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  • anton.mueller
    Polemisches Grünen-Bashing! Und ", aber"-Konstruktionen meinen IMMER das Gegenteil der ursprünglichen Aussage... 😉
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  • Meinungsvertreter
    Man sollte auch über Agri-Photovoltaik nachdenken, dann schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe:

    https://www.mdr.de/wissen/photovoltaik-landwirtschaft-insekten-hummeln-100.html

    Durch solche Anlagen werden empfindliche Pflanzen beschattet, gleichzeitig trocknet der Boden nicht so schnell aus. Und nebenher wird Strom erzeugt.
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  • stotch
    Sehr gute Idee!
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  • farmer@kitzingen.info
    An sich ja, es muss halt auch ein Stromanschluß am Grundstück vorhanden sein. Netzausbau ist angesagt!
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