Wie im Paradies habe sich die Heimatvertriebene Irmgard als kleines Mädchen auf den Erlenbacher Höfen, einem kleinen Ortsteil von Wiesenfeld, gefühlt, erzählt sie. In ihr sei alles wieder hochgekommen, als sie in der Main-Post kürzlich den Artikel über die Sudetendeutschen und ihre Ankunft in Karlstadt gelesen hat, sagt die heute 85-Jährige. Sie erinnerte sich wieder, wie sie in ihrer böhmischen Heimat behandelt wurden, was sie bei der Vertreibung erlebte und wie sie nach Erlenbach kam. Jetzt möchte Irmgard T. vor allem davon erzählen, wie gut sie in der Familie von Richard Riedmann, den sie "Opa" nennt, aufgenommen wurde. Ihren vollen Namen möchte sie nicht geschrieben sehen und auch kein aktuelles Bild von sich.
Aus Weipert vertrieben
Seit 60 Jahren lebt sie in Gemünden, wo sie mit ihrem aus Wiesenfeld stammenden Mann ein Haus baute. Irmgard, seit Jahren Witwe, ist trotz eines Schlaganfalls vor zwölf Jahren geistig rege und kann gar nicht verstehen, wieso gleichaltrige Vertriebene sich kaum mehr an etwas erinnern. Sie sei die Letzte, die Zeugnis ablegen könne, wie es früher in ihrer westböhmischen Heimatstadt Weipert (tschechisch Vejprty), die an der Grenze zu Sachsen liegt, war. Die damals 11.000 Einwohner große Stadt im Erzgebirge, etwa zwölf Kilometer von Jens Weißflogs Oberwiesenthal entfernt, hatte viele Fabriken, etliche Gasthäuser (eines davon gehörte Irmgards Vater) und einen Bahnhof. Etwa 15 Kilometer weiter lag die Stadt Preßnitz, aus der viele Vertriebene nach Lohr kamen, die aber in den Fluten eines Stausees versank.
Mit dem Kriegsende begann für die Familie eine schwere Zeit. Plötzlich war die vorher kaum wahrgenommene Grenze zu Sachsen eine richtige. Der Vater war gefallen, das früher auch bei Sachsen beliebte Gasthaus geschlossen, die Mutter war mit Irmgard und den beiden jüngeren Geschwistern allein, verdiente sich Geld als Köchin in einem tschechischen Gasthaus.
Die Kinder hätten schon bald nicht mehr aus dem Haus gekonnt, weil sie von tschechischen Kindern getriezt und geschlagen worden seien, sagt sie. "Egal, was wir anhatten, sie haben uns alles abgenommen", erinnert sich Irmgard schmerzlich. Andere Kinder seien beim Spielen auf Minen getreten und schwer verletzt worden. Die Schule war geschlossen, dort wurden lungenkranke Weißrussen untergebracht. Der Turnsaal im Rathaus diente als Gefängnis für Deutsche, dahinter hätten junge SS-Mitglieder ihr eigenes Grab schaufeln müssen.
Im kleinen Nachbarort Weipert-Neugeschrei wurde Ende 1945 ein ungemütliches Lager für die Deutschen eingerichtet, die ausgewiesen werden sollten. Auch ihre Mutter und ihre drei Geschwister sollten noch vor Weihnachten dorthin. Allerdings habe der tschechische Gasthofbesitzer, bei dem ihre Mutter in Weipert kochte, erreicht, dass sie erst nach Weihnachten von zu Hause weg mussten. Im Januar 1946 folgte die Ausweisung. "Wir waren als Kinder froh, dass wir in eine andere Welt kamen", sagt Irmgard. Die Mutter habe immer nach Bayern gewollt. Mit einem Transport aus Hof kamen sie mit vielen anderen Weipertern erst 14 Tage in eine Schule in der Würzburger Zellerau und dann nach Karlstadt zum Zementwerk. Nach zwei Nächten dort sollten sie in Wiesenfeld einquartiert werden.
Die Mutter sei mit den Nerven am Ende gewesen, Irmgard habe sich um ihre zwei kleinen Geschwister kümmern und im Wiesenfelder Rathaus auf eine Zuteilung warten müssen. Aber als sie drankamen, habe es geheißen, alle Wohnungen seien belegt. Es war schon spät, außerdem eisig kalt. Die selbstständige Irmgard, damals neun, fragte: "Wo ist denn der Bürgermeister, der muss sich doch kümmern?" Aber Bürgermeister Wolf war nicht mehr da. Sie müsse doch nach Wochen endlich einmal wieder in einem Bett schlafen, sagte sie. Eine Übernachtung auf dem Boden des ungeheizten Rathauses schien ihr unvorstellbar.
Ein Schulfreund ihres Vaters namens Neubert habe kurzerhand gesagt, die kleine Familie solle auf dem Holzvergaser mit nach Erlenbach fahren, ihm sei dort bei einem Röder eine Wohnung zugewiesen worden, dort könnten sie erstmal unterkommen. Dieser Erlenbacher wollte aber nicht noch eine Familie aufnehmen, also wandte man sich an den dortigen Ortsvorsteher Richard Riedmann. Der entschied kurzerhand, dass Irmgard und ihr fünfjähriger Bruder Dieter bei ihm in einer Knechtskammer unterkommen sollten. Für sie gab es Milch und Brot, sie konnten sich satt essen. "Das war für mich wie im Himmel."
Ihre Mutter und die zweijährige Schwester hingegen sollten zu Riedmanns Bruder Hannes. Der Bruder habe sich zwar gesträubt, aber schließlich wurde für Mutter und Tochter doch eine Rumpelkammer freigeräumt. Mitten in der ersten Nacht musste Irmgard jedoch die Familie Riedmann wecken, weil ihr Bruder nach der Mutter weinte. Also kam auch der mit zur Familie des Bruders, Irmgard blieb allein, aber glücklich in der Kammer. Endlich wieder ein Bett.
Mit viel Dankbarkeit blickt Irmgard T. zurück. "Die haben selber in kleinen Kammern geschlafen", sagte sie über die beiden Gastfamilien. Sie blieb bei Familie Riedmann, auch als ihre Mutter und ihre Geschwister nach einem Jahr nach Wiesenfeld umzogen. "Ich hab gedacht, ich bin daheim angekommen", erzählt sie. Am nächsten Abend, als sie im Bett lag, habe Hedwig, ihre älteste Gastschwester, zu ihren Schwestern gesagt: "Guckt mal, wir haben einen Engel gekriegt." Von der gastfreundlichen Familie habe sie Kleidung und Spielsachen bekommen, sogar im Jahr darauf ein Kommunionkleid. Sie wisse gar nicht, woher sie die Sachen nahmen. "Die hatten selber nichts." Ihre Mutter hatte kein Geld, musste sich ihr Essen durch Arbeiten verdienen. Als diese nach Wiesenfeld zog und Irmgard sie wochenends besuchte, habe sie von "daheim" immer Eier, Wurst und Kuchen für ihre Mutter und Geschwister mitgekriegt.
Ihr "Opa" Richard sei sehr gläubig gewesen, vielleicht deswegen auch so gastfreundlich, glaubt sie. Wenn er frühs die Treppe runter und in den Stall ging, habe er immer laut "Beim frühen Morgenlicht erwacht mein Herz und spricht, gelobt sei Jesus Christ!" gesungen. In Erlenbach habe sie mit den anderen Kindern viel draußen in der Natur gespielt, habe im Bach Mühlrädchen gebaut. Anfangs musste sie mit immer wieder von Riedmann geflickten alten Schuhen nach Wiesenfeld in die Schule laufen, weil in der Erlenbacher noch eine ausgebombte Familie namens Fischer wohnte. Nach einem halben Jahr, als diese eine Wohnung fanden, begann für sie dann der Unterricht in Erlenbach.
Gelernt habe man in der Erlenbacher Schule leider nichts, dabei habe ihr Vater der Mutter von der Front geschrieben: "Sorge für eine gute Ausbildung." Ihre Mutter habe deswegen geschimpft. Als Irmgard dann 15 war, hat ihre Mutter sie gegen ihren Willen doch zu sich nach Wiesenfeld geholt. Sie lernte Näherin, auch wenn sie im Nachhinein sagt, dass das nichts für sie gewesen sei. Mit 19 heiratete sie, zuerst bauten sie und ihr Mann ein Haus in Wiesenfeld. Als dieser Flussmeister wurde, zogen sie mit den beiden Kindern 1966 nach Gemünden.
Ihre Geschichte habe sie lange keinem erzählt. "Wer glaubt denn so etwas?" Ihre alte Heimat in Böhmen hat sie immer wieder besucht, zuletzt dreimal im Jahr. "Ich habe so ein Heimweh in den letzten Jahren", sagt die 85-Jährige.
In diesem Jahr ist eine Reise in den Böhmerwald nach Marienbad geplant um ein Stück Heimat meiner Eltern im Böhmerwald zu spüren.
Um so mehr verstehe ich das Jammern und die Unzufriedenheit so vieler Menschen in dieser Zeit nicht. Und noch weniger verstehe ich, dass die Klimaaktivisten,"Letzte Generation"
Die "Alte Generation" für das Klima heute verantwortlich macht. Fragt eure Grosseltern wer bis jetzt für euer warmes Zimmer usw gesorgt hat.
Meine Großeltern haben ähnliches erzählt, wenn heute das Bürgergeld kommt, ist das ein Schlag ins Gesicht, die unter Entbehrungen ihren Wohlstand selbst erschaffen haben.
Ich wünsche dieser Dame alles gute und bleiben sie gesund, damit sie die verlorene Heimat noch oft besuchen können.