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Karlstadt
Immer wieder tauchen Nazi-Sticker in der Stadt auf: Wie sich eine Gruppe von Karlstadtern dagegen stellt
Auf den Aufklebern stehen rassistische und nationalsozialistische Symbole und Sprüche. In einer Whatsapp-Gruppe vernetzen sich Bürger und kümmern sich um die Entfernung und Aufklärung.
In Karlstadt kleben zuletzt vermehrt Sticker mit rechtem Gedankengut, vor allem auch im Bereich der Schulen. Eine Gruppe aus Karlstadtern vernetzt sich, um die Sticker möglichst schnell zu entfernen.
Foto: Tabea Goppelt | In Karlstadt kleben zuletzt vermehrt Sticker mit rechtem Gedankengut, vor allem auch im Bereich der Schulen. Eine Gruppe aus Karlstadtern vernetzt sich, um die Sticker möglichst schnell zu entfernen.
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 20.08.2024 02:45 Uhr

Aufkleber mit Aufschriften wie "One People, one nation, stop immigration. Defend Europe" (Ein Volk, eine Nation, stoppt Immigration. Verteidigt Europa) oder "Lieber Kernkraft als Flüchtlingsstrom" prangen seit einigen Monaten in Karlstadt. An Laternenpfosten, Zigarettenautomaten und Abfallbehältern. Das meldete eine Frau, die sich selbst Antifaschistin nennt, dieser Redaktion. Ihren Namen (der Redaktion bekannt) möchte sie nicht öffentlich machen. Sie fürchtet um ihren Laden, den sie in Karlstadt betreibt.

Entdeckt wurden die Aufkleber im April von einer Bürgerin auf dem Weg von der Innenstadt zum Bahnhof. Schnell sei klar gewesen, dass etwas dagegen getan werden müsse. "Ich habe dann", so die Karlstadter Geschäftsfrau, "eine Whatsapp-Gruppe gegründet". Ziel sei es, sich gegen Rassismus zu vernetzen und die Fundorte der Sticker zu dokumentieren. Außerdem entfernen die Mitglieder der Gruppe, derzeit etwa 50 Personen, die Aufkleber.

Bisher gibt es nur Vermutungen darüber, wer die Aufkleber anbringt

Wer diese anbringt, sei nach wie vor unklar, so die Karlstadterin. Die Gruppe vermutet, dass es sich eher um eine jüngere Person oder um mehrere Jüngere handelt. "Wer hat denn sonst die Zeit dazu?", fragt sie. Außerdem seien manche Aufkleber so hoch angebracht gewesen, da habe man klettern müssen. So zum Beispiel am Pfosten des Gambacher Edelweißes. "Das schafft ein Rentner eher nicht", meinte sie.

Bei der Polizei hat die Gruppe die Taten bisher nicht angezeigt. "Das wäre eine Anzeige gegen Unbekannt und das bringt eh nichts", meint die Karlstadterin. Außerdem seien die Texte und Symboliken auf den Stickern meist bewusst vage gewählt – so umgehen Verbreiter die Verbote. Dass die Polizei hier überhaupt ermitteln würde, bezweifelt sie.

Grundsätzlich sind bereits viele Zeichen als verfassungsfeindliche Symbole eingestuft worden und vom Verfassungsschutz verboten; eine Liste findet sich auf der Website des Verfassungsschutzes. Doch gerade die Nicht-Eindeutigkeit vieler Aufkleber sorge für Verkaufsmöglichkeiten. "Diese Leute nutzen Schlupflöcher solange, bis Gesetze erweitert werden", so die Karlstadterin. Und beim Verfassungsschutz käme man ja gar nicht mit den Verboten hinterher.

Mit Symbolen und Zahlencodes werden versteckte Botschaften transportiert

Doch warum bringen Menschen überhaupt solche Aufkleber an? Das Ziel, so erklärt die Karlstadterin ihre Vermutung, sei das Markieren vom vermeintlich "eigenen rechten Revier". Wer sich der Szene zugehörig fühle erkenne so: Ich bin nicht alleine mit meiner Einstellung. Dabei werden Symbole und Zahlencodes verwendet, die oft nur von Insiderinnen und Insidern erkannt werden. "Dog Whisteling" werde diese Art der Kommunikation genannt. Dabei werden verschlüsselte Botschaften an eine bestimmte Gruppe gesendet. Nur wer die typischen Motive des "Dog Whistling" und die Codes kenne, fühle sich angesprochen.

So steht zum Beispiel die Zahl 88 für den nationalsozialistischen Gruß "Heil Hitler", denn das H steht an achter Stelle des Alphabets. Auch 18 gilt als rechter Zahlencode: Die Ziffern 1 und 8 stehen für die Buchstaben A und H und damit für Adolf Hitler. Oft würden auch Runensymbole verwendet; eines ergibt nach Komprimierung des Musters zum Beispiel ein Hakenkreuz.

Die Karlstadterin findet es wichtig, dass sowohl Außenstehende als auch Gegnerinnen und Gegner von Faschismus und Fremdenfeindlichkeit mit diesen Symbolen vertraut sind: "Wer es ernst meint mit 'nie wieder',  sollte sich mit dieser Symbolik beschäftigen."

 
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Kommentare
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  • Peter Koch
    Der Sticker "Lieber Kernkraft..." stammt vom bekannten Erznazi Tommy Frenck aus Kloster Veßra.
    Leider darf ich hier keinen Link einfügen weil er auf einen Online-Shop führt. Das widerspricht den Kommentaregeln und das verstehe in diesem Fall wer will.
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  • Jutta Nöther
    Danke für diese Initiative!
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  • Martin Hofgesang
    Ein Dank und Hoch an diese Community.
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  • Peter Koch
    Sehr geehrter Herr Koch,

    nach Punkt 2B ist es "Nutzern nicht erlaubt, anderen Nutzern der Angebote der Main-Post Werbung in jedweder Form für kommerzielle Angebote zu unterbreiten. Dies bezieht sich auch auf das Setzen von entsprechenden Links, z. B. in Foren oder im Rahmen der Kommentarfunktion."

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    Viele Grüße
    OnlineRedaktion
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  • Peter Koch
    Den Aufkleber gab es schon mal in Berlin-Spandau, aber sonst wohl nirgendwo.
    https://berliner-register.de/vorfall/c5d0dc11-9635-4317-8025-ca674c4f10c1/
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