Es sei eine große Ehre, für dieses "wichtige Amt" nominiert zu werden, sagt Andrea Lindholz. Bei einer Gegenstimme hat die CSU-Landesgruppe an diesem Montag die unterfränkische Bundestagsabgeordnete als Kandidatin für das Amt der Bundestagsvizepräsidentin vorgeschlagen.
Die Bestätigung der Personalie durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Nachmittag galt als Formsache - ebenso die Wahl an diesem Dienstag in der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags. Sie sehe die Entscheidung ihrer Parteifreundinnen und Parteifreunde als "Vertrauensbeweis und Wertschätzung" ihrer Arbeit als Parlamentarierin, wird Lindholz in einer kurzen Pressemitteilung zitiert. Mehr wolle sie zunächst nicht sagen.
Was die Parlaments-Vize machen: vor allem repräsentative Aufgaben
Als Bundestagsvizepräsidentin würde die Politikerin aus Aschaffenburg zu den höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik gehören: Die Vizepräsidenten vertreten die protokollarische Nummer zwei im Staate, die designierte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU).
Zentrale Aufgabe des Bundestagspräsidiums ist die Planung und Leitung der Sitzungen. Die Mitglieder sollen die Würde des Bundestags wahren, heißt es in der Geschäftsordnung. Sie überwachen "gerecht und unparteiisch" die Ordnung während der Debatten. Unter anderem dürfen sie Abgeordnete - bei beleidigenden verbalen Attacken - ermahnen, ihnen Ordnungsrufe erteilen oder bei gravierenden Verstößen das Wort entziehen.
Die Parlamentspräsidentin und ihre Vertreterinnen und Vertreter stehen auch an der Spitze der Bundestagsverwaltung - mit über 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wichtige Stimme der CSU - doch künftig ist Zurückhaltung in der Tagespolitik geboten
In der tagespolitischen Debatte wird Andrea Lindholz als Bundestagsvizepräsidentin künftig weniger zu hören sein. Dabei war sie zuletzt eine der profiliertesten innenpolitischen Stimmen der Union.
Als die Rechtsanwältin 2013 erstmals in den Bundestag einzog, bewarb sie sich gleich für einen Sitz im Innenausschuss. "Für Frauen war das damals noch ungewöhnlich." Aufgrund ihrer Erfahrungen als stellvertretende Landrätin in Aschaffenburg, wo sie für das Feuerwehrwesen und den Zivilschutz zuständig war, habe sie der Job einfach interessiert, erinnert sich die Mutter eines erwachsenen Sohnes.
Zwei Jahre später, mit Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise, stand die Innenpolitik dann besonders im Fokus - erst recht für die CSU. 2018 wurde Lindholz Vorsitzende des Innenausschusses. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 kümmerte sie sich um die Themen Asyl und Migration - als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union und Gegenspielerin zu SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Lindholz gilt als sachorientierte Arbeiterin, die sich mit den Details der komplexen Gesetzgebung auskennt. Und sie gilt als jemand, der nicht ständig nach der nächsten Kamera oder einem Mikrofon schielt. Die 54-Jährige könne auch schweigen, schreibt die Nachrichtenagentur dpa - "im Berliner Politikbetrieb eher selten".
Als im Januar in ihrer Heimatstadt ein ausreisepflichtiger Afghane eine Kitagruppe überfiel und ein kleines Kind und einen Familienvater tötete, war es maßgeblich Andrea Lindholz, die Friedrich Merz antrieb, sich für eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik starkzumachen. Gemeinsam brachte man das umstrittene "Zustrombegrenzungsgesetz" im Bundestag ein. Dass man bei der Abstimmung auf Stimmen der AfD angewiesen sein könnte, nahm die Union billigend in Kauf.
Zwar gab es am Ende keine Mehrheit. Die Juristin aber hatte mit ihrem Law-and-Order-Kurs unionsintern weiter an Statur gewonnen. Wann immer nach der Bundestagswahl über Posten in einem Kabinett Merz diskutiert wurde, fiel der Name Lindholz - als Ministerin oder Staatssekretärin, im Innen- oder im Justizressort.
CSU Unterfranken hofft auf weitere herausgehobene Posten in Berlin
Mit Lindholz' Beförderung an die Bundestagsspitze steigen die Chancen für andere Vertreter der Unterfranken-CSU, in einer künftigen Regierung Ämter zu übernehmen. Allen voran gilt das für Dorothee Bär. Wo auch immer über künftige Ministerinnen und Minister spekuliert wird, fällt der Name der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden und "Erststimmenkönigin" aus dem Wahlkreis Bad Kissingen.
Aber auch die Umweltpolitikerin Anja Weisgerber aus Schweinfurt wird in Berlin gehandelt, wenn es um mögliche Karrieresprünge geht. Und dann ist da noch Alexander Hoffmann aus Main-Spessart, der als Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU bereits einen Posten in vorderer Reihe besetzt, im Zuge der Regierungsbildung aber noch weiter aufsteigen könnte.
