Erst seit wenigen Monaten ist in einem der ältesten Häuser Retzbachs in der Bergstraße 8 wieder Ruhe eingekehrt. Das Grundstück am Fuße des Benediktusbergs, das in den letzten Jahren an eine Großbaustelle erinnerte, ist heute der Wohnsitz von Burkard Heßdörfer und seiner Lebensgefährtin Monika von Olnhausen. Das Gelände besteht im Wesentlichen aus dem Wohnhaus mit Gewölbekeller, einem geschlossenen Innenhof und einer großen Garage mit darüberliegender Ferienwohnung. Von der Straße aus gesehen baut sich eine 47 Meter lange Wand in verschiedenen Oker- und Gelbtönen auf.
Zwischen dem Kauf des Grundstücks und dem Einzug von Heßdörfer und von Olnhausen im vergangenen August lagen etwa fünf Jahre. Nach Heßdörfers Krebsdiagnose beschlossen die beiden damals, aus der Drei-Etagen-Wohnung in Retzstadt auszuziehen und eine altersgerechte Bleibe zu finden. Mangels Bauplätzen wurden sie auf das Grundstück direkt am Benediktusberg aufmerksam. Dort befand sich eines der wohl ältesten Häuser in Retzbach. Eine in Stein gemeißelte "1561" lässt vermuten, dass das Anwesen inzwischen über 450 Jahre alt ist.
Aschaffenburger Städtebauarchitekt fand Gefallen am Projekt
"Wir wollten sehen, was man aus dem Haus machen kann", erinnert sich Heßdörfer an seine Anfangsmotivation. Also sollte ein Architekt das Haus bewerten, das ein ehemaliger Sakralbau mit klösterlichem Hintergrund gewesen sein könnte. Die erste Bauvoranfrage der neuen Eigentümer wurde geprüft. Von den vielen Auflagen, die der Denkmalschutz dann vorbrachte, waren Heßdörfer und von Olnhausen überfordert und lehnten vorerst ab. Wenige Wochen später kam der Planer und Städtebauarchitekt Rainer Tropp ins Spiel, dessen Stimme auch in denkmalpflegerischer Hinsicht viel Gewicht in den Kommunen hat.
Der "Anwalt von alten Ortschaften", wie er genannt wird, hieß es gut, "wenn in Retzbach mal wieder was passiert", sagt Heßdörfer, der selbst lange Vorsitzender der Dorferneuerung war. Ein paar Tage später bekam der 62-Jährige die Baugenehmigung, kaufte das Grundstück und begann im Juli 2021 mit seiner Lebensgefährtin zusammen mit dem Abbruch des Hauses. Eine wichtige Bedingung der Genehmigung war es, Teile des Altbaus zu erhalten und im neuen Projekt zu integrieren.
Nachbarhaus hatte kein richtiges Fundament
Sowohl die Außenwände als auch der Gewölbekeller, den man heute durch ein kleines Fenster im Boden des Wohnzimmers sehen kann, blieben bestehen. Auch der großflächige Innenhof blieb fast identisch und wurde neu gepflastert. Er führt zur heutigen Ferienwohnung, deren Gemäuer früher als Scheune genutzt wurde. Vom neuen Wohnzimmer aus ist die Ferienwohnung auf Höhe des ersten Stocks über einen zum Innenhof geöffneten Laubengang zu erreichen, der damals ein Gebetsgang gewesen sein könnte.
Sowohl das Alter des Hauses als auch die Lage direkt am Felsen stellten das Paar während der Bauphase vor große Probleme und machten der ursprünglichen Finanzplanung einen Strich durch die Rechnung. Zunächst stellte sich heraus, dass das Nachbarhaus gar kein richtiges Fundament hatte und daher im Bereich der heutigen Garage in Handarbeit untergraben werden musste. Heßdörfer erzählt: "Irgendwann wollten die Statiker und Baufirmen nicht mehr weiterfräsen. Sie meinten, dass das Haus sonst bei einer Erschütterung einstürzen könnte." Die heutige Garage hat daher eine Schräge.
Gutachten auf eigenes Risiko ausgestellt
Als weiteres Hindernis stellte sich der Felsen hinter dem Haus heraus, der eine aufwändige Hangsicherung erforderte. Die Berufsgenossenschaft verhängte den Baustopp und forderte ein Gutachten, das bestätigt, dass der Fels hält und keine Gefahr für die Bauarbeiter besteht. Eine professionelle Hangsicherung kostet um die 100.000 Euro. Selbst ist der Mann, dachte sich Heßdörfer. "Da ich in Neuseeland klettern gelernt habe, habe ich selbst eine Hangsicherung mit einem Netz gebaut."
"Das war wirklich abenteuerlich", sagt Monika von Olnhausen und lacht. Es begann die Suche nach einem Gutachter, der Heßdörfers Sicherung akzeptierte. Schließlich fand sich einer, der begeistert war von der waghalsigen Selfmade-Aktion des damals 59-Jährigen und auf eigenes Risiko ein Gutachten ausstellte. Der Bau nahm wieder Fahrt auf.
Gewölbekeller kann isoliert herausgenommen werden
Die nächste Frage war, wie man den Gewölbekeller absichert, dessen jahrhundertealte Bauweise den Experten unbekannt war, die somit auch seine Statik nicht berechnen konnten. Schließlich fiel die Entscheidung, den Keller komplett auszuschalen, wodurch er heute herausgenommen werden könnte, ohne dass das Haus einbricht.
Der Keller wurde mit einbetonierten Stützsäulen stabilisiert und riesige Mengen Beton eingelassen. "Die kamen mit Beton, Beton und noch mehr Beton, ich hab geschrien, wer soll das zahlen", beschreibt Heßdörfer die Situation. Tatsächlich hatte sich die Finanzplanung für das Bauprojekt inzwischen mehr als verdoppelt. Aus den anfangs kalkulierten 800.000 Euro waren 1,6 Millionen Euro geworden.
95 Prozent des Bauprojekts gemeistert
Wie großzügig die Fördersummen für das Projekt ausfallen könnten, ist noch schwer zu sagen. Architekt Rainer Tropp weiß: "Sie standen mit dem Bau im Fördersystem leider zeitlich zwischen den Stühlen. Das eine Förderprogramm war vor Baubeginn gerade ausgelaufen, das andere startete erst kürzlich, als die wirklich kostspieligen Schritte schon durch waren."
Heßdörfer und von Olnhausen sehen sich nach aufregenden Jahren heute bei 95 Prozent Baufortschritt. Einige Details stehen aber noch aus. Im obersten Stockwerk des Wohnhauses stehen noch etliche Quadratmeter bislang ungenutzter Platz zur Verfügung. "Hier könnten zum Beispiel auch mal Enkelkinder schlafen, wenn sie zu Besuch sind", überlegt Heßdörfer und zeigt im Anschluss seine großflächige Dachterasse mit dem Panoramablick nach Zellingen.
Noch gibt es kein klares Konzept für den windgeschützten Innenhof. Geht es nach den Eigentümern, soll dieser aber bald gewerblich genutzt werden. "Den wollen wir mit Leben füllen und ab und zu kleine Veranstaltungen wie Weinproben oder Glühweinpartys abhalten", sagt von Olnhausen, die selbst lange eine Besenwirtschaft organisiert und dort gekocht hat. Diese Events sollen auch die Bewohner der Ferienwohnung bespaßen, die ab Januar 2024 vermietet wird.
Weine von 1947 könnten wie in Schatzkammer gelagert werden
Auch der Gewölbekeller hält bislang unverwirklichte Möglichkeiten bereit. Burkard Heßdörfer, der 30 Jahre lang Vorstand des Winzer- und Weinbauvereins Retzbach war, hat über 40 Jahre Wein im Gewölbekeller seiner Eltern gesammelt. "Da sind Weine von 1947 bis heute dabei, die hier ab nächstem Jahr wie in einer Schatzkammer eingelagert werden sollen", erzählt er. Außerdem könne sich Heßdörfer auch im Gewölbekeller Weinproben vorstellen.
Tropp hat das Projekt rückblickend gerne begleitet – auch wenn es statisch anspruchsvoll war, da sich die alte Bausubstanz generell schlecht untersuchen lässt. Das Durchhaltevermögen von Heßdörfer und von Olnhausen hat den Aschaffenburger nachhaltig beeindruckt: "Ich will die Leute immer bei Mut halten, solche Projekte umzusetzen. Was von den beiden geleistet wurde, ist einfach enorm."
Außer dem alten Torbogen zur Straße hin (den man jetzt auch noch in schreiendem Gelb gestrichen hat) und dem Gewölbekeller ist doch von dem alten Anwesen nichts mehr übriggeblieben. Die Fotos machen das deutlich.
Und schaut man sich den alten Laubengang und den neuen Laubengang heute auf den Fotos an, möchte man fragen: Wo war da der Denkmalschutz? Da wurde doch alles weggerissen, was alt war.
Sorry, aber aus der Sicht des Denkmalschutzes ist das Objekt jedenfalls keine gelungene Sanierung. Glänzende Dachziegel, unpassende Fensterformate, übergroße silberfarbene Garagensektionaltore. Es sieht aus wie ein Neubau. Und dann noch der übergroße weithin sichtbare pinkfarbene Gartenzwerg.
Das darf man sich dann bei Weinproben und Glühweinpartys schön trinken.
Aber davon abgesehen, hätte ich in diese Gebäude keinen einzigen Cent reingesteckt, denn sie liegen am Nordhang des steil aufsteigenden Benediktus-Berges, also nullkommanull Sonneneinstrahlung, außer vielleicht im Sommer, spät abends.