Cristovao Santos klingt entspannt: "Wir sind gerade in Biarritz in Frankreich und genießen das Meer. Die Kinder lieben es hier. Vielleicht bleiben wir noch ein paar Tage, dann geht es weiter nach Spanien und Portugal." Dass der Rienecker, seine Frau Marina und ihre beiden Söhne Damian (7) und Liam (4) ihren Urlaub derart flexibel gestalten können, liegt daran, dass sie mit dem Wohnmobil unterwegs sind. Aber nicht mit irgendeinem Wohnmobil: Auf dem Nummernschild des Fiat Ducato 280 prangt an letzter Stelle der Buchstabe "H", der ihn als "historisch" ausweist.
Das weiß lackierte Gefährt aus dem Jahr 1990 mit dem zum Heck hin etwas verblassten roten Seitenstreifen gilt damit per TÜV-Definition als Oldtimer mit historischem Wert. Attribute, bei denen man zunächst eher an verchromte Stoßstangen und glänzenden Lack denkt. Doch das H-Kennzeichen kann für jedes Fahrzeug beantragt werden, das vor mindestens 30 Jahren erstmals zugelassen wurde und zu mindestens 90 Prozent aus originalen oder originalgetreuen Bauteilen besteht.
"Es muss alles so original wie möglich sein", erklärt Cristovao Santos beim Ortsbesuch im Sinngrund zwei Wochen vor Urlaubsantritt. Bei Umbauten oder Tuning habe man jedoch einen Spielraum von zehn Jahren nach der Erstzulassung des Fahrzeugs. "Ein CD-Radio konnten wir uns einbauen, bei einem MP3-Gerät wäre das H-Kennzeichen weg."
Oldtimer-Kennzeichen bietet einige Vorteile
Dass dies nicht passiert, darauf legt der 45-Jährige großen Wert, denn mit dem Oldtimer-Kennzeichen gilt ein geringerer Steuersatz und man ist auch ohne grüne Feinstaubplakette berechtigt in Umweltzonen einzufahren. "Diese Freiheit wollten wir auf jeden Fall haben", begründet Santos die Kaufentscheidung. Ausschlaggebend für die Anschaffung im Jahr 2021 war neben Marina Santos' Flugangst jedoch vor allem der günstige Preis von 3000 Euro – wobei der Vorbesitzer ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass darüber hinaus noch Reparaturkosten anfallen würden.
Damit hatte der Partensteiner, nach dem Familie Santos das Wohnmobil "Jürgen" getauft hat und von dem weiterhin das Partensteiner Ortswappen auf der Eingangstüre klebt, nicht zu viel versprochen: "Über unsere Pannenserie kann man ein Buch schreiben", befindet Marina nüchtern. "Das ging direkt auf unserer ersten großen Fahrt nach Portugal los", erinnert sich die 38-Jährige. Das Gefährt mit der über 2000 Kilometer langen Route einzuweihen, habe dabei bereits vor dem Kauf festgestanden, da ihr Mann 1997 von Portugal nach Main-Spessart ausgewandert war und seine noch dort lebende Mutter den damals einjährigen Liam habe kennenlernen wollen.
Auf der ersten großen Fahrt startete die Pannenserie
"Bis Frankreich lief alles gut, dann klapperte es plötzlich und der Auspuff hat auf dem Asphalt geschleift", erzählt die gebürtige Rieneckerin, "und fast zeitgleich hatten wir auch noch einen Platten", fügt sie hinzu und lacht. Während der Reifen rasch repariert war, musste Cristovao in einem nahegelegenen Dorf Draht besorgen, um den losen Auspuff notdürftig zu fixieren. "Es war Samstag und wir wollten es vermeiden, bis Montag auf eine Werkstatt warten zu müssen", sagt Marina.
In Portugal schweißte ihr Mann dann den Auspuff und "Jürgen" absolvierte klaglos einen Abstecher an die Algarve. Auf der Rückfahrt indes strandete die Familie nach einem Pinkelstopp erneut in Frankreich: "Als wir wieder losfahren wollten, ging nichts mehr", berichtet Marina Santos. Mehr als Abschleppen vor eine Vertragswerkstatt war vonseiten des ADAC an dem Freitagabend nicht zu erwarten und so machte sich Cristovao erneut selbst daran, das Wohnmobil wieder zum Laufen zu bringen – ohne Strom, Licht und Kühlschrank und mit zwei nörgelnden ein- und vierjährigen Jungs im Hintergrund.
In dem Moment, als am Samstag schließlich das notgedrungen angeforderte Taxi vorfuhr, um die Familie übers Wochenende in ein Hotel zu bringen, kam dem Hobbymechaniker, der das Schrauben von seinem Vater gelernt hatte, ein Geistesblitz: "Als ich Marina fragte, ob ich sie die Papiere aus dem Handschuhfach eingepackt hat, ist mir eingefallen, dass sich dort ja auch die Sicherungen befinden", erinnert sich Cristovao. Und siehe da: In dem Moment, als zwei verbrannt riechende Sicherungen ausgetauscht waren, startete das Wohnmobil wieder ohne Probleme.
10.000 Euro haben die Santos' bereits in Reparaturen gesteckt
Diese Episode steht symptomatisch für das Leben und Reisen mit dem alten Fiat. 10.000 Euro haben die Santos' mittlerweile für Reparaturarbeiten an ihrem Wohnmobil aufgewendet – unter anderem aufgrund eines Wasserschadens im Bad und einer defekten Kupplung. Für die hatte das Fahrzeug sechs Wochen in der Werkstatt verweilen müssen, da es gar nicht so einfach ist, originalgetreue Ersatzteile für den Oldtimer zu bekommen.
Wie sehr die Familie an ihrem "Jürgen" hängt, machte diese Trennungszeit nur umso bewusster. "Das war die beste Anschaffung, die wir jemals gemacht haben und wir bereuen kein Geld, das wir da reininvestiert haben", sind sich Marina und Cristovao einig. Das "Bummeli", wie es Junior Liam liebevoll nennt, nutzen die Santos' nämlich nicht nur für große Fahrten, sondern "so regelmäßig, wie es geht", erklärt Cristovao, der dem Wohnmobil auch einen eigenen Instagram-Auftritt gebaut hat. So übernachten sie etwa nach dem Schwimmbadbesuch in Karlstadt auf dem angrenzenden Campingplatz, in Lohr auf der Mainlände oder bei Freunden auf dem Hof.
Wohnmobil ist und bleibt Teil der Familie
Als Marina im vergangenen Jahr mit Damian, ihrem Ältesten, dessen bestem Freund und seiner Mutter drei Minuten von zu Hause entfernt am Schaippacher Sportplatz gecampt hatten, habe sich ihr Sohn im Anschluss überschwänglich für "den schönsten Urlaub, den wir je gemacht haben" bedankt.
Und das Wohnmobil soll die Familie auch noch auf weitere Reisen begleiten. Was die Kinder freut, sehen Cristovao und Marina Santos mit einem lachenden und einem weinenden Auge: "Wir hatten jetzt gedacht, dass wir es verkaufen müssen, weil ich mit Zwillingen schwanger war. Aber da hat jetzt bei einem das Herzchen aufgehört zu schlagen. Jetzt können wir es eigentlich behalten, für fünf geht's", sagt Marina und lächelt traurig.
Das schweißt zusammen, bei so engem Raum!
...Und solange die Jungs das locker mitmachen, ist das doch super...
(Mein Beileid zu eurem Verlust, kenne das leider auch😔)
Viel Spaß und Glück bei euren zukünftigen Reisen...🚐☀️
Liebe Grüße aus Bergrothenfels
Daniela 🌻☀️