Am 11. Oktober feiert Helmut Viering seinen 80. Geburtstag. Der Rückblick zeigt ein vollgepacktes, erfülltes Leben. 1940 wurde Helmut Viering in Zimmern geboren. Hier lebte er fünf Jahre und verbrachte auch später oft seine Ferien dort. Bis er in Marktheidenfeld sesshaft wurde zog es ihn nach Faulbach, Heimbuchenthal und Lohr. Mit 20 Jahren wurde er jüngster Ingenieur Bayerns, durchlief anschließend die Ausbildung zum Offizier der Deutschen Luftwaffe und machte dann nach dem Diplom-Ingenieur noch den Diplom-Betriebswirt. 1970 trat er in die Firma Udo Lermann ein, wurde Juniorpartner, übernahm sie nach dem Tod Lermanns 1996 ganz. Er beherrscht sechs Instrumente, spielt im Kammermusikkreis, in der Maradixie-Jazzband, im Rotary-Orchester. Er war Leichtathlet und Fußballer, spielt Tennis und Golf, fährt Ski und war – ganz nebenbei – noch Familienvater mit zwei Kindern.
Helmut Viering: Ich bin in Zimmern aufgewachsen. Dort habe ich die letzten Kriegsjahre erlebt. Aber auch das Arbeiten gelernt: In der Bäckerei, in der Landwirtschaft, in der Gastwirtschaft. Früh um halb Vier ging es los in der Backstube, um halb Neun ist eingespannt worden, dann ging es "die Steech nuff", abends haben wir Studierende bewirtet, die im Heuschober bei uns übernachtet haben.
Viering: Ich denke schon. Das hat mich sehr geprägt. Ich habe das nicht anders gekannt. Rund um die Uhr ist gearbeitet worden, auch Samstag, Sonntag. Und ich habe das nicht als Plackerei empfunden Das schöne war: Ich habe dadurch auch viele Leute kennengelernt. Zum Beispiel den Pianist Horst Franke, den Arrangeur von Willy Berking. Der war mit Gästen aus Frankfurt in Zimmern zum Zelten. Wir sind auf einem Ruderboot den Main hochgefahren. Er hatte seine Gitarre dabei und wir haben dazu gesungen. Ich hatte damals noch nicht so viel Ahnung von Harmonien, aber ich war unheimlich beeindruckt und animiert, mich musikalisch fortzubilden.
Viering: Mich hat manches im Leben sicherlich mehr Arbeit gekostet. Auch wegen meiner Herkunft. Mein Vater war zur damaligen Zeit einfacher Arbeiter. Wenn andere im Schwimmbad waren, habe ich gelernt. Ich hatte nur Mittlere Reife und das deutsche Bildungssystem war damals noch nicht so durchlässig wie das in der heutigen Zeit der Fall ist. Ich musste mir den Zugang zur TU Darmstadt mit Zusatzprüfungen "erkämpfen". Aber ich habe das nicht als Belastung empfunden, sondern als Ansporn. Mein Vater hat immer gesagt: Wir sparen für deine Ausbildung, du kannst alles machen, was du willst. Aber du hast immer nur eine Chance. So durfte ich auch neben dem Sohn des Lehrers als Einziger meines Jahrgangs aus meinem Ort Faulbach auf die Oberrealschule nach Miltenberg gehen. Später bei der Bundeswehr war ich auf der Offiziersschule. Dort war ich der einzige Nicht-Abiturient. Aber auch das hat meinen Ehrgeiz entfacht, weil ich gemerkt habe, die haben mir gegenüber einen Vorteil.
Viering: Ich habe in den Ferien immer gearbeitet, vom ersten bis zum letzten Tag. Und so habe ich mich auch bei Udo Lermann für eine Ferienarbeit vorgestellt.
Viering: Udo Lermann war Volksschüler. Aber was der für ein kaufmännisches Wissen hatte – das war unglaublich. Dazu war er der fleißigste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe. Er hat immer gearbeitet, nie Urlaub gemacht. Und er hat von seinen Mitarbeitern einiges verlangt: Um sieben Uhr durfte von den Monteuren keiner mehr im Betrieb, sondern schon auf dem Weg zur Baustelle sein. Auch galt er als absolut zuverlässig und vertrauensvoll. Er hat auch Leuten geholfen, ohne groß darüber zu reden. War für Mitarbeiter da, die sich für ihn ins Zeug gelegt haben. Auch wenn er sonst sehr streng war.
Viering: Er hatte mich ja eingestellt, um in seine Fußstapfen zu treten. Aber ob ich das auch wollte und mental dazu in der Lage war, das hat sich erst nach vier, fünf Jahren, Mitte der Siebziger Jahre herausgestellt.
Viering: Ich war auch keiner, der zu wenig gefordert hat von seinen Mitarbeitern. Aber ich hab mich immer bemüht, fair und ehrlich zu sein. Ich würde aber nicht sagen, dass ich mir das von ihm abgeguckt habe. Das ist mein eigenes Naturell, dass ich nicht verstehen kann, wenn jemand seinen Job nicht richtig macht.
Viering: Meine Kinder wollten beide nicht aktiv in das Unternehmen einsteigen. Meine Tochter Pia ist Fachärztin für Anästhesie und lebt in Hildesheim. Mein Sohn Ingo lebt in München und hat dort eine eigene Firma und ist Professor für Elektrotechnik und Nachrichtentechnik. Ich habe ihre Entscheidungen akzeptiert und wir haben nach einer Lösung gesucht. Zum einen habe ich meinem Sohn 2012 schon sämtliche Geschäftsanteile an den Firmen Udo Lermann übertragen. Dann haben wir beschlossen, dass wir Veränderungen herbeiführen müssen, für das Kaufhaus und für die Fachmärkte. Die Lösungen sind aber noch im Gange, deswegen kann ich nicht offen darüber reden. Eine Entscheidung ist ja schon getroffen: Der Elektrofachmarkt wird am E-Center neu angesiedelt. Und das Udo Lermann Areal in der Innenstadt wird von einer erfahrenen Immobiliengesellschaft überplant und neu entwickelt. Wir haben aber auch hier die Zusage gemacht, uns nicht zu äußern.
Viering: Ich hoffe, dass ich die Erleichterung noch finde. Momentan arbeite ich mehr als jemals zuvor. Aber auch, weil der Neubau des Elektrofachmarktes meine Aufgabe ist. Privat allerdings, das hat mit der Firma Udo Lermann nichts zu tun. Aber die Entscheidung war absolut richtig.
Viering: Mein Umfeld sagt, ich müsste kürzer treten und könne nicht so weiter machen. Ich selbst würde mir auch gerne mal einen Tag frei gönnen und Golf spielen gehen, aber das geht momentan noch nicht, höchstes am Wochenende. Das Arbeiten allein ist für mich auch überhaupt kein Problem. Das schwierige und anstrengende sind die Entscheidungen. Die trägt man mit sich rum, auch manchmal nachts. Die wägt man ab und betrachtet sie von allen Seiten.
Viering: Ich betrachte es als das größte Glück auf Erden, wenn man in einem familiären und freundschaftlichen Umfeld lebt, wo es keine Nickligkeiten gibt, also Neid oder unausgesprochene Zwistigkeiten. Bei uns verstehen sich die Kinder und die Enkel. Ich habe eine Partnerin seit 25 Jahren, die passt gut dazu. Ich schöpfe auch viel aus der Musik. Letztes Jahr haben wir mit dem Rotary-Orchester in der Elbphilharmonie in Hamburg zwei Konzerte gespielt vor internationalem Publikum. Das war ein absolutes Highlight. Auf solche Ereignisse lebe ich hin. Leider spielt momentan mein Zeigefinger wegen Arthrose nicht mehr so gut mit.
Viering: Sehr positiv. Wir haben eine unglaublich gute diversifizierte Industrie-Besetzung, das heißt wir sind nicht so mono-strukturiert wie beispielsweise Lohr. Wenn dort Rexroth einen Schnupfen hat, dann hat Lohr gleich eine Lungenentzündung. Das ist der Vorteil von Marktheidenfeld und das spiegelt sich in den Gewerbesteuereinnahmen. Wir haben gute Voraussetzungen, wenn die gut genutzt werden, ist es mir um die Zukunft von Marktheidenfeld nicht bange.
Viering: Da müssen Sie die Stadt fragen. Der Ball liegt bei der Stadt. Damals ist ein Vertrag gemacht worden, den haben wir erfüllt. Wir haben alles getan, um eine Disco zu bauen. Die Disco-Szene ist aber in den letzten vier Jahren „abgestürzt“. Die Wirtschaftlichkeit war nicht mehr gegeben. Eigentlich müssten wir in der jetzigen Corona-Zeit alle froh sein, dass es so kam. Denn anders hätten wir jetzt eine sehr teure Ruine dort draußen stehen. Wir hoffen auf eine einvernehmliche Lösung.
Viering: Ich hatte eine größere Feier geplant, die hab ich abgesagt. Ich hab auch keine Lust mit Abstand und Maske zu feiern. Mit der engsten Familie werden wir uns wohl in einer Ferienwohnung irgendwo treffen. Da ist was im Busch und da freue ich mich drauf.