Auf dem Grundstück von Michael Dorsch fahren Züge der Deutschen Bahn. Weit über fünf Jahre hat es gedauert, bis ihm der Bahn-Konzern den Entwurf eines Kaufvertrags vorgelegt hat. Doch ein Anteil des Ackers unter den Gleisen gehört noch immer dem 72-Jährigen.
Im Oktober 2017 hatte sich ein von der Bahn beauftragtes Ingenieurbüro an den Rentner aus dem Landkreis Main-Spessart gewendet. Für eine neue Eisenbahnstrecke werde sein Grundstück am Rande der Gemeinde Kemmern im oberfränkischen Landkreis Bamberg benötigt. Die Strecke wurde gebaut, seit April 2022 fahren dort nun schon Regionalbahnen, Güterzüge und ICE. Ein Vertrag zwischen Dorsch und der Bahn für das Grundstück war aber nicht zustande gekommen.
Deutsche Bahn äußert sich nicht zu den Gründen der Wartezeit
Im Februar 2023 teilte die Deutsche Bahn auf Anfrage mit: "Sofern Einigkeit mit allen Eigentümern erzielt werden kann, gehen wir davon aus, dass im ersten Halbjahr 2023 ein Kaufvertrag bahnseitig abgeschlossen werden kann." Die Gründe für die lange Wartezeit erläuterte das Unternehmen auch auf Nachfrage nicht.
In einer Erbengemeinschaft mit zehn weiteren Personen hatte Dorsch die 2350 Quadratmeter große brachliegende Wiese bei Kemmern vermacht bekommen, die inzwischen mit Gleisen bebaut ist. Laut dem Angebotsschreiben des Ingenieurbüros aus dem Jahr 2017 hatte ein Sachverständiger den Wert des Wiesenstücks auf rund 4700 Euro geschätzt. Die Erbengemeinschaft stimmte damals einem sogenannten Bauerlaubnisvertrag zu, weil die Erben dem Projekt nicht im Weg stehen wollten und die Fläche nicht benötigten.
Selbst einen Vertragsentwurf beim Ingenieurbüro vorgelegt
Etliche Male habe er dann bei der Bahn nachgefragt, wann und wie es hinsichtlich eines endgültigen Kaufvertrags weitergehe, sagt Dorsch. Weil nichts voranging, ergriff der Rentner aus Main-Spessart schließlich die Initiative und legte dem von der Bahn beauftragten Ingenieurbüro im Januar 2022 den Entwurf eines Kaufvertrags vor, ausgearbeitet von einem Notariat.
Auch das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat Dorsch inzwischen über die Verzögerungen informiert. Die Aufsichtsbehörde über private und staatliche Eisenbahnunternehmen, sagt der 72-Jährige, habe dann Kontakt zur Deutschen Bahn aufgenommen.
Ende Juli erhielt Michael Dorsch nach langem Warten tatsächlich Post: der lang ersehnte Vertragsentwurf kam zurück. "Wortgleich", sagt der 72-Jährige, habe man ihm den Vorschlag unterbreitet, den er rund eineinhalb Jahre zuvor gemacht hatte. "Warum das so lange gedauert hat, ist für mich nicht nachvollziehbar", ärgert er sich. Eine erneute Anfrage dieser Redaktion an die Deutsche Bahn zu den Hintergründen bliebt unbeantwortet.
Das Grundstück in Oberfranken kann immer noch nicht verkauft werden
Die Erben pochen jetzt auf eine Auflistung der über die Jahre aufgelaufen Zinsen von der Bahn, die ihnen bislang nicht zugesandt worden sei. Mehrere hundert Euro sind nach Dorschs Berechnungen inzwischen zusammengekommen. Aber selbst wenn man sich darüber in Kürze mit der Bahn einig werden würde – verkaufen können die Erben die Wiese an den Konzern dann immer noch nicht.
Denn: Weil ein Mitglied der Erbengemeinschaft vor kurzem gestorben ist, muss der Anhang des Vertrags überarbeitet werden. Zwei Erben kommen hinzu, weitere Behördengänge zum Nachlassgericht und Grundbuchamt sind notwendig. Wieder müssen sich die Erben in Geduld üben. Michael Dorsch hofft jetzt, dass bis Ende 2023 die Unterschriften unter dem Vertrag gemacht sind.
Wenn mir ein Nachbar erlauben würde auf seinem Grund zu bauen täte ich das auch einfach ohne einen Kaufvertrag anzubieten.