Gerade erst wird die bestehende Strecke saniert. Doch die Deutsche Bahn steht bereits in den Startlöchern für eine komplett neue Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Würzburg und Nürnberg. Mit bis zu 300 km/h sollen die Züge hier in Zukunft über die Gleise rauschen. Angepeilt ist eine Fahrzeit von nur noch 29 Minuten, wo man derzeit eine knappe Stunde braucht.
So sieht es als Zielvorgabe der "Deutschlandtakt" vor – ein bundesweit abgestimmter Taktfahrplan, der 2018 von der Bundesregierung auf den Weg gebracht und vor zwei Jahren als vordringlich im Schienen-Bedarfsplan eingestuft wurde. Das Prinzip: "Erst der Fahrplan, dann die Infrastrukturplanung". Das Schienennetz soll so ausgebaut werden, dass Züge überall im Land in einem verlässlichen Stunden- oder Halbstundentakt fahren. Gute Anschlüsse zwischen Nah- und Fernverkehr sollen sichergestellt und Kapazitäten – auch für den Güterverkehr – erhöht werden.
Bund hat der Bahn den Planungsauftrag für die Neubaustrecke in Franken erteilt
Eine Umsetzung des Deutschlandtakts bis 2030 und eine Verdoppelung bei den Fahrgastzahlen, wie 2018 vom damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) propagiert, hat sich zwar als utopisch herausgestellt. Im März 2023 nannte das Bundesverkehrsministerium nun das weit entfernte Zieljahr 2070 bei Kosten von 50 bis 60 Milliarden Euro. Dennoch werden jetzt Weichen für kleinere Ausbaumaßnahmen und für einige Großprojekte gestellt. Darunter: die ICE-Neubaustrecke Würzburg-Nürnberg mit bereits vor fünf Jahren veranschlagten Kosten von 5,7 Milliarden Euro.
Die Bahn habe dafür im Mai vom Bund den Planungsauftrag erhalten und stelle derzeit ein Planungs- und Projektteam zusammen, bestätigt ein Konzernsprecher. Nach derzeitigem Stand werde die Bahn 2024 mit der Grundlagenermittlung starten. Dazu gehören erste Gespräche mit betroffenen Kommunen und die Einbindung der Bevölkerung.
"Nirgendwo sind die Widerstände so stark wie gegen Schnelltrassen für den Bahnfernverkehr", sagt ein Sprecher des Berliner Verkehrsministeriums. Die Neubaustrecke Würzburg-Nürnberg werde für den Deutschlandtakt gebraucht. Sie soll Tempo, eine bessere Anbindung an beiden Zielbahnhöfen und mehr Kapazität auf dem gesamten Korridor bringen, der laut Ministerium "bereits im Ist-Zustand überlastet ist".
Als nächstes muss der Bundestag die Schnellstrecke – wie alle anderen Projekte des Deutschlandtaktes – als konkrete Einzelmaßnahme in die Anlage zum Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) aufnehmen. Dem Sprecher zufolge ist dies eine Formsache, das Kabinett habe bereits zugestimmt.
Zum Zeithorizont für die Neubaustrecke Würzburg-Nürnberg wollen sich weder Bahn noch Ministerium äußern. In der Vergangenheit hätten Bahngroßprojekte häufig 20 Jahre gebraucht. Man wolle hier beschleunigen, so der Sprecher im Verkehrsministerium. Doch werden voraussichtlich Jahre ins Land gehen, bis die ersten Bagger und erst recht die ersten Züge rollen. Der Planungsprozess ist äußerst komplex.
Auf die Grundlagenplanung folgt eine Vorplanung mit möglichen Trassenvarianten. Sie werden in einem Raumordnungsverfahren untersucht. Für eine Vorzugsvariante wird dann das Planfeststellungsverfahren beim Eisenbahnbundesamt beantragt. Erst nach dessen Abschluss besteht Baurecht.
Trassenverlauf: eine Schnellstrecke entlang der Autobahn A3?
Wo genau die Schnelltrasse zwischen Würzburg und Nürnberg verlaufen wird, ist noch unklar. Wegen der geplanten Anbindungen in Fürth-Bislohe mit einem neuen Fernverkehrstunnel sowie Rottendorf – mit einem zusätzlichen Gleis nach Würzburg für 264 Millionen Euro – spricht aus Sicht von Experten aber einiges für eine Trasse entlang der Autobahn A3. Vorbilder wären die Hochgeschwindigkeitstrassen an der A9 zwischen Nürnberg und München oder an der A3 von Frankfurt nach Köln.
Durch weitere Aus- und Neubauten soll sich die Fahrzeit zwischen Frankfurt und Nürnberg von derzeit rund zwei Stunden auf eine Stunde und 22 Minuten verkürzen. Dazu soll auch die Strecke zwischen Heigenbrücken im Spessart und Nantenbach zweigleisig für eine Geschwindigkeit von 230 km/h neu gebaut werden – inklusive Spessarttunnel. Kosten hier: rund 1,5 Milliarden Euro.
Als kleinere Maßnahmen sind Puffergleise an den Bahnhöfen Würzburg und Gemünden geplant sowie Richtung Nürnberg ein zusätzliches Wendegleis in Neustadt/Aisch.
Bund Naturschutz hält Milliardenprojekt nicht für verhältnismäßig
Signaltechnik, Brücken, zusätzliche Abbiege-, Überhol- und Wendegleise, angepasste Bahnhöfe: Solche überschaubaren Maßnahmen befürwortet auch der Bund Naturschutz (BN) in Bayern. Der Umweltschutzverband kritisiert allerdings die geplanten milliardenschweren Großprojekte wegen ihrer hohen Kosten und der Eingriffe in die Natur.
Eine vom BN beauftragte Studie der Münchner Eisenbahnexperten Vieregg & Rössler kommt zu dem Schluss: Eine Neubaustrecke Würzburg-Nürnberg bräuchte deutlich weniger Tunnel, wenn man leicht höhere Steigungen zulassen würde. Die neue Anforderung aus dem Bundesverkehrsministerium, Neubaustrecken mit maximal acht Promille Steigung auszulegen, erhöhe Baukosten und CO2-Emissionen dramatisch.
Alternativ zu einer komplett neuen Trasse Würzburg-Nürnberg könne auch die bestehende Verbindung mit Neubauabschnitten zwischen Siegelsdorf und Neustadt/Aisch sowie von Iphofen nach Rottendorf ertüchtigt werden. Dann würden laut BN die Züge zwar nicht durchgehend 300 km/h fahren, dafür wäre die Strecke kürzer.
Bund Naturschutz: Kleine, leicht umsetzbare Projekte bringen wirkliche Verbesserungen für Bayern
Die Studie zeige, "dass es nicht die großen, teuren und klimaschädlichen Bauprojekte sind, die schnelle und wirkungsvolle Verbesserungen für den Freistaat bringen, sondern die kleinen, leicht umzusetzenden Projekte", sagt Bayerns BN-Chef Richard Mergner. Sie müssten Priorität haben, um die Verkehrswende schneller voranzubringen.
Den Sinn einer neuen Schnellstrecke Würzburg-Nürnberg zweifelt Mergner an. "Der Aufwand für eine Fahrzeitverkürzung auf eine halbe Stunde ist massiv." Dies binde Kapital und Planungskapazität, "während der Rest auf der Strecke bleibt".
Statt 59 Minuten nur noch 29 - also eine Halbierung der Fahrzeit ist auch eine massive Reduzierung der Fahrtzeit - die eine massive Investition rechtfertigt!
Eine Neubaustrecke hilft u.a Güter auf die Bahn zu verlagern, Verspätungen & Fahrzeiten zu vermindern & mehr Personenzüge zu fahren. Viele Menschen können z.B. nach Wien vom Flieger oder PKW verlagert werden.
Der VCD e.V. (www.vcd.org) hat auf allen Ebenen seit über 30 Jahren für einen integralen Taktverkehr (IT) nach Vorbild der Schweiz gekämpft, der nun mit dem Deutschlandtakt kommt.
29 min sind mathematich nötig. Der VCD wird die Planungen konstruktiv begleiten & sich als Umweltverband für eine naturverträglich Trassierung & rasche Umsetzung einsetzen.
Eine direkte Führung mit Bündelung zur Altstrecke zwischen Iphofen & Neustadt/Aisch wird ggf. auch keine Geschwindigkeit von 300 km/h erfordern.
Verzögerung der Realisierung der Bahnstrecke bedeutet Bau/Ausbau weiterer Straßen, das kann auch der BN nicht wollen.
1) Rundumanschlüsse in Würzburg & Nürnberg dann nur bei Linien im Halbstundentakt gewährleistet
2) Fahrzeitverkürzung dann nur minimalst (technische Reisezeit mit ICE jetzt ca 52 min)
3) Die Festlegung auf Kantenzeit <30 min inzwischen fix ist (am 3. Referentenentwurf werden nur noch Regionalverkehre optimiert). Vgl auf
https://www.deutschlandtakt.de/downloads-und-presse/downloads/#articlefilter=alle
nach unten scrollen die "Netzgrafik 3. Entwurf Bayern", Hochgeladen am 29.06.2020
Auch mit < 30 min wird es raumverträgliche Detailplanungen bei einigen potentiellen Korridoren geben. Wasserschutzgebiete und Wälder können geschont werden. Das zeigen z.B. aktuell die Planungen für den Brennerzulauf im Raum Rosenheim.
Wenig sinnvoll sind dagegen Vorfestlegung auf 4-gleisigen Ausbau Würzburg - Rottendorf wegen erheblichen Eingriffen in den Bau-Bestand, schwierige Bauabwicklung & Trassenkonflikten im Ostzulauf auf den Hbf Würzburg.
Aktuell wird ja die bestehende Strecke grundlegend ertüchtigt.
Vermutlich wäre es sinnvoller (gewesen?),
bei rechtzeitiger und vernünftiger Planung, die bestehenden Gleise um ein weiteres zu ergänzen.
Da hätte Regionalverkehr, Güterverkehr und Fernverkehr gleichmäßig Nutzen davon.
Eine Neubau-Hochgeschwindigkeits-Strecke nur für den ICE bedient lediglich Größenwahn und bringt vielleicht noch einen geringen Nutzen für Fernreisende, eine allgemeine Stärkung des Bahnverkehrs für Alle kann ich so leider nicht erkennen.
Das Gesamtkonzept kommt mir vor wie ein Planungsfehler aus einer Zeit, als Verkehrsminister grundsätzlich nur aus Bayern kommen durften.
da fehlt ihnen das Fachwissen. Bestandsstrecken müssen in Intervallen saniert werden & machen daher eine weitere Strecke, die diese Relation bedient nicht entbehrlich.
Wie u.a. auf der Seite https://www.ulm-augsburg.de/
nachlesen werden kann, gibt es keine 3-gleisigen Strecken, sondern nur "2+1 Gleise", die gegenüber einer 2-gleisigen Strecken nur ca 20% mehr Leistung bringen. Daher ist man u.a. davon abgekommen, Augsburg - Dinkelscherben 3-gleisig zu bauen & erst dann dort eine NBS nach Ulm anzuschliessen & baut 2 neue Gleise auf der Gesamtstrecke.
Eine Bestandstrecke mit 1 oder 2 neuen Gleisen daneben auszustatten ist nur in einigen Bereichen sinnvoll wegen Eingriff in Bausubstanz, mehr Lärm & Erschütterung, unnötiger Umwege bei kurvigen Strecken & schwieriger Baulogistik, u.a. auch mit Gesamtsperrungen der Bestandsstrecke. Über die NBS werden neben ICEs/ICs auch Güterzüge fahren, von denen wir ja mehr haben vollen wegen der vielen LKWs.
ich lasse mich in punkto Fachwissen gerne belehren.
Meine grundlegenden Zweifel an einer kompletten Neubaustrecke für ICE anstatt des drei, gerne auch vierspurigen Ausbaus der Bestandsstrecke sind durch ihren Beitrag jedoch noch nicht völlig zerstreut.