Da staunt sogar der Archäologe. "Auf einer Wiese ist mir das so auch noch nicht begegnet", sagte Dr. Ralf Obst vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege bei seiner Volkshochschul-Exkursion zu Bodendenkmälern am Samstag unterhalb von Hofstetten. Was ihn so erstaunte, waren alte Streuobstwiesen mit parallel laufenden Obstbaumreihen, die in gleichmäßigen Abständen auf sich zum Main hinziehenden Wölbungen stehen. "Sehr spannend", urteilte Obst, der davon ausgeht, dass dies Reste mittelalterlicher Wölbäcker, also gewölbter Ackerbeete, sind, offenbar erhalten durch die Obstbaumreihen. Solche Reste fänden sich sonst eher im Wald, wo sie nicht von moderner Landwirtschaft eingeebnet wurden. Doch war dies nur ein Nebenbefund der Exkursion, an der rund 30 Interessierte teilnahmen.
Karten werden mit Laserscans erstellt
Ein weiteres interessantes Ergebnis war, dass eine für Laien unscheinbare, für Experten aber auffällige kreisrunde, leicht erhöhte Formation im Hofstettener Wald am Hang nahe der Gemündener Mainbrücke wohl tatsächlich, wie von Teilnehmer Thomas Höfling vermutet, ein Hügelgrab ist. "Da liegen große Steine obendrauf, das ist schon mal sehr auffällig", urteilte Obst, "es sieht vom ganzen Aufbau wie ein Grabhügel aus." Außenherum sehe der Wald relativ gleichförmig aus, da steche der Hügel hervor, fand Obst. Höfling war der Hügel mit einem Radius von etwa acht Metern zuvor beim Betrachten der durch Laserscans erstellten Karte des Geländereliefs im online abrufbaren Bayernatlas/Denkmalatlas aufgefallen. Dort sind bestehende sogenannte Bodendenkmäler rot eingezeichnet, der Hügel war aber bislang unbekannt. Es hat sich also gelohnt, dass sich die Teilnehmer durchs Unterholz schlugen.
"Wenn man da jetzt buddeln würde, würde man was finden?", fragte Exkursionsteilnehmer Klaus Alex auf dem Hügel stehend. "Buddeln darf man nicht, man könnte höchstens eine archäologische Grabung durchführen", sagte Ralf Obst. Statt einer Grabung böten sich heute aber auch geophysikalische Methoden an, durch die ein Grabhügel nicht zerstört wird. Vor 100 Jahren hätten etwa Pfarrer oder Lehrer durch ihre Grabungen viel zerstört, sie seien vor allem an Bronzefunden für daheim oder für den Verkauf interessiert gewesen. Ob der jetzt entdeckte auch schon einmal ausgegraben wurde, sei unklar. Obst beunruhigte, dass die Steine so verkippt daliegen. Auch heute sei die Schatzsucherei leider ein Volkssport, bei dem viel zerstört werde.
Dem Eigentümer und der Gemeinde werde bald mitgeteilt, dass sie jetzt stolze Besitzer eines Bodendenkmals sind, sagte Obst. Ein solcher Grabhügel könne aus der Bronzezeit (1800 bis 1300 v. Chr.) oder von den Kelten aus der frühen Eisenzeit (800 bis 400 v. Chr.) stammen, das seien die beiden Perioden, in denen Grabhügel errichtet wurden. Die bestanden in der Regel aus einer hölzernen Grabkammer, um die herum und obendrauf Steine und Erde aufgeschüttet wurden. Zwei andere auffällige Punkte in der Nähe sah Obst aber nicht als archäologisch interessant an, einer war wohl eher aufgeschütteter Aushub vom Wegebau. Wenngleich Grabhügel am bewaldeten Hang gegenüber von Gemünden bisher unbekannt waren, sind sie für Obst nicht ganz überraschend. Schließlich verlaufe hier als Hohlwegfächer hinauf auf die fränkische Platte eine Verlängerung der uralten Birkenhainer Landstraße, an der sich ebenfalls Hügelgräber finden.
Drei weitere Siedlungen im Denkmalatlas zu finden
Bei Hofstetten und ein Stück Richtung Schönrain sind drei frühere Siedlungen als rote Flecken im Denkmalatlas eingetragen, zu den zwei mittelalterlichen führte Obst, die dritte ist aus der Eisenzeit. Die kleinste ehemalige Siedlung, heute teils Acker, teils Wiese, die als Fleck mit einem Durchmesser von 125 mal 120 Metern verzeichnet ist und schräg unterhalb von Hofstetten liegt, war eine vorgeschichtliche und vermutlich auch mittelalterliche Siedlung. Tatsächlich würde man Hofstetten näher am Main erwarten, sagte Obst. War hier ehedem eine eigene Hofstelle oder gar der Kern des heutigen Hofstetten, das irgendwann, nachdem es nach dem Jahr 1000 mit Hochwasser schlimmer wurde, höher hinauf gezogen ist?
Unterhalb vom Hofstettener Campingplatz liegt am Main ein 340 Meter langes Bodendenkmal, wo Funde aus der Jungsteinzeit und dem Mesolithikum gemacht wurden und wo bereits in der Eisenzeit eine Siedlung bestanden haben muss. Auf jeden Fall habe dort in den Jahren 700 bis 1350/1400 eine Siedlung gelegen. "Wir würden jetzt mitten im Ort stehen", sagte der Archäologe, als die Gruppe an einem Bildstock von 1878 steht. Die Siedlung wurde durch Funde in den 90er Jahren entdeckt. Die dort gemachten frühmittelalterlichen Funde können laut Obst mit den Funden aus dem damals wichtigen Karlburg mithalten, es muss also jemand dort gelebt haben, der sich das habe leisten können.
Nur spekulieren könne man darüber, wie dieser und der vorher besuchte verlassene Ort wohl geheißen haben, aber ein heißer Kandidat für die Wüstung ist "Spurca/Spurcaha". Dieser Name wurde in alten Urkunden zur Schönrain (1139 und 1159) erwähnt und zwischen Schönrain und Hofstetten verortet, in der von 1139 finden sich auch noch "Eigelmanneswert" und "Scutibach". Als Grund, warum der Ort aufgegeben wurde, fiele Obst das verheerende Magdalenenhochwasser von 1342 ein, das viele Orte in Mitteleuropa damals einfach wegspülte. Ein zur Wüstung gehöriger Friedhof wurde noch nicht gefunden, diesen vermutet der Archäologe weiter oben am Hofstettener Waldrand.
Exkursionsteilnehmer Klaus Alex ging während dieser Ausführungen seinem Forscherdrang nach und kam nach einer kurzen Suche an einem Ackerrand denn auch tatsächlich mit zwei Scherben zurück. Die gröbere sei wohl von einem kugelförmigen Essensgeschirr, die andere – dünnwandig und mit Resten roter Bemalung – sei ein typisches Beispiel für aus dem Rheinland importierte Pingsdorfer Keramik, die zwischen dem späten 9. und dem 13. Jahrhundert hergestellt wurde, befand Obst. Zweitere stammte wohl von einem aus dem Rheinland importierten Schankgefäß für Wein oder Most. Hofstetten hat seinen Mosttrinkern also einige interessante Einblicke in die Vergangenheit zu verdanken.