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Gräfendorf
Goldgräberstimmung in Gräfendorf: Große Mehrheit für die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft
Bürgermeister Johannes Wagenpfahl möchte auf Gräfendorfer Gemarkung drei Windräder realisieren. Eine Infoveranstaltung zeigte nun auf, wie alle davon profitieren können.
Beinahe 100 Prozent der Gräfendorferinnen und Gräfendorfer stimmten am Montagabend per Handzeichen für die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft.
Foto: Simon Hörnig | Beinahe 100 Prozent der Gräfendorferinnen und Gräfendorfer stimmten am Montagabend per Handzeichen für die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft.
Wolfgang Schelbert
 |  aktualisiert: 20.05.2024 02:40 Uhr

Gräfendorf ist auf dem besten Weg, eine Bürgerenergiegenossenschaft zu gründen. Bei der Stimmungsprobe zum Abschluss einer entsprechenden Infoveranstaltung am Montagabend hoben fast alle der mehr als 100 anwesenden Bürgerinnen und Bürger als Zeichen ihrer Zustimmung die Hand. Das Ergebnis dieser Abstimmung bestätigte Bürgermeister Johannes Wagenpfahl mit seiner Initiative und würdigte den Vortrag des geladenen Experten, den Geschäftsführer der Firma Agrokraft aus Bad Neustadt Michael Diestel.

Bürgermeister Johannes Wagenpfahl hatte schon bei den Bürgerversammlungen in den fünf Ortsteilen für eine Bürgerenergiegenossenschaft geworben und zu dem Informationsabend mit Diestel geladen. Dieser hat seit mehr als 20 Jahren Erfahrungen mit dezentralen Energiegewinnungsanlagen, die den Bürgern vor Ort oder dem nahen Umland gehören.

Er sprach von einer Zeitenwende, die das Aus für die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas bedeuten: "Mit erneuerbaren Energien können wir ländliche Räume entwickeln." sagte er in seinen Vortrag und nannte speziell die Nutzung von Photovoltaikanlagen auf Dach- und Ackerflächen, Wasserkraftanlagen, Windrädern, Biomasseanlagen, Hackschnitzelanlagen oder Erdwärme aus Boden oder Flüssen.

Profitieren sollen die Menschen vor Ort und nicht Großkonzerne und externe Investoren

Michael Diestel, Geschäftsführer der Agrokraft GmbH aus Bad Neustadt, sprach Klartext – auch im Hinblick auf mögliche Risiken des Unterfangens.
Foto: Simon Hörnig | Michael Diestel, Geschäftsführer der Agrokraft GmbH aus Bad Neustadt, sprach Klartext – auch im Hinblick auf mögliche Risiken des Unterfangens.

Entscheidend ist es für Diestel dabei, Großkonzerne und externe Investoren davon abzuhalten, den Kommunen und Menschen auf dem Land bei dem Aufbau von Energieanlagen das Heft aus der Hand zu nehmen. Vielmehr sollen sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort durch Finanz-Anteile selbst beteiligen: "Die Anlage müssen den Menschen vor Ort gehören", war der feste Standpunkt in seinem Vortrag. Ein anderer Slogan war der Satz: "Entweder der ländliche Raum organisiert sich oder er wird organisiert." Diestel meint damit den Abfluss der Gewinne aus den Anlagen und der Gewebesteuern für die Gemeinde. , falls sich die Bürger nicht engagieren.

Das möchte Bürgermeister Wagenpfahl tunlichst vermeiden. Diestel, der in der Projektentwicklung und in der Dienstleistung für Bürgerenergiegenossenschaften schon reichlich Erfahrung sammeln konnte, traf da mit seinem Vortrag genau den richtigen Ton. Er zeigte auf, wie an dem Beispiel von Großbardorf eine Genossenschaft gegründet und erfolgreich unterhalten wird. Mit dem Satz, "Erneuerbare Energie-Potentiale zu vergeben heißt 'Schürfrechte' zu vergeben", verdeutlichte er, welche Schätze die geeigneten Flächen für deren Besitzer und die Kommunen darstellen.

Bürgermeister Wagenpfahl hat seine Hausaufgaben gemacht

Von den Handlungsempfehlungen, die Diestel den Menschen in Gräfendorf an die Hand gab, hatte der Bürgermeister bereits einige im Vorgriff auf die Veranstaltung umgesetzt. So riet er seinen Bürgerinnen und Bürgern zur Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft. Er schlug drei eigene Windkraftanlagen auf Höhe des Eidenbacher Hofes vor, dazu eine Photovoltaikanlage in nächster Nähe und eine Photovoltaikanlage in Schonderfeld.

Bürgermeister Johannes Wagenpfahl hat die Umsetzung der Gräfendorfer Bürgerenergiegenossenschaft bereits klar vor Augen.
Foto: Simon Hörnig | Bürgermeister Johannes Wagenpfahl hat die Umsetzung der Gräfendorfer Bürgerenergiegenossenschaft bereits klar vor Augen.

In der rege geführten Fragerunde im Anschluss an den Vortrag erkundigten sich Bürgerinnen und Bürger unter anderem nach der Beteiligung oder Hindernissen im Zusammenhang mit der Bundesnetzagentur, dem erforderlichen neuen Umspannwerk oder der Umwandlung von überschüssigem Strom in Wasserstoff. Weitere Fragen waren die Möglichkeit eines Einspeisepunkts in die neue Trasse P43, die Kosten der Beratung und Projektierung, das Zeitfenster der Planung und Gründung der Genossenschaft, der Rendite der Anlage für die Anleger, der Investitionssicherheit oder der Möglichkeiten des Stromverkaufs und der Selbstnutzung.

Auch die kommunale Zusammenarbeit war in der Fragerunde ein Thema oder die Finanzierungsbeteiligungen. Es gab aber auch kritische Fragen zu der Umweltverträglichkeit der Windkraftanlagen und der Entscheidung der Gemeinde, dass Photovoltaikanlagen nicht einsehbar sein dürfen. Letztendlich überwog der Tenor in der Diskussion über die Wichtigkeit der Energiegewinnung aus vorhandenen natürlichen Quellen. Man könne damit seinen Beitrag leisten, die Klimaerwärmung zu verlangsamen, betonte Wagenpfahl.

Mischung aus verschiedenen Energiequellen nötig

Für eine profitable Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen sei "ein Strommix aus verschiedenen Energiequellen notwendig", erklärte Diestel. Wie diese Mischung aussehen soll und ob es auf Gräfendorfer Gemarkung in absehbarer Zeit Windräder geben wird, sollen möglichst die Bürgerinnen und Bürger vor Ort selbst entscheiden - und letztlich auch davon profitieren. Den ersten Schritt dazu hat Gräfendorf am Montagabend gemacht.

 
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