Da braut sich etwas zusammen im Spessart. Eineinhalb Jahre nachdem die Diskussion um einen möglichen Nationalpark Spessart beerdigt wurde, setzt sich der Streit um die legendäre Spessarteiche auf ganz andere Weise fort.
Nicht nur, dass die Naturschutzverbände die Einladung ausgeschlagen haben, im Beirat des Eichenzentrum-Projekts mitzuwirken. Diese Woche nun präsentierten sie überraschend einen Alternativstandort: das Jagdschloss Luitpoldhöhe an der Autobahnraststätte Rohrbrunn.
Kempf: „Eine ökologische Katastrophe“
Doch damit nicht genug: Statt der Eiche zu huldigen, fordern sie für das Bildungszentrum eine Umbenennung in „Spessartzentrum“ – und prangern in einem Atemzug die Strategie an, die die Bayerischen Staatsforsten im Spessart praktizieren. Deren „derzeit betriebene Eichenwirtschaft sehen die Naturschutzverbände sehr kritisch“, schreibt Bernd Kempf, Vorsitzender der Bürgerbewegung „Freunde des Spessarts“ und Vorstandsmitglied der Kreisgruppe Miltenberg des Bund Naturschutz in einer Pressemitteilung. Die Methoden der Eichennachzucht seien „eine ökologische Katastrophe“, kritisiert der Kleinwallstadter. „Sie produzieren Kahlschläge, zerstören Lebensräume und schädigen nicht nur die Böden sondern auch das Klima.“
Die Kritik untermauern die Naturschutzverbände in einer umfangreichen Dokumentation. Zahlreiche Fotos belegen, wie alte Buchenwälder „quasi vernichtet werden, um an ihrer Stelle plantagenartige, gleichaltrige Eichenmonokulturen anzulegen“. Diese Methode der Waldwirtschaft habe nichts mit Naturschutz zu tun und diene allein einer kurzfristigen Gewinnmaximierung.
Naturschützer sorgen sich um alte Buchen
Von Natur aus wäre die Eiche im Hochspessart nur mit einem Anteil von zwei bis drei Prozent an der Zusammensetzung der Baumarten beteiligt. Wegen des Klimas und der Böden sei ihr die Buche im Konkurrenzkampf weit überlegen. Durch die Waldwirtschaft über Jahrhunderte hinweg sei die Eiche heute jedoch auf 25 Prozent der Waldfläche vertreten. Damit gehe „ein dramatischer Verlust ursprünglicher und meist alter Buchenwälder einher“, führt Michael Kunkel aus Heigenbrücken in der Dokumentation aus.
Nun könne eine „maßvolle und waldpflegliche Eichennachzucht“ durchaus auch Naturschutzzielen dienen. Doch Eichen-Monokulturen auf durchschnittlich zwei bis drei Hektar großen Flächen richten aus Sicht der Naturschützer „immensen ökologischen Schaden“ an. Die Bodenstruktur werde zerstört, den blattfressenden Schmetterlingsraupen des Frostspanners und des Eichenwicklers werde Vorschub geleistet, was eine Schädlingsbekämpfung nötig mache. „In keinem anderen Fall wird im Spessart in einem solchen Ausmaß zur chemischen Keule gegriffen wie zur Rettung der künstlich entstandenen Eichenbestände“, verdeutlicht Kunkel von der Ortsgruppe Heigenbrücken des Bund Naturschutz. „Wir sagen Ja zur Eiche, aber nicht um jeden Preis!“, so sein Fazit, dem die Freunde des Spessart letztlich mit der Benennung „Spessartzentrum“ gerecht werden wollen.
Direkt an der Autobahnabfahrt
Für ein Natur-Informationszentrum sei das Jagdschloss des Prinzregenten Luitpold von Bayern eine „viel bessere Alternative zum geplanten Eichenzentrum im hochsensiblen Hafenlohrtal“, so die Naturschützer. Die Lage sei „absolut unkritisch“, es gebe „keine Schutzgebiete, die negativ beeinflusst werden könnten“. Die Lage des Schlosses im Schnittpunkt der drei Spessart-Landkreise Aschaffenburg, Miltenberg und Main-Spessart hält die Bürgerbewegung ebenso für hervorragend wie die Nähe zur Autobahnabfahrt Rohrbrunn.
Das Gebäude sei „in einem weit besseren baulichen Zustand als Erlenfurt“, weshalb bei einer Umgestaltung „deutlich niedrigere Kosten“ zu erwarten sind. Im Gegensatz zu Erlenfurt verfüge das Schloss auch über eine funktionierende Trinkwasser- und Abwasserversorgung. Zudem habe es „eine weit größere historische Bedeutung“ und stehe „auf einer Stufe mit den Schlössern von König Ludwig, etwa Neuschwanstein“.
Naturschutzverbände wirken mit
Unter diesen Umständen sollte die Planung für das Eichenzentrum zurückgestellt werden, fordert Vereinsvorsitzender Kempf – und zwar so lange, „bis klar absehbar ist, was in Summe die beste Lösung bei der Weiterentwicklung des Spessarts ist“. Geprüft werden solle zudem „die Option, die geplanten Maßnahmen am Bischborner Hof an das Jagdschloss zu verlagern“. Die Naturschutzverbände haben laut Kempf signalisiert, „dass sie für eine Mitwirkung bei der neuen Lokalität zur Verfügung stehen“.
Für Peter Winter ist dieser Alternativvorschlag für Erlenfurt nichts Neues. Als damaliger Vorsitzender des Haushaltsausschusses habe er ihn vor gut einem halben Jahr ans Forstministerium weitergeleitet, so der ehemalige Landtagsabgeordnete aus Waldaschaff (Lkr. Aschaffenburg) auf Anfrage der Redaktion.
Ministerium antwortete nicht
Doch von dort habe er bis heute keine Antwort erhalten, sagt Georg Taupp, der das Schloss Luitpoldhöhe an der Raststätte Rohrbrunn im Jahr 2011 für 270.000 Euro gekauft und – eigenen Angaben zufolge – mittlerweile gut eine Million Euro in dessen Renovierung gesteckt hat. Umgekehrt könne er sich vorstellen, Erlenfurt zu übernehmen und zu renovieren, signalisierte er dem Ministerium. Während dieses anscheinend kein Interesse zeigte, stieß Taupps Vorschlag bei den Naturschutzverbänden und dem Verein „Freunde des Spessarts“, die sich vor zwei Jahren für einen Nationalpark stark gemacht hatten, nun offenkundig auf Wohlgefallen.
Das Delikate dabei: Die Idee, den verfallenden Vierseithof im Hafenlohrtal zu renovieren und dort ein kleines (Fort-)Bildungszentrum in Sachen Wald einzurichten, hängt mit dem Schloss Luitpoldhöhe zusammen. Denn Winter war sauer gewesen, als die Immobilienverwaltung des Freistaats das Schloss verkaufte und wollte verhindern, dass sich das bei dem ebenso denkmalgeschützten Hofgut Erlenfurt wiederholt.
Doch die Umweltverbände spielen in Erlenfurt aus mehreren Gründen nicht mit: Dabei geht es nicht nur um die immens hohen Kosten – das bayerische Kabinett nickte im Sommer 26 Millionen Euro ab – sondern auch um die Verkehrsproblematik und die inhaltliche Ausrichtung.
Zweites Standbein wäre gefährdet
Die Crux an der Geschichte: Mit einer Verlagerung nach Rohrbrunn wäre das zweite, touristisch geprägte Standbein des Gesamt-Projekts gefährdet: das Naturerlebniszentrum mit 50 Meter hohem Aussichtsturm am Bischborner Hof an der B 26. Dieses nämlich soll durch einen Wanderweg (vier Kilometer lang, Höhenunterschied 200 Meter) mit dem Eichenzentrum verbunden werden. Dieser Plan, für den sich Landtagsabgeordneter Thorsten Schwab aus Hafenlohr (Lkr. Main-Spessart) stark macht, würde mit der Luitpoldhöhe nicht mehr aufgehen: Selbst mit neu angelegten Wanderwegen wäre wohl mit der dreifachen Entfernung zu rechnen.