
Es duftet nach frisch gebackenem Brot und gebratenem Fleisch. Wer, wie die gläubigen Muslime, die sich am Dienstagabend im Marktheidenfelder Ditib-Gemeindezentrum versammelt haben, seit dem frühen Morgen nichts gegessen hat, dem läuft das Wasser im Mund zusammen. In der Küche des Kulturzentrums stehen neun türkischstämmige Frauen zusammen. Sie haben die Speisen, die auf einem langen Buffet angerichtet sind, zubereitet.
Zum Iftar, dem abendlichen Fastenbrechen während des Ramadans, sind nicht nur mehrere türkischstämmige Familien zusammenkommen. Vedat Karakoҫ, der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde Marktheidenfeld, hat auch Gäste eingeladen, unter anderem Bürgermeister Thomas Stamm, Vertreter der christlichen Kirchen und der Polizeiinspektion Marktheidenfeld.
Entbehrung und Geselligkeit
Während des Ramadans leben Muslime tagsüber in Askese. Sie dürfen weder Nahrung zu sich nehmen, noch sich abhängig machenden oder Lust bereitenden Tätigkeiten hingeben. Doch Ramadan bedeute nicht nur Entbehrung und Reinigung des Körpers, erklärt Kezban Karakoҫ, die Frau des Vorsitzenden. Er ist auch eine Zeit, in der Geselligkeit eine besondere Rolle spielt. Man sitzt zusammen mit Familie und Freunden und teilt die Mahlzeiten.

Kurz vor 18.37 Uhr betet Imam Cihan Kuzu das Abendgebet aus dem Koran. Danach wendet er sich in Richtung Osten, um den traditionellen islamischen Ruf zu singen. Für die gläubigen Muslime in Marktheidenfeld gibt es einen Kalender, der die exakten Ortszeiten angibt, zu denen während des Ramadans vom 1. bis zum 29. März die Sonne auf- und untergeht und wann die Gebete in der Istiklal-Moschee im ersten Stock des Gemeindezentrums stattfinden. Wann der Fastenmonat ist, richtet sich nach dem Mondkalender.
Erst ein Schluck Wasser, dann eine Dattel
Kaum hat sich der Imam an den Tisch gesetzt, beginnt das Essen. Die Fastenden trinken zuerst einen Schluck Wasser und essen Datteln. Diese Tradition geht auf den Propheten Mohammed zurück. Danach servieren die Frauen eine milde Linsensuppe und frisch gebackenes Fladenbrot. „Esst, esst!“, ruft Kezban Karakoҫ. „Es gehört zur Höflichkeit, dass wir uns erst am Buffet bedienen, wenn unsere Gäste essen“, erklärt sie.
Diese bedienen sich an den Hackbällchen, den gefüllten Sesam-Teigrollen und den verschiedenen Salaten. Insgesamt stehen mehr als 20 verschiedene Schüsseln und Platten auf dem Buffet, darin sind unter anderem auch Feigen und Datteln, gefüllt mit Walnüssen und Hummus. Die Paprikaschoten sind mit Reis und etwas Hackfleisch gefüllt.

Fasten macht müde
„Die Speisen, die es hier gibt, werden in allen Regionen der Türkei gegessen“, sagt Kezban Karakoҫ. Den Gästen schmeckt das Essen, viele von ihnen holen sich eine zweite Portion am Buffet. Auch die Gastgeber laden sich die Teller mehrmals voll. Viele von ihnen haben seit Sonnenaufgang um 4.43 Uhr nichts gegessen und nichts getrunken. So schreibt es der Koran für den Ramadan vor.
Cemil Yagiz, der frühere Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde, arbeitet im Schichtdienst. Er meint, dass es relativ einfach sei, während des Fastens Spät- oder Nachtschicht zu arbeiten. „Frühschicht ist sehr anstrengend. Da werde ich schnell müde“, sagt er. Eine Schülerin erzählt, dass sie nicht fastet: „Ich habe bis zum späten Nachmittag Schule, auch Sportunterricht. Es ist mir zu anstrengend, den ganzen Tag lang nichts zu essen.“
Später servieren die Gastgeber Tee, Mokka und süßes Gebäck. Gegen 20 Uhr werden die Speisen abgeräumt, alle haben sich satt gegessen. Die muslimischen Gastgeber ziehen sich für das Nachtgebet in den Gebetsraum zurück. In die Moschee kommen noch weitere Gläubige zum Beten, viele davon Afghanen, die in Marktheidenfeld wohnen, erzählt Vedat Karakoҫ.
Immer weniger gläubige Muslime
Vedat Karakoҫ bedauert, dass die Zahl der aktiven Gemeindemitglieder zurückgeht. Momentan zählen dazu etwa 90 bis 100 Menschen, obwohl in Marktheidenfeld rund 500 Türkinnen und Türken leben würden. Er findet es schade, dass es aufgrund des hohen Aufwands für die Frauen während des Ramadans das abendliche Iftar nur ein Mal im Gemeindezentrum stattfinden kann. Er weiß, dass sich die Gläubigen zum Beispiel in Karlstadt oder Lohr öfter zum gemeinsamen Fastenbrechen treffen würden.
Er und seine Familie freuen sich auf das nächste große islamische Fest, Eid al-Fitr (Zuckerfest) am Ende des Ramadans am 30. März. Das werden sie zusammen mit anderen Verwandten bei Kezbans Mutter feiern.