Sie haben schon längst Straßen, Radwege und heimische Garagen erobert: Fahrräder mit elektrischer Trittunterstützung. Streng genommen heißen sie Pedelecs. Mittlerweile hat sich aber der Begriff E-Bike eingebürgert. Auch viele Main-Spessarter sind umgestiegen und genießen die Vorzüge der riesigen Reichweite und das lockere Fahrvergnügen. Wie aber radelt es sich so durch den Landkreis? Was sind Lieblingsstrecken? Und was wäre verbesserungswürdig? Fünf Main-Spessarter erzählen von ihrer Leidenschaft.
1. Die Motivation: "Du bist draußen, du bewegst dich und du bist einfach schneller"
An einen Cabrio-Ersatz für schöne Wochenend-Touren hatten Anita und Andreas Barthel aus Marktheidenfeld gedacht, als sie sich ihre E-Bikes anschafften. "Für die Alltagserledigungen wollten wir eigentlich unsere alten Räder nehmen", erzählt Andreas Barthel. Das war vor rund acht Jahren. Mittlerweile nutzen die beiden Über-70-Jährigen ihre Trekking E-Bikes für fast alles: Egal, ob es zum Einkaufen, zum Arzt, zu Freunden oder zum Erholen in die Natur geht. "Du bist draußen, du bewegst dich und du bist einfach schneller", beschreibt das Ehepaar.
Auch Monika und Rudi Pfister aus Esselbach sind leidenschaftliche E-Bike-Fahrer. Allerdings unterschiedlich lang: Ist Monika Pfister erst vor zwei Jahren, zu ihrem 70. Geburtstag, umgestiegen, fährt ihr 76-jähriger Mann Rudi bereits seit rund acht Jahren E-Bike. "Wir sind aber schon immer gerne Mountainbike gefahren", erzählt das Ehepaar. Insofern geht es auch auf ihren E-Bike-Touren meist sportlich zu. "Wir fahren so, dass wir abends das Gefühl haben, etwas getan zu haben", sagt Monika Pfister und lacht. Je nach Weg wird die elektrische Unterstützung also nicht nur zu, sondern öfters auch mal ausgeschaltet.
Ebenfalls mit in der Runde sitzt Ingrid Hartwig aus Marktheidenfeld. Die 74-Jährige ist Rudi Pfisters Cousine und ebenso begeisterte E-Bike-Fahrerin. Auch sie ist vor rund sieben Jahren umgestiegen. Davor sei sie noch mit dem normalen Fahrrad neben ihrem Partner mitgefahren, der da bereits ein E-Bike besaß. "Das ging gar nicht, da hing die Zunge irgendwann fast auf dem Boden", erzählt sie lachend. E-Biker und Nicht-E-Biker harmonisieren einfach nicht miteinander. Darüber sind sich alle drei einig.
Hat Ingrid Hartwig das E-Bike-Fahren anfangs noch als Ausgleich zum Job gemacht, sammelt sie seit dem Ruhestand fleißig Kilometer um Kilometer im Sattel. Rund 6000 seien es im letzten Jahr gewesen, die meisten kommen dabei im Urlaub an der Nordsee zusammen. Aber auch in Main-Spessart tritt sie viel in die Pedale.
2. Die Ziele: "Am liebsten dort, wo wenig los ist"
Wohin die Barthels mit ihren Acht-Gang-E-Bikes am liebsten radeln? Unterwegs in der Region zieht es sie immer wieder auf die fränkische Platte. Beispielsweise über Birkenfeld, Duttenbrunn, Laudenbach, Rohrbach, Steinfeld und Hausen, oder in den Spessart und die Rhön. "Wir fahren gerne auf gewisse Höhen oder ein Plateau, von wo aus man einen weiten Blick hat", so Anita Barthel. An besonders schönen Plätzen stellen sie dann die Räder ab, setzen sich hin und lassen den Blick schweifen. "Einfach nur schauen, nicht viel reden und die Natur genießen."
Außerhalb Unterfrankens sind die Barthels viel im Allgäu unterwegs, fahren bergauf und bergab, durchkreuzen Wälder und Felder. Dabei darf es ruhig sportlich zugehen. "Gerade in der Ebene mal zurückschalten, mit eigener Kraft den Puls hochbringen, das gehört dazu", beschreibt Andreas Barthel und ergänzt lachend: "Wenn das Knie meiner Frau mitmacht."
Monika und Rudi Pfister genießen es, direkt vor ihrer Haustüre loszufahren. So drehen sie gerne auch noch am Abend ihre Runde durch den Esselbacher Wald bis nach Bischbrunn. Dann geht es weiter zur Straßlücke, Friedenslinde und über Steinmark zurück. "Oft starten wir auch Richtung Altfeld, Michelrieth und fahren über die Zwieselmühle hoch nach Schollbrunn, Kreuzwertheim und zurück", erzählt Rudi Pfister. Ebenfalls immer eine Fahrradtour wert sei die Runde bis zur Sandkaute und über das Hafenlohrtal im Spessart.
Am liebsten radeln Monika und Rudi Pfister dort, wo wenig los ist. Und probieren dabei gerne Neues aus. "Mit dem E-Bike sind wir viel experimentierfreudiger und fahren auch mal einen Waldweg rein, den wir noch nicht kennen." Entpuppt er sich als Sackgasse, ist es nicht schlimm, die ganze Strecke wieder zurückzufahren – es gibt ja elektrische Unterstützung!
3. Das Aufladen und die Unterkünfte: "Heutzutage heißt es überall: Radler willkommen"
80 Kilometer weit kommen Anita und Andreas Barthel zirka mit ihren Rädern samt Gepäck. "Deswegen muss man sich das manchmal einteilen, um die Akkus eventuell unterwegs aufladen zu können", erzählt Andreas Barthel. Früher habe er da auch schon mal in einem Café gefragt. Mittlerweile sei das Netz an öffentlichen Ladestationen breit und per App gut anzusteuern.
Ingrid Hartwigs Akku hält sogar rund 150 Kilometer. "Wer flach fährt, kann ewig fahren", sind sich die Radlerinnen und Radler einig. Wer doch laden muss, der findet mittlerweile fast überall eine Station. Im Spessart hält das Projekt "Wald erFahren" mittlerweile ein flächendeckendes Netz an E-Bike-Ladestationen bereit. Was die E-Radler aber insgesamt beim Thema "Laden" stört: Je nach Region braucht es unterschiedliche Stecker. Hier wäre ein einheitliches System gut und hilfreich, meinen sie.
Schön sei: Auch viele Unterkünfte hätten sich mittlerweile auf die E-Biker eingestellt. "Wenn man früher verschwitzt und mit Radklamotten in die Gaststätte gekommen ist, konnte es einem passieren, dass man abgewiesen wird. Heutzutage heißt es überall: Radler willkommen", erzählt Rudi Pfister. "Viele bieten zusätzlich einen abgeschlossenen, überdachten Bereich für die Räder an, das ist toll", berichtet Ingrid Hartwig.
4. Die Herausforderungen: Schwergewichtige E-Bikes und rücksichtslose Radler
Wer glaubt, Radfahren fordert nur die Beine, der täuscht: Ab und zu muss das Rad auch mal ein Stück geschoben oder gar gehoben werden. Mal endet der Radweg abrupt wegen einer Baustelle, mal muss das Rad in den Zug gehoben werden, mal geht es plötzlich Stufen hoch. Einige E-Bikes haben deswegen bereits eine Schiebehilfe, so wie die der Pfisters. Die Räder der Barthels haben diese Hilfe nicht. 24 Kilogramm Eigengewicht plus Gepäcktaschen bringt jedes ihrer Räder auf die Waage. "Da ist schon mal die Hilfe des Partners gefragt", so Anita Barthel.
Sie weiß, wovon sie spricht: 2016 hatte das Ehepaar eine zweiwöchige Tour entlang der Moldau und Elbe von Prag nach Magdeburg geplant. An einer Stelle war der Fluss entlang einer Pipeline zu überqueren. Dazu mussten die beiden die Räder einen langen Treppenaufgang hochschleppen, sonst wären sie nicht weitergekommen.
Schlimmere Stürze oder gar Unfälle haben die Barthels mit ihren Rädern noch keine erlebt. Allerdings haben sich beide mittlerweile einen Rückspiegel an ihre Lenker montiert, um im Stadtverkehr oder auf viel befahrenen Radwegen einen besseren Überblick zu haben . "Leider gibt es auch einige rücksichtslose Radler", bemerken sie. Unterwegs in der Stadt haben sie sich angewöhnt, möglichst direkten Blickkontakt mit den Autofahrern, Radlern und auch Fußgängern zu suchen, um Gefahren zu vermeiden. Und vor allem: Sich danach mit einer freundlichen Geste zu bedanken.
5. Die Verbesserungsvorschläge: "Gepäck-Schließfächer in den Städten wären eine Bereicherung"
Kritik von den Viel-Radlern gibt es zum Zustand einiger Waldwege: "Warum muss in Main-Spessart auf gut zu fahrenden Waldwegen immer wieder frischer, zum Teil grober Schotter aufgetragen werden?", fragen sich das Ehepaar Pfister und Ingrid Hartwig. Selbst mit dem Mountainbike habe man hier große Probleme. Mit Tourenrädern seien diese Wege kaum zu befahren oder sogar eine Gefahrenquelle wegen der Sturzgefahr. Das mache keinerlei Spaß mehr. "Wir fahren auch viel im Oberbayrischen, hier ist kein einziger Weg so geschottert", erzählt Monika Pfister.
Und noch einen Verbesserungsvorschlag haben die Fünf – dieser gilt allerdings eher für die Städte mit vielen Radfahrtouristen. "Idealerweise gibt es an den Stellen, an denen ich mein Fahrrad lade, auch Schließfächer, in denen ich mein Gepäck unterbringen kann, während ich in der Zeit eine Stadtbesichtigung mache", sagt Ingrid Hartwig. Sie kennt und schätzt das von ihren Nordsee-Urlauben.
6. Wo das "alte" Fahrrad immer noch die Nase vorn hat: Leichter und kleiner Wendekreis
Doch trotz aller E-Bike-Begeisterung: Sowohl Ingrid Hartwig als auch das Ehepaar Pfister und die Barthels besitzen und benutzen neben ihren sportlichen E-Bikes auch noch ihre "normalen" Drahtesel. Rudi Pfister erledigt mit dem zum Beispiel alle Fahrten im Ort, sei es zum Frisör oder zum Einkaufen. Im Vergleich zum schweren E-Bike mit seinem großen Radius sei das analoge Rad leichter, fast wie ein Spielzeug, mit einem engen Wendekreis, beschreibt er die Vorteile. Und noch etwas gefällt ihm an seinem alten Rad: Er braucht es nicht abzuschließen.