Was fängt man mit einer ehemaligen Metzgerei an? Die Frage stellt sich leider in vielen Städten und Gemeinden. Kreativ geht eine Gruppe von Freunden in Gemünden mit dem Leerstand in der ehemaligen Metzgerei Bald/Bieniussa am Marktplatz um. Dort soll demnächst eine Brotzeit- und Weinbar "Zum Schelch" eröffnen. Das Innere der ehemaligen Metzgerei wurde bereits umgekrempelt und neu gestaltet. Das für den Betrieb des Lokals gegründete Kleingewerbe "Pop-up concepts" hat Stadtrat Walter Volpert angemeldet, der auch ehrenamtlich das Leerstandsmanagement der Stadt führt. Nun behebt er selbst einen Leerstand. "Ich tue alles, damit in Gemünden was passiert", sagt der rührige Volpert. So hat er 2017 auch die "Brückenhocker" auf der alten Saalebrücke, eine Art Open-Air-Stammtisch, mit ins Leben gerufen.
Es gebe viele, so Volpert, die sich seit Jahren Fragen stellen wie: Was fehlt denn in Gemünden? An Ideen mangle es nicht, manche jucke es sogar in den Fingern, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Wenn es dann aber darum gehe, einen Mietvertrag zu unterschreiben, dann schreckten die Leute zurück. Das Problem in Gemünden sei zum einen die Topographie mit der kleinen Innenstadt und den weit draußen liegenden Wohngebieten, weiß Volpert, zum anderen, dass im Sommer viel, im Winter aber wenig los sei. Aber sein Freundeskreis sei sich einig gewesen, dass in Gemünden was passieren müsse.
Die ehemalige Metzgerei im Zentrum Gemündens ist für den 60-jährigen Volpert, der ein bekennender Fan seiner Heimatstadt ist, "ein Filetstück". Mit vier, fünf Freunden habe er herumgesponnen, was man machen könnte, und sich gefragt, woran es letztlich scheitere. Gemeinsam beschlossen die "Schelchfreunde", ein Experiment zu wagen und ein Lokal in der Metzgerei einzurichten und quasi genossenschaftlich zu betreiben – mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und ohne damit Gewinn machen zu wollen.
Aber ein Lokal kann man nicht einfach so eröffnen, bürokratische Hürden sind zu nehmen. So muss etwa eine Gaststättenkonzession her, die hoffentlich bald komme. Von der Fläche her habe es glücklicherweise genau gepasst, dass eine einzige Unisex-Toilette reiche. Hätte es eine zweite gebraucht, wäre das ganze Projekt aufgrund der zu erwartenden hohen Kosten für einen Umbau gestorben gewesen, sagt Volpert.
So gingen die Freunde, neben Volpert zählen Stadtrat Miro Blaic und der Hobby-Schreiner Thomas Platzer dazu, mit einem minimalen Budget von 4000 bis 5000 Euro und viel Eigenleistung ans Werk. Als Arbeitstitel für das Lokal kamen sie auf "Zum Schelch", weil der Schelch, laut Wikipedia ein früher auf dem Main und der Werra üblicher Schiffstyp, untrennbar mit Gemünden und dessen Fischertradition verbunden sei. Eine Woche brauchten sie allein, um die massive, 40 Jahre alte Kühltheke herauszureißen. "Das war nicht auseinanderzubringen, das Ding", sagt Volpert. Der Charme der Metzgerei mit seinen Wursthaken und Fliesen blieb erhalten. Als Tisch hat Blaic einen alten Nussbaum vom Langenprozeltener Sägewerk aufgearbeitet, für das Schaufenster hat das Massenbucher Sägewerk ein langes Fensterbrett gespendet. Von der ehemaligen Cocktailbar Coconut hat Volpert alte Barhocker besorgt, die früher schon in Schönau gestanden hätten.
Die Theke mit zwei Spülbecken hatte Gastwirt Frank Herbert beigesteuert. Thomas Platzer schreinerte das Drumherum der Theke, die einen modernen Touch bekommen sollte. Geschirr, darunter Schoppengläser, holten sie vom Intakt. Das Brotzeitfenster zum Marktplatz hin, das etwa beim Züchle offen haben könnte, bekam noch ein Brett außen und von der Stadt gebe es die Erlaubnis, zwei Außentische vor das Lokal zu stellen.
Das gastronomische Angebot erinnert an eine Heckenwirtschaft: Weine und Schnäpse von hiesigen Winzern und Brennern, Brotzeit mit in Gläsern abgepackten Portionen Gerupfter, Polnischer oder Käsewürfeln. Eine eigene Küche hat das Lokal nicht, weswegen es nichts Warmes geben wird. Das Angebot sollte den bestehenden Gaststätten möglichst wenig Konkurrenz machen, sagt der 60-Jährige. Die Freunde erhoffen sich eine Belebung der Altstadt. Man sehe etwa am Beispiel Karlstadt, dass desto mehr Leute kommen, je mehr gastronomisches Angebot es gebe.
Wie die Öffnungszeiten sein werden? "Wenn das Team in der Lage ist, zwei Leute zu stellen, machen wir auf", sagt Volpert. Angestelltes Personal könne man sich nicht leisten. Sollte am Ende etwas in der Kasse bleiben, wolle man das für gemeinnützige Zwecke spenden. Er stelle sich das Lokal als guten Ausgangspunkt für Weinführungen vor. Mieten soll man es auch können, hinterher werde abgerechnet, was verbraucht wurde. Den Brunnen am Marktplatz mit seiner inzwischen fest installierten umlaufenden Theke stellt sich Volpert als erweiterten Gastrobereich des Schelchs vor. "Schoppen holen, an den Brunnen stellen, quatschen."
"Das Risiko war immer minimiert", sagt er, der Einsatz nicht hoch. "Es hängt keine Existenz dran." Wenn die Genehmigung vom Landratsamt bis zum Herbstmarkt da ist, soll es am 16. Oktober losgehen. Volpert sieht das Lokal im Grunde als "Serviervorschlag", wie er es ausdrückt. "Sinn und Zweck ist es, das Lokal so weit zum Laufen zu bringen, dass sich jemand vorstellen könnte, es zu übernehmen." Dann gebe man es gerne in "gute Hände" ab.
Im Moment hängt am Gebäude ein "Zu verkaufen"-Schild. Sollte es wirklich jemand kaufen und in den Räumlichkeiten irgendetwas anderes machen wollen, dann lasse sich alles schnell wieder ausräumen, so Volpert.