Es ist eines der bestimmenden Themen in Main-Spessarts Innenstädten: Leerstand. Kümmern sich in Lohr, Marktheidenfeld und Karlstadt Citymanager in den Rathäusern oder auch externe Berater, darum, die Lücken wieder zu schließen, geht Gemünden einen anderen Weg. Vor gut einem Jahr gründete sich hier unter dem Dach des Stadtmarketing-Vereins die Arbeitsgruppe "Flächenmanagement" – auf ehrenamtlicher Ebene. Was ist seit dem passiert?
Der Marktplatz die "Herzkammer Gemündens"
Um das zu erzählen, hat Walter Volpert auf den Balkon seiner Wohnung direkt am Gemündener Marktplatz geladen. "Die Herzkammer Gemündens", wie er den Marktplatz nennt. Er ist sozusagen der Kopf der Arbeitsgruppe. Gekommen ist auch Matthias Risser, entschuldigt hat sich der Dritte im Team, Klaus Podeswik. "Uns eint die Leidenschaft für Gemünden", beschreibt Walter Volpert, was Ansporn und Motor für den Projektstart vor gut einem Jahr war. Und das Wissen, dass es für Gemünden mit seinem geringen Haushaltsbudget schwierig ist, eine eigene Stelle für das Leerstandsmanagement zu schaffen.
Was sie aber noch eint, sind ihre verschiedenen Erfahrungen: Klaus Podeswik kommt aus dem Bereich Sanierung, Matthias Risser ist Kunsthistoriker mit Aufbaustudium Denkmalpflege und Walter Volpert ist der Betriebswirtschaftler. Er hat lange für den Linde-Konzern gearbeitet. Was ihnen besonders am Herzen liegt: Die Innenstadt am Leben zu halten, zukunftsfähig zu machen.
Wo aber anfangen? "Wir haben erst einmal eine Bestandsaufnahme aller Leerstände gemacht", erzählt Volpert. Das hieß zunächst einmal Klinken putzen. Geholfen haben ihnen dabei Edith Michelbach-Schulz und Else Platzer vom Stadtmarketing-Verein. Dabei ging es ihnen auch um die Geschichte des Hauses. Warum steht es leer? Was ist die Schwierigkeit, aber auch das Potenzial des Gebäudes? Welcher Besitzer ist bereit, mitzugehen? Wer nicht?
"Das war nicht immer einfach: Oft wohnen die Leute auch im Ausland, es handelt sich um Erbengemeinschaften oder die Immobilie ist schon an einen Makler vergeben", so Risser. Gerade letzteres sei schwierig, denn oft landeten die Häuser dann zu überteuerten Preisen am Markt und seien für die Stadt "verbrannt".
Alle Informationen flossen in eine detaillierte Datenbank, die nur der Projektgruppe zugänglich ist. Im Einvernehmen mit den Hausbesitzern werden die freien Immobilien auf der Internetseite des Flächenmanagements vorgestellt. Der Link dazu ist auf der Seite des Stadtmarketing Gemünden zu finden. Neben den Eckdaten, der Lage, Fotos gibt es teilweise auch einen Video-Rundgang durch den Leerstand. "Wir stellen den Vermietern, Verkäufern auch kostenlos ein Exposé zur Verfügung", so Volpert. Dabei wollen sie keinen Profit machen. Ihr Kapital sei der hohe Vertrauensvorschuss, den sie bei den Gemündenern hätten. "Wir beraten, bringen Menschen zusammen, aber wir treten in keiner Weise als Makler oder dergleichen auf und führen unseren Einsatz für die interessierten Parteien auch stets kostenlos aus", so Volpert.
Mit einem Pop-up-Store das Geschäftsmodell testen
Aber die Präsentation im Internet ist nur ein Teil der Arbeit des Flächenmanagements. "Wir werden auch proaktiv, gehen auf Mieter und Vermieter zu, wenn Umzugs- oder Veränderungspläne bekannt werden", erläutert Risser. So konnten sie den Weltladen erfolgreich in ein Ladenlokal am Marktplatz vermitteln, in den er bis Ende des Jahres umziehen möchte.
Eine andere Möglichkeit sind sogenannten Pop-up-Stores. Über dieses Modell können die Menschen ihr Geschäftsmodell zum Beispiel ein halbes Jahr testen. Auch der ganze einfache Weg, Plakate in die Schaufenster zu hängen, hat bereits bei dem ein oder anderen Objekt gefruchtet. So zum Beispiel bei dem Gebäude der Alten Stadtwerke, was darüber schließlich verkauft werden konnte.
Insgesamt konnte das Flächenmanagement im vergangenen Jahr beim Verkauf von zwei langjährigen Leerständen, einer Ladenimmobilie sowie der Vermittlung von fünf Laden-Vermietungen mithelfen. Eine ermutigende Bilanz.
Bestandsaufnahme zeigte: Es gibt 29 "faule Zähne" in der Kernstadt
Wichtig sei ihnen aber auch, sich bei der Stadt mit Ideen einzubringen. "Nach unserer Bestandsaufnahme war klar: Wir haben 29 faule Zähne in der Kernstadt. Teilweise sind das auch zusammenhängende Gebäudekomplexe, Ensembles, die man im Ganzen sehen und denken sollte. Zum Beispiel, um eine Quartierlösung draus zu machen", so Volpert. Eine weitere Herausforderung sei auch die zukünftige Nutzung der in städtischer Hand befindlichen drei Objekte in der Obertorstraße, Ecke Mainstraße, die als Ärztehaus angedacht waren.
Sie seien sehr froh, dass sie mittlerweile einen regelmäßigen Jour Fix mit der Stadt hätten, um sich auszutauschen. Auch werde die Arbeit über eine generelle Förderung des Stadtmarketingvereins durch die Stadt wertgeschätzt. Apropos Förderung: Auch hier bemühen sich Volpert und Kollegen, Fördertöpfe anzuzapfen. Eine erste Erfolgsmeldung: Gemünden wurde im Integrierten Stadtteilentwicklungskonzept (ISEK) aufgenommen und erste Maßnahmen gefördert. Ein Baustein, den das Flächenmanagement gemeinsam mit der Stadtverwaltung ins Rollen gebracht hat.
Gefragt nach ihren Wünschen in die weitere Zukunft fällt unter anderem das Stichwort "generationengerechtes Wohnen". "Wir hätten gerne mehr Wohnraum für Menschen, die in der Stadt arbeiten, leben und hier ihre Bedürfnisse erledigen", so Risser. Um hier einfach das Grundrauschen zu erhöhen. Und damit die Herzkammer auch in Zukunft die Herzkammer bleibt.