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Burgsinn
Freizeittipp: Wandern entlang der vergessenen Autobahn "Strecke 46"
Mit einer Augmented-Reality-App können Wanderer rund um Burgsinn, Gräfendorf und Seidfriedsburg den Autobahnbau mit den Augen der Bauarbeiter erleben. Lohnt sich ein Besuch?
Für Autobahn- und Geschichtsinteressierte haben die Spurensucherpfade und die App viel zu bieten. Im Bild: Ein Graffito an einem Brückenpfeiler auf dem Spurensucherpfad Bettlersruh.
Foto: Nicole Schmidt | Für Autobahn- und Geschichtsinteressierte haben die Spurensucherpfade und die App viel zu bieten. Im Bild: Ein Graffito an einem Brückenpfeiler auf dem Spurensucherpfad Bettlersruh.
Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:05 Uhr

Bis heute sind die Ruinen eines Prestigeprojektes der Nationalsozialisten im Spessart zu sehen. Überall finden sich Spuren der nie fertiggestellten Autobahntrasse zwischen Bad Hersfeld und Würzburg, die durch das LEADER-Kooperationsprojekt "Strecke 46 – Auf Spurensuche" zu Fuß oder mit Mountainbike erschlossen werden kann. Unterstützung bietet die App "AR46", die dieses düstere Kapitel mit der sogenannten Augmented-Reality-Technologie zum Leben erweckt und geschichtliche Hintergründe über Bauarbeiten und Arbeitsbedingungen liefert.

Wie ist der Verlauf der "Strecke 46"?

Es handelt sich nicht um einen zusammenhängenden Wanderweg, sondern um vier "Spurensucherpfade" in Rupboden, Burgsinn, Gräfendorf und Seifriedsburg, die durch Teile der geplanten Autobahntrasse führen und als Tagestour kombiniert oder einzeln erkundet werden können. Sie führen tief durch den Wald, über Wiesen und Feldwege, teilweise auch privates Gelände und können deshalb nicht immer komplett abgelaufen werden. Ein grober Verlauf ist mit der App und über Wegmarken an Bäumen zu finden. Da die Beschilderungsdichte variiert und Angaben über die Länge der Pfade nicht vorhanden sind, weiß man als Wanderer jedoch nicht immer ganz genau, wo es entlang geht und wie viel Zeit man für den Pfad einplanen muss.

Den Weg säumen jeweils Infotafeln, die weitere Hintergründe zum Bauvorhaben und den Arbeitsbedingungen liefern. Auf diesen lässt sich ein QR-Code finden, der auf die Homepage zur Strecke 46 verweist.
Foto: Nicole Schmidt | Den Weg säumen jeweils Infotafeln, die weitere Hintergründe zum Bauvorhaben und den Arbeitsbedingungen liefern. Auf diesen lässt sich ein QR-Code finden, der auf die Homepage zur Strecke 46 verweist.

Für die Anfahrt sind ein Auto oder ein Mountainbike unerlässlich. Einen festen Startpunkt gibt es nicht. Sinn macht es, in Rupboden zu beginnen und die Spurensucherpfade abzufahren. Die Freiheit bei der Gestaltung macht die Planung für Laien kompliziert, auch weil nicht für jeden Pfad Parkplätze in der App vermerkt sind. Dazu sind einige Bauwerke schwer zu finden oder nicht zugänglich.

Wie funktioniert die App, was bietet sie?

Die App "AR46" steht für Android und iOS kostenlos zur Verfügung. Um alle Features nutzen zu können, muss Zugriff auf Speicher und Standort gestattet werden. Die ist übersichtlich und einfach zu handhaben, eine Anleitung wird nicht benötigt.

Für drei Spurensucherpfade gib es unter "Herrliches Autobahnwandern" kurze Einführungsvideos, über Lebens- und Arbeitsbedingungen entlang der Baustelle aufklären. Die Videos werden unterstützt von Augmented-Reality-Elementen, das heißt, die Bilder, die der Nutzer durch seine Handykamera sieht, werden mit Animationen auf dem Bildschirm erweitert. Zu unheilvoller Musik erzählen dann  Ferdinand und Johann (Streckenarbeiter), Günter (Landschaftsanwalt) und Willy (Anwohner) ihre Geschichte. Die kurzen Videos schaffen eine emotionale Verbindung, die die Ereignisse zwischen 1937 und 1939 realistischer und greifbarer machen.

Zur Strecke 46 steht die App 'AR46' sowohl für Android als auch iOS zur Verfügung. Neben AR-Videos lassen sich dort auch Karten zu den Spurensucherpfaden finden. Im Bild: Spurensucherpfad Bettlersruh, wo auch der dazugehörige Parkplatz eingezeichnet ist. Die GPS-Angabe ist jedoch nicht immer korrekt.
Foto: Nicole Schmidt | Zur Strecke 46 steht die App "AR46" sowohl für Android als auch iOS zur Verfügung. Neben AR-Videos lassen sich dort auch Karten zu den Spurensucherpfaden finden.

Durch das Gimmick der erweiterten Realität ist es möglich, tief in die Abläufe auf der Baustelle einzutauchen, da Baumaßnahmen oder der geplante Rastplatz Bettlersruh auf magische Weise visualisiert werden. Via GPS kann zusätzlich der eigene Standort, wenn auch ungenau, eingesehen werden. Nicht vertont wurden die Infotafeln, die weitere detaillierte Hintergrundinformationen liefern, sodass das Potenzial der App noch nicht komplett ausgeschöpft wurde.

Was gibt es zu sehen?

Alle Pfade führen durch unwegsames Gelände, teilweise liegen größere Abstände zwischen den Bauwerken. Dies bietet die Gelegenheit, sich mit der App zu beschäftigen und den Worten der Sprecher zu lauschen, die in einem angenehmen Sprechtempo und mit ruhiger Stimme ein Fenster in die Vergangenheit öffnen. Nicht alle Überbleibsel der Autobahnruine sind so aufregend, wie der imposante Brückenpfeiler am Anfang des Spurensucherpfades Bettlersruh, gefolgt von einer noch gut erhaltenen Brücke, die einen festen Bestandteil der Straße nach Gräfendorf bildet.

Die einzelnen Spurensucherpfade ähneln sich, denn mehrheitlich gibt es Mauerreste, Bewässerungsbrunnen oder Brückenpfeiler zu sehen. Eine Eintönigkeit, die unterbrochen wird, sobald größere, gut erhaltene Bauwerke die Strecke säumen: Beispielsweise das Bauwerk 188 in Seifriedsburg, eine 50 Meter lange Röhre des Wasserdurchlasses, die sich versteckt im Wald befindet. Der Moosbewuchs verleiht ihr etwas Gruseliges, führt aber auch den kriegsbedingten, abrupten Baustopp vor Augen.

Der Brückenpfeiler in Gräfendorf wird auch zum Klettern genutzt. 
Foto: Nicole Schmidt | Der Brückenpfeiler in Gräfendorf wird auch zum Klettern genutzt. 

Für Interessierte ist die Wanderung eine abenteuerliche Reise in ein vergessenes Stück Geschichte, die die irrsinnige Streckenführung erlebbar macht. Die Autobahntrasse ist Sinnbild der NS-Propaganda, denn die natürliche Idylle sollte zum Verweilen auf den geplanten Rastplätzen einladen und die Schönheit Deutschlands einfangen. Wer aufmerksam die Umgebung beobachtet, bemerkt noch heute die dafür gerodeten Stellen. Die Gegensätze des Bauvorhabens stimmen während der gesamten Wanderung nachdenklich. Eine wunderschöne Landschaft trifft auf das Leid der Arbeiter, an das eine Tafel bei Seifriedsburg erinnert. Tödliche Unfälle wurden in Kauf genommen, Tag und Nacht wurde für ein sinnloses Projekt geschuftet. Die weitläufigen Ausblicke und absolute Stille, die nur durch das Rascheln eines vorbeihuschenden Rehs oder Vogelgezwitscher durchbrochen werden, lassen dies noch stärker nachhallen.

Fotoserie

Wann ist die beste Jahreszeit und für wen ist die Tour geeignet?

Da es oft über moosbedeckte, schlammige, rutschige Wege geht, die im Winter teilweise unter Wasser stehen und schwer begehbar sind, sollte eine Tour im Sommer/Frühjahr geplant werden. Aktuell ist festes Schuhwerk und dicke Kleidung notwendig, da auch Hindernisse umgangen oder aus dem Weg geräumt werden müssen. Da es sich nicht um einen klassischen Wanderweg handelt, ist die Tour für diejenigen geeignet, die sich für die Geschichte der Autobahn interessieren.

Zur Strecke 46 werden auch Touren angeboten. Nähere Informationen und Termine sind auf der Homepage www.strecke46.de einsehbar.

 
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  • S. C.
    Die oftmals versteckte Lage der Objekte (von denen auch oft kaum etwas zu sehen ist), macht es ratsam, an den geführten Wanderungen teilzunehmen. Sie finden relativ häufig statt, man bekommt alles gut verständlich erklärt, man muß nicht den Weg suchen und man ist nicht ständig mit dem Rumgefummel in einer App beschäftigt.
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  • W. M.
    @Norgel: Für Ruinen des Nationalsozialismus braucht man keine Führungen. Events und Wanderungen kann man auch derart anders gestalten. Mich regt der Kult, der um NS-Bauschrott betrieben wird, ganz einfach auf. Die Krönung findet das auch noch in einem LEADER-Programm. Das einzig Positive an der Sache: Das sogenannte "Bombenloch" in Seifriedsburg ist endlich richtig umzäunt und somit gefahrenmindernd. Entweder, man entsorgt diesen Schrott oder lässt ihn in der Versenkung verschwinden. Seinen "Tourismus" kann man als Kommune auch anders betreiben. Da gäbe es in Gemünden genug Möglichkeiten.
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  • S. C.
    Meiner Meinung nach Unsinn.

    Für mich ist es eine historische Sache und mich interessiert auch die Technik, die dahinter steht. Auch das wird bei den hervorragenden Führungen sehr gut beleuchtet.

    Ob die Bauzeit ins dritte Reich fällt/fiel, ist mir egal.

    Ich besichtige auch gerne Burgen, Klöster usw. auch wenn von dort aus unmenschlich regiert wurde oder wenn es Hexenverbrennungen gab.
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  • W. M.
    @Nogel: Mir sind auf Anhieb drei "Gewerke" bekannt, die bei den Führungen überhaupt nicht berücksichtigt sind. Die kenne ich seit meinen Kinder- und Jugendtagen. Die für Sie so begeisternde Technik können Sie in den dazu erschienenen Büchern nachlesen. Das reicht für den Laien vollkommen aus - es sei denn, Sie sind vom Fach. Dann würde ich mich allerdings eher einer fachspezifischen und wissenschaftlichen Betrachtung stellen. Dafür und für einen eingeschränkten Fachkreis mag die Strecke evtl. technische Aufschlüsse zeigen. Richtig: Burgen und Klöster zu besichtigen, das reicht vollkommen aus. Das haben Sie gut festgestellt. Nach meiner unbedarften Meinung: Freizeit kann man anders und unsinnig sinnvoller gestalten! Apps braucht für diese Strecke ohnehin nur der "Blinde". Der gemeine Arbeits-, Touren- und Mountainbiker kennt die "Gewerke" von Eckarts bis zum Schönauer Weg ohnehin.
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  • S. C.
    Naja das überlassen Sie mal mir, welche Dinge ich besichtige, welche Bücher ich lese, was für mich ausreichend ist usw. und wie ich meine Freizeit "sinnvoll" gestalte.
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  • W. M.
    Die Geschichte des Nationalsozialismus ist nicht rühmlich. Ein Unrechts- und Verbrecherstaat, ein Staat der Menschenrechte nicht achtete, der mordete. Für mich ist die Strecke deswegen auch kein Ruhmesblatt und bedeutungslos. Mir ist allerdings schleierhaft, aus welcher Quelle die Autorin intepretiert, der Tod von Menschenleben sei beim Bau dieser Strecke in Kauf genommen worden, auch warum sie argumentiert, die Streckenführung sei widersinnig gewesen. Es gab nach dem Krieg durchaus Pläne, die Baumaßnahmen dort weiter zu betreiben, man entschied sich u. a. wegen der Anbindung Schweinfurts auf den heutigen Verlauf der BAB 7. So wie mir ältere Dorfbewohner erzählten, waren die Bauersleute froh, durch den damaligen Bau zumindest als Tagelöhner etwas Geld dazu zu verdienen. Der Tod eines Arbeiters in Seifriedsburg wurde nicht (bedingt) vorsätzlich in Kauf genommen, es war ein Unglück, genau wie das 1920, als ein Dorfbewohner Seifriedsburgs beim Bau der Saaletalbahn verstarb.
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