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Zellingen
Förderstopp für Landschaftspflege in Main-Spessart: Ein Forstwirt erzählt, wie er um seine Existenz kämpft
Der Forstwirt aus Zellingen hat sich aus Überzeugung dem Naturschutz verschrieben. Durch den Förderstopp steht sein Einkommen und das vieler anderer auf dem Spiel.
In der Landschaftspflege ist fast alles manuelle Arbeit. Die für die Biodiversität so wichtigen Tätigkeiten können oft nur mit oder unter Anleitung von Fachkräften ausgeführt werden. Fachkräfte, die sich nun wegen des Förderstopps andere Jobs suchen müssen.
Foto: Jennifer Weidle | In der Landschaftspflege ist fast alles manuelle Arbeit. Die für die Biodiversität so wichtigen Tätigkeiten können oft nur mit oder unter Anleitung von Fachkräften ausgeführt werden.
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 11.03.2025 02:43 Uhr

Die Wintersonne steht tief, während sich der gelernte Forstwirt und Landschaftsbauer – der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte – über einen knorrigen Apfelbaum beugt. Er schüttelt den Kopf, als wolle er die Situation begreifen. "Das ist doch paradox! Jahrelang investieren wir in die Pflege dieser Flächen, und jetzt soll das einfach aufhören?"

Er ist einer von vielen, die von einem plötzlichen Förderstopp für Landschaftspflegemaßnahmen betroffen sind. 634.000 Euro erhielten die Landwirtschaftler noch 2024 in Main-Spessart vom Landschaftspflegeverband Main-Spessart (LPV). Doch die Mittel aus den Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinien (LNPR) sind ausgeschöpft – neue Anträge werden nicht bewilligt.

Plötzlicher Förderstopp – was bedeutet das für Zellinger Forstwirt?

Eigentlich lief alles nach Plan: Der Forstwirt in Zellingen hatte sich bewusst dafür entschieden, seine Arbeitskraft und sein Wissen im Naturschutz einzusetzen. "Nicht wegen dem Geld, sondern aus Überzeugung", wie er sagt. Seit 2022 leitet er einen Arbeitstrupp aus sieben Fachleuten, die ebenso ticken wie er – idealistisch denkende Menschen, die zuvor in der Land- und Forstwirtschaft gearbeitet haben. In der Landschaftspflege kümmert sich der Trupp um Trockenhänge, Orchideenwiesen und Magerrasen.

Doch kurz vor Weihnachten kam die Schocknachricht: Die Fördergelder für 2025 sind überplant, neue Projekte liegen auf Eis. "Man hat uns gesagt, dass es immer genug Arbeit gibt. Darauf haben wir uns verlassen", erzählt er. Sein Trupp aus sieben Fachkräften, darunter ausgebildete Forstwirte und Landschaftspfleger, steht jetzt vor einer unsicheren Zukunft. "Jeder von uns hatte rund 20.000 Euro Einkommen im Jahr, das fällt jetzt komplett weg."

Ein Zellinger Landschaftspfleger hat viel Geld investiert: Mehrere Tausend Euro alleine in Akkugeräte und eine Photovoltaikanlage zum Laden. Geräte, die er nun nicht braucht. Arbeit hatten er und sein Arbeitstrupp bis Mitte Februar - nun wissen sie nicht, wie es weitergehen soll.
Foto: Jennifer Weidle | Ein Zellinger Landschaftspfleger hat viel Geld investiert: Mehrere Tausend Euro alleine in Akkugeräte und eine Photovoltaikanlage zum Laden. Geräte, die er nun nicht braucht.

Neben seinen Leuten weiß der Forstwirt noch von anderen Betroffenen. Zum Beispiel Weidetierhalterinnen und -halter, die sich von der Landwirtschaft weg und hin zum Naturschutz orientiert haben, seien betroffen. Dort seien spezielle Tierrassen angeschafft worden, Zäune und Equipment und nun gäbe es für die Weidetiere keine Verwendung mehr.

Warum hier gespart wurde und nicht anderswo

Dass ausgerechnet an der Landschaftspflege gespart wurde, ist nach Meinung von Experten kein Zufall. Verantwortliche des Landschaftspflegeverband Main-Spessart (LPV) und dem Naturpark Spessart e.V. sind sich sicher: Es wurde dort gekürzt, wo am wenigsten Widerstand zu erwarten war. Der große Protest der Landwirte 2024 habe gezeigt, wie schnell Kürzungen in der Agrarförderung politisch heikel werden können, meint Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Naturparkvereins.

Die Landschaftspflegeverbände und Naturparke in Bayern hingegen haben keine solche Lobby. Tatsächlich blieb im Gegensatz zur LNPR das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP), das vor allem landwirtschaftliche Betriebe in ihrer klassischen Funktion unterstützt, unangetastet.

Fachkräfte könnten unwiderruflich verloren gehen

Der Förderstopp hat weitreichende Konsequenzen. Der Zellinger und andere Experten prognostizieren, dass die erreichten Erfolge nun zunichtegemacht werden. Ein weiteres großes Problem sieht der Landschaftsbauer in dem Verlust von Fachkräften. Jahrelang habe man ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut. "Aber wenn die Leute jetzt abspringen, sind sie weg." Und dann bekomme man so schnell keine mehr.

Während Akteure in Naturschutz und Landschaftspflege vor großen Problemen stehen, verweist das Bayerische Umweltministerium auf hohe Investitionen: 2024 seien rund 63 Millionen Euro in die Landschaftspflege geflossen, für 2025 seien fast ebenso viele Mittel zugesichert. Doch Stefan Reuter vom LPV sieht die Sache anders: "Es hätte uns einfach mehr Geld zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Mittel wurden falsch verteilt, und jetzt müssen wir es ausbaden."

Auch Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Naturpark Spessart, spricht von einer plötzlichen Vollbremsung: "Die LNPR-Förderung hat jahrelang gut funktioniert – fast zu gut." Jetzt sei der Haushalt leer, und niemand wisse, wie es weitergehen soll.

 
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