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Main-Spessart
Viele Projekte liegen derzeit auf Eis: Förderstopp hat Folgen für den Naturschutz in Main-Spessart
Mit dem Geld wird zum Beispiel das giftige Wasserkreuzkraut im Sinngrund bekämpft. Betroffene Verbände warnen, dass dadurch jahrelange Erfolge auf dem Spiel stehen.
Der Förderstopp für viele Naturschutzmaßnahmen bedroht auch Projekte wie die Bekämpfung des giftigen Wasserkreuzkrautes im Sinngrund.
Foto: Jennifer Weidle (Archivbild) | Der Förderstopp für viele Naturschutzmaßnahmen bedroht auch Projekte wie die Bekämpfung des giftigen Wasserkreuzkrautes im Sinngrund.
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 26.02.2025 02:43 Uhr

Wichtige Naturschutzmaßnahmen stehen still: Artenreiche Wiesen werden heuer nicht gemäht, Obstbäume nicht geschnitten - es droht der Verlust von Lebensraum für bedrohte Arten. Der Grund dafür ist ein unerwarteter Förderstopp, der sowohl den Landschaftspflegeverband Main-Spessart (LPV) als auch den Naturpark Spessart e.V. hart trifft. Unterfrankenweit liegen Projekte in Höhe von über 1,3 Millionen Euro auf Eis.

Denn seit November 2024 werden von der Regierung von Unterfranken keine neuen Naturschutzprojekte mehr bewilligt. "Wir wissen nicht, wie es weitergeht", sagt Stefan Reuter, Geschäftsführer des LPV. Auch Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Naturpark Spessart, ist alarmiert: "Wenn wir jetzt nicht handeln, sind jahrelange Erfolge zunichte."

Stefan Reuter ist Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes Main-Spessart.
Foto: Jennifer Weidle | Stefan Reuter ist Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes Main-Spessart.

Der Förderstopp trifft nicht nur den Naturschutz, sondern auch Landwirte und Betriebe, die in die Projekte eingebunden sind. 634.000 Euro gingen laut Reuter 2024 an die Landwirtschaft in Main-Spessart – Geld, das in diesem Jahr schlicht wegfällt.

Auch der bayerische Streuobstpakt stockt

Jährlich werden über die Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinien (LNPR) Gelder für Naturschutzmaßnahmen bereitgestellt. Doch für 2025 sind die Mittel bereits verplant, neue Projekte werden laut Kaiser und Reuter nicht genehmigt. Die Folgen: Landschaftspflege-Maßnahmen kommen zum Stillstand. Besonders betroffen ist laut Reuter der Streuobstpakt Bayern, den die Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2021 gemeinsam mit Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden ins Leben rief. Das Ziel: Bis 2035 sollen eine Million neue Streuobstbäume gepflanzt werden.

Oliver Kaiser ist Geschäftsführer des Naturpark Spessart.
Foto: Ines Heck | Oliver Kaiser ist Geschäftsführer des Naturpark Spessart.

"Der Pakt wurde als großes Zukunftsprojekt angekündigt", so Reuter. Doch nun würden die Maßnahmen ins Wanken geraten. "Wir haben eine Vollbremsung hingelegt – und das völlig unerwartet", sagt Oliver Kaiser vom Naturpark Spessart.

Zusätzlich wackeln wichtige Artenhilfsmaßnahmen. Als Beispiel nennt Oliver Kaiser die Bekämpfung des Wasserkreuzkrauts (WKK) im Sinngrund. "Wenn wir das Projekt nicht weiterführen, sind die Erfolge der letzten Jahre zunichte gemacht", meint Kaiser. Neben dem Naturschutz würden damit sowohl Gelder als auch viel ehrenamtliche Arbeit in den Sand gesetzt.

Aus Brüssel drohen Strafzahlungen

"Was wir hier machen, sind die absoluten Basics", betont Kaiser. Das dennoch Mittel gekürzt werden, könnte gravierende Folgen haben, nicht nur für den Landkreis Main-Spessart. Denn der Freistaat ist verpflichtet, Naturschutzmaßnahmen umzusetzen – unter anderem aufgrund der EU-FFH-Richtlinie und des Natura-2000-Netzwerks. Deutschland wurde bereits vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verurteilt, weil es zu wenig für den Erhalt artenreicher Wiesen tut. Das Paradoxe: Nun drohen Strafzahlungen aus Brüssel, während gleichzeitig im Naturschutz gestrichen werden. "Wenn wir jetzt nichts tun, verschwinden Arten, die wir nie wieder zurückholen können", warnt Reuter.

Doch auch auf gesellschaftlicher Ebene wirkt sich der Förderstopp aus. Denn im Naturschutz wurden in Main-Spessart über viele Jahre freiwillige Kooperationen gebildet, erklären Kaiser und Reuter. Landwirtinnen und -wirte, die in Naturschutzprojekte eingebunden sind, würden wichtige Einnahmen verlieren. Gleichzeitig würden Baumschulen auf ihrer Produktion sitzen bleiben und Fachkräfte in der Obstbaumpflege ihre Existenzgrundlage verlieren. Zudem stehen Fachleute in Landschaftspflegeverbänden und Naturparks vor unsicheren Zukunftsaussichten. "Wir reden hier von einem drohenden Kompetenzverlust, der langfristig kaum zu ersetzen ist", so Reuter.

Kurzfristige Projektfinanzierung kollidiert mit Förderstopp

Das Bayerische Umweltministerium bestätigt, dass aufgrund der angespannten Haushaltslage viele Mittel im Naturschutz bereits gebunden seien, sodass neue Projekte vorerst warten müssten. Man könnte meinen, langfristige Planungen hätten dieses Problem verhindern können – doch genau hier liegt die Schwierigkeit: Naturschutzprojekte werden oft nur kurzfristig finanziert, erklären Kaiser und Reuter.

Kein guter Ersatz für fehlende Tiere in der Landschaftspflege aufgrund des LNPR Förderstopps: Künstliche Schafe einer Kunstinstallation in Würzburg
Foto: Jennifer Weidle | Kein guter Ersatz für fehlende Tiere in der Landschaftspflege aufgrund des LNPR Förderstopps: Künstliche Schafe einer Kunstinstallation in Würzburg

Sowohl beim LPV als auch beim Naturpark Spessart laufen viele Maßnahmen nur für ein Jahr und müssen jährlich neu beantragt werden, erklären Reuter und Kaiser. Da neue Anträge erst nach Aufhebung des Förderstopps gestellt werden können, betrifft die Unsicherheit nicht nur das Jahr 2025, sondern bereits jetzt auch Projekte für 2026.

Das Umweltministerium kritisiert nun die Bundesregierung, die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) gekürzt habe. "Diese ausbleibenden Bundesmittel kann der Freistaat nicht dauerhaft kompensieren", heißt es in der Stellungnahme.

Für die Betroffenen vor Ort ist das keine zufriedenstellende Antwort. "Es wurde viel versprochen, aber jetzt fehlt das Geld", sagt Reuter. Die Unsicherheit wächst, denn Klarheit über neue Fördermittel gibt es frühestens im Laufe des Jahres – wenn überhaupt.

 
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