Wenn ein Mieter größere Büroflächen in der Innenstadt kündigt, bedeutet dies nicht zwangsläufig Leerstand. Als bekannt wurde, dass die Vertriebsabteilung der Bosch Rexroth AG die oberen Etagen des ehemaligen Mainkaufhauses in der Hauptstraße gekündigt hat, war Leerstand eine Befürchtung, die manche Lohrer mehrfach spontan äußerten. Noch nicht vergessen ist die Situation vor gut 15 Jahren: 2002 hatte das Mainkaufhaus nach 36 Jahren geschlossen. Drei Jahre hat es damals gedauert, bis Bosch Rexroth als neuer Mieter gefunden, die oberen Stockwerke umgebaut worden und die Rexroth-Vertriebler eingezogen waren.
Die am 13. Juni in der Main-Post veröffentlichte Nachricht sorgte sogleich für Aktivität an anderen Stellen. "Da geht sofort das Kopfkino los", sagte beispielsweise der Lohrer Makler Volker Menz von Klemmer Immobilien, der unter anderem für Bosch Rexroth tätig ist. Natürlich gehe man sofort die Liste potenzieller Interessenten durch.
Einer davon könnte das Finanzamt Lohr sein. Das ist seit geraumer Zeit auf der Suche nach Erweiterungsflächen. Im 1992 erbauten Finanzamtsgebäude in der Rexrothstraße ist es zu eng geworden. Das hat vor allem drei Ursachen:
- Im Zuge der vom damaligen Finanz- und Heimatminister Markus Söder eingeleiteten Behördenverlagerung wurde 2017 die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts Nürnberg-Zentral mit 13 Stellen nach Lohr verlagert.
- Die Zahl der Anwärter hat sich in den vergangenen vier Jahren auf fast 50 vervierfacht, weil ein Generationswechsel bei den Beamten ansteht. Im Januar hatte Finanzamtsleiter Frank Beifuß gegenüber der Redaktion erklärt: "Es sind so viele wie nie zuvor".
- Die ins Vermessungsamt ausgelagerten Betriebsprüfer sollen Platz machen für das BayernLab, das dort unter der Obhut des Vermessungsamts – heute offiziell "Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung – eingerichtet werden soll. Betroffen sind knapp ein Dutzend Beamte.
Die Chance, den schräg gegenüber des Amtsgebäudes in der Rexrothstraße gelegenen Bürobau (genannt Akrobolis) zu mieten, hatten die bayerischen Behörden vertan. Das Gebäude mit 1000 Quadratmetern Nutzfläche und Platz für 62 Mitarbeiter hatte der Glasofenbauer Sorg dem Finanzamt vor der Nase weggeschnappt. Die rund 60 Mitarbeiter der Bosch-Rexroth-Abteilungen Einkauf und Entwicklung waren im Mai 2018 von dort ins Technologiezentrum oberhalb von Sackenbach umgezogen.
Seit fast einem Jahr nun ist "Immobilien Freistaat Bayern" auf Herbergssuche fürs Finanzamt in Lohr. Das Anmietgesuch steht seit 9. Juli 2019 im Internet: Gut 800 Quadratmeter "in räumlicher Nähe" zum Finanzamt, Mietbeginn "baldmöglichst", Mietdauer sieben bis zehn Jahre. Angebote waren zunächst "bis Jahresende" erbeten. Da keines der Angebote den Vorstellungen der Behörden entsprach, wird weiter gesucht. Seit Jahresanfang heißt es nun: "Angebote alsbald erbeten".
Immobilien Freistaat Bayern prüft die Option
Die Kunde von den 1800 Quadratmetern Nutzfläche auf zwei Etagen ist inzwischen auch in München angekommen. Die Nutzung eines der beiden Stockwerke könnte den Anforderungen des Finanzamts zumindest von der Fläche her in etwa gerecht werden. Karin Hruschka, stellvertretende Geschäftsführerin von Immobilien Freistaat Bayern, betont zwar, dass das Finanzamt Lohr aktuell "staatseigene Flächen im Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in Lohr weiterhin mitnutzen" könne. Die im Juni 2020 freiwerdenden Mieträume im ehemaligen Mainkaufhaus jedoch seien "seit kurzem bekannt und werden von uns überprüft".
Ob allerdings die "wünschenswerte räumliche Nähe zum bestehenden Finanzamtsgebäude Rexrothstraße 14" mit fußläufig 1200 Metern zum ehemaligen Mainkaufhaus gegeben ist, ist sicherlich eine Frage des Standpunkts.
Das BayernLab ist nur mittelbar betroffen
Apropos Standort: Von den 13 BayernLabs, deren Einrichtung im November 2017 angekündigt wurde, sind inzwischen schon sieben eröffnet. Das BayernLab in Lohr wird nach dem in Bad Neustadt das zweite in Unterfranken sein. Unterkommen soll es im Erdgeschoss des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Lohr in der Gärtnerstraße. Solange die Betriebsprüfer des Finanzamts dort untergebracht sind, kann in einem ersten Schritt nur ein Teil des BayernLabs realisiert werden - in jenen Räumen, die bis Februar als Praxis benutzt worden waren.
"Die Planung läuft", erklärte Erhard Glaab, Leiter des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. Das Staatliche Bauamt Würzburg wolle noch vor der Sommerpause das Grundsatzkonzept vorlegen. Dieses werden die Basis für die technische Planung sein, aus der dann auch der Zeitplan hervorgeht. "Dieses Jahr wird's nichts mehr", bedauert der Amtschef, er hoffe jedoch, dass es im nächsten Jahr eröffnen wird.
Ob die Betriebsprüfer dann noch in der Gärtnerstraße sind oder schon anderswo, spielt aus seiner Sicht keine Rolle. "Wir haben das Gesamte im Blick", so Glaab. "Unsere Planung ist so, dass wir den zweiten Bereich ohne großen Aufwand dazunehmen können werden."
Das eigene Areal für eine Erweiterung zu nutzen, was von der Fläche her machbar scheint, ist offenbar keine Option für die Finanzbehörden. "Ein Erweiterungsbau ist derzeit nicht vorgesehen", so das Finanzministerium auf Nachfrage. "... derzeit ..."