
Vom ersten bis zum letzten Öffnungstag des Impfzentrums Main-Spessart war Juliane Alves mit an Bord, und einen Tag gibt es, den wird sie wohl nie vergessen: "An guten Tagen haben wir ganz entspannt 800 Dosen Impfstoff am Tag verabreicht – aber an unserem Spitzentag waren es 1301. Das haben wir als Team gefeiert!" Alles lief, alles griff ineinander, wie ein Uhrwerk. "Am Ende des Tages wussten die Füße nicht mehr weiter, aber es war toll zu sehen, was wir geschafft haben." Die Mitarbeiter, die an diesem Tag nicht im Dienst waren, seien heute noch traurig.
Alves hat schon für das Impfzentrum gearbeitet, als es das Impfzentrum noch gar nicht gab. Gemeinsam mit Florian Schüßler vom Roten Kreuz, Heike Riedel vom Klinikum und Experten vom Landratsamt hat sie das Zentrum konzipiert, Abläufe entworfen, die erste Skizze des Aufbaus mit Bleistift auf ein A4-Papier gekritzelt.
Sie war stellvertretende Leiterin und dann Leiterin des Projekts, hat dort erst als Abgeordnete des Klinikums gearbeitet und dann als Hauptamtliche zum Roten Kreuz gewechselt. Sie war dabei, als die ersten Ampullen mit Impfstoff zum Jahreswechsel 2020/21 ankamen und wie Gold behandelt wurden. Am 30. Dezember wird sie mit ihrem großen Team gemeinsam die Türen des Impfzentrums im ehemaligen EP Medienland in Karlstadt für immer abschließen.
Viele Bewerberinnen und Bewerber für Jobs im Impfzentrum
Schon Tage vorher wird Alves emotional, wenn sie an den Abschluss denkt und auf die vergangenen zwei Jahre zurückblickt. Eng begleitet haben sie Thomas Schlott und Jana Roth. Schlotts Aufgabe als Kreisgeschäftsführer des BRK war es, Personal für das Impfzentrum zu beschaffen. "Wir waren total überrascht, als auf einmal stapelweise Bewerbungen kamen", sagt er rückblickend. Juliane Alves' Eindruck: "Viele Leute wollten einfach gerne aktiv dazu beitragen, aus der Pandemie herauszukommen."

Jana Roth hat sich ab Sommer 2021 von Seiten des Landratsamts um das Impfzentrum gekümmert. Sie hat die Umzüge koordiniert, die mobilen Impfaktionen geplant und wenn mehr Impflinge als Impfstoff da waren – dann hat sie die Apotheken in Würzburg abgeklappert und Restbestände zusammengekratzt. Für sie ist am 30. Dezember noch nicht Schluss, sie verantwortet auch den Abbau und regelt, was zum Beispiel mit dem medizinischen Equipment passiert, das die Staatsregierung angeschafft hat.
Eine der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Impfzentrum angepackt haben, war Agnes Möschl. Sie hat dort schon ungefähr jeden Job gehabt, den man haben kann. Die gelernte Hebamme fing als "Impfschwester" an; half, den Impfstoff aufzubereiten und setzte Spritzen. Mehr und mehr ist sie in der Verwaltung eingesprungen, hat als Mädchen für alles überall eine helfende Hand ausgestreckt.
Möschl und Alves haben bei der täglichen Arbeit im Impfzentrum die volle Bandbreite menschlicher Emotionen erlebt. Da waren diejenigen, die dankbar für die Impfung und die gute Organisation waren und Geschenke für die Mitarbeitenden vorbeigebracht haben. Es gab aber auch jene, denen der Kragen geplatzt ist, weil sie nach der anfangs strengen Impf-Reihenfolge noch nicht dran waren. "Es gab Menschen, die haben das Klemmbrett gegen die Plexiglasscheibe gepfeffert, hinter der die Check-In-Mitarbeiter saßen", erinnert sich Alves. Die Polizei hat anfangs jeden Tag in der Spessarttorhalle vorbeigeschaut. Sie habe das in vielen Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auffangen müssen.
Impfzentrum in MSP war durchgängig offen
In Spitzenzeiten haben 70 Menschen im Impfteam gearbeitet, zuletzt noch etwa 30. Agnes Möschl weiß noch nicht, wie es für sie ab Januar weitergeht. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war sie befristet angestellt, immer mit Verträgen für ein paar Monate, die jedes Mal kurzfristig verlängert wurden, wenn feststand: Das Impfzentrum bleibt noch etwas länger geöffnet.

Viele Landkreise haben ihre Impfzentren zwischenzeitlich geschlossen und erst mit der nächsten Infektionswelle wieder eröffnet. Im Landkreis Main-Spessart gab es dagegen immer ein Impfzentrum, je nach Bedarf in größeren oder kleineren Räumlichkeiten.
War es richtig, das Zentrum immer offenzulassen? Thomas Schlott war dabei, als diese Entscheidung im Krisenstab des Landkreises fiel. "Hätten wir das Impfzentrum geschlossen, hätte das die Leute verunsichert. Main-Spessart ist außerdem ein Flächenlandkreis, da tut es gut, eine feste Anlaufstelle zu haben." Hätte man alles dicht gemacht, hätte man den Betrieb in der nächsten Hochphase nicht so schnell wieder hochfahren können.
Seine ganz private Meinung geht noch einen Schritt weiter: "Ich fürchte, dass wir in drei Jahren die nächste Pandemie kommen sehen und dann wieder bei null anfangen. Wir stampfen jetzt etwas Gutes ein. Ein dauerhaftes Katastrophen- und Gesundheitszentrum wäre meiner Ansicht nach sinnvoll." Planungen für ein Katastrophenschutzzentrum in Karlburg laufen immerhin schon.
Schlott hätte Mitarbeiterinnen wie Agnes Möschl gern fest beim BRK übernommen, Stellen hat er jedoch keine. "Das ist sehr schade, hier ist ein Team mit einer genialen Dynamik entstanden." Möschl nimmt diese letzten Stunden im Impfzentrum daher bewusst auf: "Jeden Tag mache ich hier etwas zum letzten Mal."