Benedikt Kirchner wollte ganz sicher gehen. Als der 31-Jährige um 4.45 Uhr seinen Campingstuhl vor dem Eingang zum Lohrer Impfzentrum aufschlug, war er der Erste. Der Zellinger hatte sich extra frei genommen, um eine der 800 Dosen Astrazeneca zu erhalten, die am Freitag in einer Sonderaktion des Landkreises verimpft wurden. Während viele wie Kirchner drei Stunden oder länger warteten und die Schlange unterdessen auf gut dreihundert Personen anwuchs, entspannte sich die Situation am Nachmittag. Dann war oft in 15 Minuten der Einlass geschafft.
Benedikt Kirchner und Thomas Brandl, die die Spitze der Schlange bildeten, sind beispielhaft für viele andere: Sie warten schon lange auf einen Termin, sind beide in Prio 3. Der 57-jährige Brandl aus Lohr hatte am Freitag eh frei. "Ich hab mich gleich am ersten Tag nach Öffnung des Impfportals angemeldet und bis heute nichts gehört", sagt er. Er war kurz vor 5 Uhr da und wartete geduldig darauf, dass sich die Türen zum Impfzentrum öffneten.
Impfwillige haben sich auf lange Wartezeit eingestellt
Bemerkenswert ist, wie sich die Menge selbst organisiert und das den ganzen Vormittag über. Wer neu eintrifft, stellt sich hinten an. Alle sind geduldig und ruhig. Viele haben Stühle, auch etwas zum Trinken und Lesen mitgebracht, sich also auf lange Wartezeiten eingestellt. Informationen, wie die Sache ablaufen soll, gibt es zunächst nicht. Ja, gemotzt wird auch in den Gesprächen. Aber nicht über die Aktion oder den Ablauf, sondern über "die da oben", die es nicht schaffen, Impfstoff herbeizubringen und die Verteilung zu organisieren.
Als es um 9.15 Uhr dann mit dem Impfen los geht, 45 Minuten früher als geplant, spricht sich herum, dass die Priorisierung keine Rolle spielt. Vorab hatte es von Seiten des Landratsamtes geheißen, Prio 2 und 3 hätten Vorrang. „Das würde ins Chaos führen“, begründet Florian Schüssler, der Leiter des Impfzentrums, die Änderung. Es geht also rein nach Reihenfolge des Eintreffens.
Florian Schüßler verteidigte in einem Pressegespräch noch einmal, dass die Aktion so abläuft. Das Impfzentrum hätte sonst eigene Listen anlegen müssen, da eine Vergabe über die Software des Impfzentrums für Astrazeneca nicht mehr möglich sei. "Wir haben das heute ganz bewusst unbürokratisch gemacht und auch den Brückentag in der Ferien gewählt, da wir dann auch die Berufsschule als Wartebereich mit nutzen können." Das wird am Nachmittag auch nötig, als sich ein kräftiges Gewitter über Lohr entlädt.
Impfzentrum erstmals voll ausgelastet
Erstmals seit Bestehen des Impfzentrums wird dieses in Volllast betrieben. Alle sechs Kabinen sind besetzt. Das zeigt Wirkung: Kurz vor 11 Uhr liegt ein erster Durchschnittswert vor. Rund 100 Personen können pro Stunde geimpft werden, informiert Florian Schüßler. Im Zweischichtbetrieb sind insgesamt 100 Helferinnen und Helfer im Einsatz. Dazu kommen ein Rettungswagen des Roten Kreuzes in Bereitschaft und zehn Kräfte des THW Lohr, das am Vortag auch die Absperrgitter aufgebaut hat.
Die 800 Impfdosen sollen an diesem Tag komplett verimpft werden. Als der Strom der Impfwilligen um die Mittagszeit deutlich nachlässt, zeigt ein Aufruf über die Medien Wirkung. Manche, denen die Schlange am Vormittag zu lang war, wagen auch einen neuen Anlauf. Es geht zügig. Eine 66-Jährige aus Wiesthal, die nach einer halben Stunde geimpft und glücklich das Impfzentrum verlässt, lobt die Organisation und ist auch erleichtert: "Es ging alles gut und schnell und ich hab nicht einmal den Piecks gespürt."
"Ich bin sehr zufrieden", bilanziert Landrätin Sabine Sitter am frühen Nachmittag und lobt die "Teamleistung" der Mandatsträger aus dem Landkreis, die dieses Sonderimpfangebot ermöglichte. Falls wider Erwarten am Abend Impfstoff übrig bleibe, werde dieser vermutlich an die Betriebsärzte kleinerer Firmen weitergereicht. "Wir haben im Landratsamt eine ganze Liste." Das Impfzentrum könne an diesem Freitag seine ganze Leistungsfähigkeit zeigen, sagt die Landrätin und stellt fest: "Wir sind hier sehr gut aufgestellt."
Schüßler: Überrascht von hoher Resonanz
Florian Schüßler ist ebenfalls zufrieden, denn er war sich, was die Resonanz anbelangt, im Vorfeld unsicher. „Ich hatte kein Gefühl dafür, weil auch Hausärzte berichten, dass es wenige Impfwilllige für Astrazeneca gibt. Das heute spiegelt ein anderes Bild.“ Neben den Interessenten für die Sonderaktion wurden auch noch 500 Zweitimpfungen für Personen mit Termin durchgeführt.
Das große Verkehrschaos ist ausgeblieben, auch wenn jeder freie Platz zum Parken genutzt wurde. Lohrs Polizeichef Wolfgang Remelka war zufrieden, weil sich die Sache am Mittag auch auflöste. "Solange keine Rettungswege zugestellt sind und die Anwohner aus ihren Hofeinfahrten herauskommen, drücken wir ein Auge zu."
Was auffiel: Unter anderem der Lohrer Edeka-Betreiber Jörg Engelhard, der die Schlange der Wartenden abfuhr und kostenlos Wasser verteilte, der Würzburger Radiosender, der gratis Hörnchen verteilte, der Mann, der sein Homeoffice in die Warteschlange verlegte, und Reinhold Scherg (73). Der frühere Mitarbeiter des Spessartmuseums war wieder mal mit der Filmkamera unterwegs: "Ich hab Corona von Anfang an dokumentiert, damit unsere Enkel später sehen können, wie das damals war."
Ein Blick über den Tellerrand in andere Landkreise und auch Bundesländer könnte den Blick wieder schärfen. Gilt auch für Herrn Söder. Prio Gruppen mit x Berufsgruppen und Ausnahmen aufblähen nützt hier leider gar nichts.
Gut organisiert kann glaube ich auf die Anzahl der relativ wenig Impfwilligen bezogen werden. Mich hätte interessiert wie die gute Organisation bei 2000 - 3000 Impfwilligen ausgesehen hätte und ob dann alles so ruhig geblieben wäre.
Meinen Dank an die freundlichen Mitarbeiter des Impfzentrums, an den Radiosender, der die Croissants spendierte !
So mancher frühe Vogel musste einsehen, dass er besser keinen Wurm bekommen hätte denn auch die Katze weiss, dass sie früh morgens den besten Fang macht.
Danke
Oder anders ausgedrückt: Die Beweislast ist erdrückend. Warum nicht von Anfang an und fast nur über die gut ausgerüsteten Impfzentren? Das A und O ist eh nur der vorhandene Impfstoff. Wenn man diese Mangelware auf viele Schultern verteilt, wird er nicht mehr. Und überall gibt es dann Verlustzeiten. Diese gehen auch ins Geld. Viele Hausärzte impfen nicht. "Auf dem Land" gibt es logischer Weise wenig Hausärzte, also werden die Bewohner weniger geimpft als in den Ballungszentren wie Würzburg, München etc. Daher auch die Sonderaktion, weil viele Politiker dies erkannt hatten und was getan haben. Betriebsärzte wollen impfen. Es werden dafür vieler Orts Impfstellen vorbereitet, die dann größtenteils leer stehen. Die Ärzte dort lassen sich die Leerzeiten aber bezahlen. Ein Zahlenbeispiel: Der Hausarzt bekommt 20 Euro für eine Impfung. Die Schnellteststellen bekommen 18 Euro pro Test. Eine "lohnende" Gelddruckanlage "unter Verdacht!"
Bei fast jedem Hausarzt bekommt man mit Asatra Zeneca seit Wochen relativ kurzfristig einen Termin und der Impfabstand beträgt hier selten 12 Wochen da er bei Astra Zeneca flexibel gehandhabt werden kann.
Alternativ könnte man man auch weitere sechs Wochen auf die Erstimpfung mit Biontech oder Moderna spekulieren und wäre trotzdem früher vollständig geimpft als die Personen die heute anstehen.
Ganz zu schweigen vom Impfstoff von Johnson & Johnson der von der der Art her mit dem von Astra Zeneca zu vergleichen ist, bei dem aber eine Impfung genügt um vollständig geimpft zu werden. Der Impfstoff von Johnson & Johnson ist seit letzter Woche in den Arztpraxen vorhanden und wird ohne Priorisierung verimpft - genau wie der Astra Zeneca.
Meiner Meinung nach sind viele der Leute die heute anstehen schlecht informiert!
Durch unglückliche wissenschaftliche, politische und mediale Berichterstattung wurde dieser Impfstoff zu Unrecht niedergemacht!
Es ist nur sehr ärgerlich wenn sich jetzt jemand anstellt weil er meint er hätte keine andere Chance! In den letzten drei/vier Wochen habe ich von sehr vielen Personen gehört bzw. weiß von ihnen, dass sie sich beim Hausarzt ohne lange Wartezeit mit Astra Zeneca impfen lassen konnten oder neuerdings mit Johnson & Johnson!
Wer natürlich keiner Prioritätsgruppe angehört und unbedingt Biontech möchte muss wohl warten - sowohl im Impfzentrum als auch bei einem verantwortungsbewussten Hausarzt, ganz gleich wenn nun die Priorisierung fällt. Derjenige braucht aber auch nicht jammern.