
"Fleckenstein!" Im Biergarten ist der Ruf aus dem Lautsprecher unüberhörbar. Er schallt bis zum Schanzkopf hinauf, zum Zwergberg hinüber und über den Schießstand der Schützengesellschaft zur Bayrischen Schanz hinaus bis nach Hessen. Die Fleckensteins können ihre Schweineschnitzel und die Bratwürste auf Sauerkraut im Schankraum abholen. Selbst ist der Gast dort oben im höchst gelegenen Gasthaus des Spessarts. Bedienungen gibt's nicht mehr. Die Corona-Krise hat das Team der Wirtsleute von 38 auf ein Dutzend geschrumpft. Werktags ist nur noch "auf Bestellung" geöffnet.
"Mitarbeiter-innen für Theke/Service, warm-kalte Küche, Spülküche gesucht". Mit Kreide ist der Hilferuf des Schanz-Teams auf eine der Tafeln an der Eingangstür geschrieben. Erfolgsaussicht: eher mäßig. "Alle suchen", zuckt Schanz-Chefin Michaela Münch mit den Schultern. Derzeit habe sie allerdings eine Kraft in Aussicht und hofft, bald wieder auch werktags öffnen zu können.
Seit es E-Bikes gibt, kommen mehr Radler
Auf der Tafel daneben: "Fendt zu verkaufen, Baujahr 61". Es ist der alte Traktor von Marcel Jähnsch. Münchs Ehemann hat ein mobiles Sägewerk übernommen, sägt Bauholz, verkauft Brennholz. Ein zweites Standbein für die vierköpfige Familie. Die Bayrische Schanz im Wandel – das ist nichts Ungewöhnliches. Wohl von den Rienecker Grafen als Zollstation an der Birkenhainer Landstraße gebaut, wird sie 1713 erstmals als Wirtschaft erwähnt. Anders als die Hessische Schanz, einen Kilometer nördlich, überlebt sie. 1854 dank des Forstamts Lohr, das dort einen Oberförster einstellt und einen Pflanzgarten anlegt. 1970 bietet die Behörde das "Gasthaus mit Schankrecht" wie Sauerbier zum Kauf an. Bis Lothar und Christel Münch vom Rienecker Dürnhof das Gebäude übernehmen, renovieren und 1973 neu eröffnen. Es dauert Jahre, bis die Schanz ans Strom- und schließlich auch Kanalnetz angebunden ist.

Zum Thekenraum und der Stube kommt das hintere Zimmer hinzu, dann der rustikale Anbau für Hochzeiten, Familien- oder Firmenfeiern bis zu 130 Leuten. Ein Teil der 300 Plätze im Biergarten sind inzwischen überdacht. Dort finden Ausflügler und Motorradfahrer Schutz und Schatten. Ihre Nummernschilder verraten: Die meisten kommen aus der Umgebung, aus den Landkreisen Odenwald, Main-Kinzig, Aschaffenburg, Würzburg und Main-Spessart. Dank elektrischer Trethilfe zugenommen hat die Zahl der Radler, die sich die 360 Höhenmeter vom Main herauf zutrauen. Eine Ladestation allerdings gibt's dort noch nicht.
Schöne Erinnerungen an die "Waldweihnacht"
Klassische Wanderer sind seltener geworden, obwohl das Kloster Elisabethenzell, genannt Einsiedel, für einen kleinen Aufschwung sorgt. Gut fünf Kilometer hat zu laufen, wer sehen will, was dort bis 2017 ausgegraben wurde. Die Waldweihnacht, zu der zwischen 2008 und 2019 Besucher aus der ganzen Region kamen, ist nur noch eine schöne Erinnerung. Speziell für die Wirtsleute. "Da bin ich mit meinem Mann zusammengekommen", lächelt Münch, die den Betrieb 2005 von ihrem Bruder Christoph und dessen Frau Kerstin übernommen hat. Im kommenden Jahr kann sie 10 Jahre als Leitung der Waldschänke feiern – ihre Familie stieß schon 2023 an auf 50 Jahre Schanz unter der Leitung der Münchs.

Unverändert geblieben aber sind der urige Charme der Schänke, die rustikale Fröhlichkeit des Personals sowie die Qualität der Braten und Blechkuchen, die stets nach Hausrezepten zubereitet werden. Und die Geschichten, die man sich von der Schanz erzählt. Etwa jene von dem Wirt, dem vor rund 230 Jahren gekündigt worden war, weil er "lichtscheues Gesindel" aufgenommen und "Diebesgut verwahrt" hatte. Das aber sind Geschichten von früher.