
Till Brinkmann sitzt auf der Holzbank am Geländer im Burginnenhof der Scherenburg. Den linken Arm auf der Lehne abgelegt, blickt er scheinbar gedankenversunken auf das Gemündener Panorama. In seinem knalligen, gelben, mit dunkelgrünen Pflanzen verzierten Hawaiihemd und der deutlich tristeren, grauen Cordhose genießt er den Ausblick ins grüne Tal. Die hellbraunen Lederpantoffeln rutschen ein wenig über den steinigen Boden, der dunkle Papierstrohhut mit leicht gewellter Krempe liegt neben ihm auf der Bank.
Brinkmanns private Garderobe könnte an diesem Tag auch als Bühnenoutfit für die Rolle eines sympathischen Paradiesvogels herhalten. Auf die Bühne geht es für den Profi-Schauspieler aber erst wieder um 20 Uhr, genau wie den Tag zuvor - und auch danach. Till Brinkmann ist schon lange Wahl-Gemündener, die Festspielgemeinschaft auf der Scherenburg so etwas wie seine zweite Familie. "Größere Bühnen sind sehr viel durchprofessionalisierter, dann fehlt oft ein gewisser Enthusiasmus. Theater passiert immer mit den Menschen, die an den Stücken beteiligt sind. Dieses Familiäre in der Umsetzung ist auf der Scherenburg ein großes Pfund", sagt Brinkmann.
Brinkmann: "Ich fand das toll, wie hier alles ineinandergreift und einfach funktioniert"
Der gebürtige Kölner stand nach seiner Schauspielausbildung in Stuttgart unter anderem bei den Burgfestspielen Bad Vilbel und im Comedia Theater Köln auf der Bühne. Im Jahr 2010 holte ihn Regisseur Horst Gurski für die Rolle des Dorfrichter Adam im Stück "Der zerbrochene Krug" erstmals nach Gemünden, wo ihm der Zusammenhalt der Teams direkt imponiert habe. "Ich fand das toll, wie hier alles ineinandergreift und einfach funktioniert." So habe sich für Brinkmann schnell eine starke Verbindung zu den Leuten und somit auch der Stadt Gemünden ergeben.
Deshalb sei es für den 52-Jährigen damals keine große Überlegung gewesen, immer und immer wieder nach Unterfranken zu kommen. Sechs Spielzeiten in Folge schlüpfte Brinkmann von 2010-2015 im Innenhof der Burgruine in die verschiedensten Rollen. Nach sieben Jahren Abstinenz feiert er nun, 2023, gewissermaßen sein Scherenburg-Comeback, bei dem er gleich drei Rollen in zwei Stücken verkörpert.
In "Sugar - Some Like it Hot" spielt er Mister Bienstock und einen Gangster. Die reizvollste Rolle sei für ihn aber die des hinterlistigen Elfenkönigs Oberon in der Scherenburg-Interpretation von William Shakespeares Sommernachtstraum: "Für mich ist das Stück eine der besten Komödien, die es überhaupt gibt. Es menschelt sehr, es kann gelacht werden und vor allem herrscht ordentlich Verwirrung.

Für diese Verwirrung sorgt in erster Linie Oberon selbst, dessen herrschsüchtigen und abgründigen Charakter Brinkmann gerne verkörpere. "Der Oberon hat ein paar Ecken drin, die nicht verstehbar sind. Im komödiantischem Charakter des Stücks geht zwischendurch unter, was er eigentlich für eine miese Nummer abzieht", erklärt Brinkmann und zieht einen Vergleich zur aktuellen Debatte rund um Rammstein-Frontmann Till Lindemann. "Es weiß ja niemand, was da wirklich vorgefallen ist, aber die Vorwürfe erinnern ein wenig an Oberon. Er ist der Chef im Ring, der König. Aus persönlicher Eitelkeit verzaubert er andere und macht sie willenlos."
Gemünden und die Region für Brinkmann schon lange wie ein Zuhause
Abgesehen vom Festspielverein und seinen Rollen, die laut dem damaligem Regisseur Horst Gurski teilweise "wie gespuckt" für Brinkmann gewesen wären, habe es ihm auch die Region und der Landkreis angetan. Für ihn sei Gemünden wie ein Zuhause. Inklusive der Proben verbringe er hier bis zu drei Monate. Untergebracht werde er in diesem Jahr nicht mehr wie früher in einer Ferienwohnung, sondern in einer echten "Profi-Wohngemeinschaft" mit den Schauspielern Chris Carsten Rohmann und Stefan Schweikert. Beide spielen im kleinen Gespenst mit und stehen im Sommernachtstraum mit Brinkmann gemeinsam auf der Bühne. "Ich war am Anfang gespannt, wie das funktionieren wird, aber es harmoniert sehr gut".
Da er den Großteil des Sommers außer Haus ist, sei es wichtig, dass Brinkmann die Region auch seiner Familie schmackhaft machen konnte. Seine Frau und Tochter seien gerade erst wieder zu Besuch gewesen. "Wenn sie hier sind, sind wir viel unterwegs, gehen wandern. Meine Tochter ist teilweise hier groß geworden. Als ich 2010 zum ersten Mal hier war, war sie vier, fünf Jahre alt. Sie hat in dem Jahr hier schwimmen gelernt", erinnert sich Brinkmann.
Wenn er nicht in Gemünden ist, habe Brinkmann sich inzwischen einige Plätze im Landkreis ausgeguckt, die ihm besonders gut gefallen. Das Kloster Schönau mit Begegnungsstätte in Gemünden gehöre zu seinen liebsten Anlaufstellen. "Gräfendorf, Eußenheim oder Halsbach bei Lohr mit dem Goikelbräu, das sind einfach alles so schöne Ecken". Auch der Besuch in Karlstadt stehe jedes Mal auf seiner To-Do-Liste.
Umzug der Bühne "wie gute Schuhe, die am Anfang noch ein bisschen drücken"
Die Scherenburg und deren Kulisse sind für Brinkmann ein "eigenwilliges Biotop", das immer wieder seinen Teil dazu beitrage, ihn nach Gemünden zu bewegen. Neu ist auch für ihn, dass die Bühne vom Burginnenhof hinter die Burgmauer verlegt wurde. "Das ist wie mit guten Schuhen, die am Anfang noch ein bisschen drücken", sagt Brinkmann und senkt den Blick auf seine Lederpantoffeln. "Neue Abläufe müssen sich immer erst einspielen." Angesichts des Zusammenhalts innerhalb des Vereins habe er aber keine Zweifel, dass bald alles reibungslos laufen werde.
Mit Blick auf die kommenden Jahre und Spielzeiten in Gemünden, könne Brinkmann es sich gut vorstellen, mit den Rollen in Sugar und dem Sommernachtstraum in die zweite Etappe nach seiner siebenjährigen Abwesenheit zu starten. Als die Anfrage für 2023 kam, habe er sofort gewusst, dass er wieder herkommen werde. "Es ist beeindruckend, was die Laien imstande sind, zu spielen und ich habe viele schöne Erinnerungen aus den damaligen Jahren."