Nur wenn der Bussard kreist, ist der Himmel über den Hofgut Erlenfurt plötzlich vogelfrei, verstummt und verschwindet die Schar der Schwalben. Minuten später toben die Flugkünstler wieder durch die Lüfte. Schließlich hat der eine oder andere noch Junge zu versorgen. Und diese sitzen wohlbehütet in ihren Lehmnestern, fein säuberlich getrennt: Die kugeligen der Mehlschwalben kleben draußen unterm Dach, die halboffenen der Rauchschwalben drinnen in den ehemaligen Stallungen.
Just dieser Südflügel des Gehöfts, mit gut 50 Jahren der jüngste Teil des historischen Gutshofs, soll abgerissen werden und einem Seminartrakt mit Zimmern weichen. Auf rund 150 Tiere haben die Experten des Planungsbüros PGNU aus Aschaffenburg den Bestand anhand der vorgefundenen Nester geschätzt. Dabei handelt es sich um eine eigene Lokalpopulation, erläutert Rebekka Korndner, Projektbeauftragte für das Eichenzentrum in Diensten des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt.
Im Auftrag des Staatlichen Bauamts Aschaffenburg befasst sich das Planungsbüro PGNU mit natur- und artenschutzrelevanten Themen im Zusammenhang mit dem geplanten Projekt. Die Erhebungen in Sachen Schwalben und Fledermäuse sind bereits abgeschlossen, was die Amphibien angeht, ist die Arbeit noch nicht beendet.
Wo Kühe sind, sind auch Schwalben
Schwalben sind Kulturfolger des Menschen und schätzen die Nähe von Kühen. Denn wo Kühe sind, sind auch viele Fliegen – das Futter der Schwalben. Nun sind die Erlenfurter Ställe zwar seit Jahrzehnten nicht mehr belegt; doch die Weiden rings um das alte Hofgut sind das Sommerquartier für das Fränkische Gelbvieh von Mathias und Gabi Öhring aus Karbach.
Den Schwalben ihr Domizil rauben, während sie im Süden überwintern, das geht aber nicht. Denn Schwalben und ihre Nester stehen unter Natur- und Artenschutz. Schwalbennester zu entfernen oder zu zerstören, ist verboten und würde gegebenenfalls mit Bußgeld geahndet.
- Lesen Sie hier, wie sich der Landesbund für Vogelschutz im Landkreis Main-Spessart für Schwalben einsetzt.
Was also tun, wenn man die Nester nicht entfernen darf? Bleibt als letzter Ausweg, ihnen vor Ort andere Nistmöglichkeiten anzubieten. "Wir arbeiten an einem Konzept für ein Ersatzgebäude", erläutert AELF-Chef Ludwig Angerer, der in engem Kontakt steht mit dem Bauamt in Aschaffenburg. Denn das Eichenzentrum kann nur realisiert werden, wenn Baurecht hergestellt wird. Dazu gehören die Wasserver- und -entsorgung.
Die Schüttung der Quelle dürfte ausreichen
Was Trinkwasser angeht, zeichnet sich Positives ab: Denn 500 Meter vom Haupthaus entfernt entspringt eine Quelle, die schon seit 1901 das Hofgut sowie die beiden Forsthäuser in unmittelbarer Nachbarschaft versorgt. Zwar müssen wohl die Leitungen erneuert werden. Doch die Schüttung könnte ausreichen, so Angerer.
Dies zeichnete sich schon nach wenigen Wochen ab: Beginnend im Oktober 2018 wurde mit Eimern gemessen, seit Januar nun mit einer Sonde. So wird die Quellschüttung ein ganzes Jahr lang überprüft. Die Schüttmenge schwanke bisher zwischen fünf und 14 Liter pro Sekunde, erklärt Korndner. Im Schnitt könne man mit sieben Litern pro Sekunde rechnen. Sollte das Ergebnis der Dauermessung die ersten Erfahrungen bestätigen, ist zumindest das Thema Trinkwasser lösbar.
Pflanzenkläranlage müsse deutlich vergrößert werden
Anders sieht es aus beim Abwasser: Die derzeitige Pflanzenkläranlage, 100 Meter westlich des Haupthauses gelegen, ist laut Korndner für zwölf Personen ausgelegt – die Menschen in den beiden Forsthäusern. Im künftigen Eichenzentrum sind 36 Betten für Seminarteilnehmer geplant. Die Kläranlage müsste also entsprechend erweitert werden. Ein Platzproblem gäbe es dabei nicht: Allein die Fläche südlich des Hofguts zur Hafenlohr hin ist drei Hektar groß und das Gefälle zur jetzigen Kläranlage hin dürfte mit acht Metern mehr als ausreichend sein.
Soweit zum Baulichen. Was die Inhalte angeht, gibt es ebenfalls zwei Entwicklungen. Zum einen vergab das Forstministerium schon im Sommer vergangenen Jahres einen Forschungsauftrag an Professor Robert Vogl von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er soll eine Kundenpotenzialanalyse für waldbezogene Bildungsarbeit in ganz Bayern erstellen – eine Arbeit, die allerdings nicht nur spezifisch auf das Eichenzentrum abzielt, sondern auch Erkenntnisse für andere Erlebniszentren liefern soll. Mit Ergebnissen ist laut Angerer im Spätsommer zu rechnen.
Arbeitsgruppen sind produktiv
Schließlich sind auch einige der Arbeitsgruppen des im Oktober 2018 installierten Beirats aktiv. Für die Akademie "Wald und Gesellschaft" werden Info-Bausteine erarbeitet. "Da sind wir schon relativ weit", sagt Angerer. Diese Arbeit werde sich in jedem Fall lohnen, denn nützlich sein können sie praktisch überall – "wo auch immer sie präsentiert werden".
Auch die Arbeitsgemeinschaft, die sich mit dem Verbindungsweg zum Bischborner Hof befasst, hat schon konkrete Vorstellungen entwickelt. Die direkte Verbindung wäre vier Kilometer lang, die jetzt geplante Route durch das Naturwaldreservat käme auf sieben Kilometer.
Das AELF als verlängerter Arm des Forstministeriums arbeitet seinen Auftrag also ab. Doch ist das Eichenzentrum nur ein Standbein des Gesamtprojekts, für das zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Summe von mehr als 36 Millionen Euro im Raum steht. Das zweite Standbein – das Walderlebniszentrum mit Aussichtsturm am Bischborner Hof – hinkt hinterher.
Aus München ist so gut wie nichts Neues zu hören
Die letzte Nachricht aus München war: Der neue Umweltminister, Thorsten Glauber, zog beim geplanten Walderlebniszentrum am Bischborner Hof die Handbremse. Einfach so wollte der Freie-Wähler-Abgeordnete für seinen Teil des Gesamtprojekts nicht einfach so mehr als zehn Millionen Euro locker machen. Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vergatterten ihre Minister dazu, ihre Hausaufgaben zu machen: Sie sollten bis Pfingsten die betroffenen Kommunalpolitiker vor Ort in die weitere Planung einbeziehen, um endlich ein tragfähiges Gesamtkonzept auf die Füße zu stellen.
Das Forstministerium hat für das Eichenzentrum im Hofgut Erlenfurt – allein dafür stehen Kosten von 26,5 Millionen Euro im Raum – im Doppelhaushalt 2019/20 immerhin 500 000 Euro für die Planung eingestellt, das Umweltministerium hingegen noch nichts. Benötigte Mittel für die "Naturbegegnungsstätte Bischborner Hof", wie es nun genannt wird, würden "im Nachtragshaushalt 2020 erneut angemeldet", antwortete die Pressestelle des Umweltministeriums auf eine Anfrage der Redaktion. Erforderliche Planungskosten für 2019 würden "aus dem laufenden Haushalt des Umweltressorts bestritten".
Ortstermin "in den nächsten Monaten" angekündigt
Inzwischen hat es am 14. Mai ein kurzfristig (vier Tage vorher) angesetztes Treffen in München gegeben. Die beiden Minister sprachen mit den Landräten und Bürgermeistern. Das Ergebnis liest sich dünn: Die beiden Ministerien "erarbeiten nun ein gemeinsames Konzept, das sie im laufenden Jahr mit allen Beteiligten vor Ort erörtern werden", antwortete das Umweltministerium. Das Forstministerium antwortete gleichlautend und verrät darüber hinaus, dass der Ortstermin "in den nächsten Monaten" sein werde. Einen gemeinsamen Ansprechpartner gibt es übrigens nicht.
- Die Geschichte des Hofguts Erlenfurt können Sie nachlesen in dem Artikel "Zurück in die Zeit eines Raubeins"