
Paul Nätscher aus Urspringen ist 65 und gehört zur Babyboomer-Generation, die jetzt in Rente geht. Er selbst hat viele Jahre als Qualitätsmanager im Ruhrgebiet gearbeitet, bevor er wieder zurück in seine Heimat Main-Spessart kam. Jetzt vertritt Nätscher Unterfranken im bayerischen Landesseniorenrat, einem Gremium für Meinungsbildung, Interessenvertretung und Erfahrungsaustausch in der Seniorenpolitik.
"Wir wollen Bedingungen schaffen, damit ältere Menschen lange gut leben können, am besten zu Hause", sagt Nätscher. Hier erklärt der Seniorenbeauftragte der Gemeinde Urspringen, welche Themen für Seniorinnen und Senioren besonders wichtig sind. Und er nennt konkrete Maßnahmen, die der älteren Generation helfen würden.
1. Vorschlag zur Pflege: Pflichtjahr für Jugendliche gewünscht
"In der Pflege ist es Fünf vor Zwölf. Wir müssen etwas unternehmen, sonst steuern wir auf eine Katastrophe zu. Die Babyboomer gehen in Rente, jetzt sind sie noch fit. Aber der Anteil der pflegebedürftigen Senioren wird in den nächsten Jahren deutlich steigen. Gleichzeitig sind immer weniger Angehörige vor Ort, um die Pflege zu übernehmen.
Zusammen mit meinen Geschwistern habe ich vier Jahre meine Mutter gepflegt. Dabei habe ich alle Missstände der Pflege kennengelernt. Aber ich war meiner Mutter auch schon lange nicht mehr so nahe."
Der Landesseniorenrat setzt sich dafür ein, dass ein soziales Jahr für Jugendliche nach der Schule Pflicht wird, ähnlich wie früher der Wehr- oder Zivildienst. Die jungen Menschen sollen dabei nicht als günstige Pflegekräfte herhalten, sondern eher die älteren Menschen unterhalten. Die Petition wird im April 2025 den Delegierten vorgelegt.
2. Vorschlag zur Digitalisierung: Mehr Schulung für Ältere nötig
"Ohne Smartphone läuft bei uns gar nichts mehr. Rabatte in Supermärkten gibt es bald nur noch für Menschen mit Handy. Oder das Deutschlandticket, es ist nur digital verfügbar. Vielleicht kann man in den Städten bald nur noch per App parken? Es ist absolut notwendig, ältere Menschen im Umgang mit Smartphones zu schulen.
Für ältere Bürger im ländlichen Raum ist digitale Kompetenz wichtig für soziale Teilhabe und Autonomie. Wir wollen uns dafür einsetzten, dass bei den Gemeinden, bei den Volkshochschulen verstärkt Digital-Kurse für Ältere angeboten werden."
3. Vorschlag zum Wohnen: Wohnungen müssen altersgerecht und kleiner sein
"Viele ältere Bürgerinnen und Bürger haben Interesse, in eine altersgerechte Wohnung zu ziehen. Oft ist das Haus viel zu groß, die Heizkosten sind hoch und die Renten sind meist auch nicht üppig. Ich sehe einen großen Bedarf an Ein- und Zweizimmer-Wohnungen.
In Retzstadt zum Beispiel wurden barrierefreie Wohnungen neu gebaut, hauptsächlich Eigentumswohnungen, die gut nachgefragt sind. Schon oft haben mir ältere Einwohner gesagt, wenn sie eine geeignete Eigentumswohnung finden, würden sie ihr Haus verkaufen und es für eine Familie frei machen. Die Kommunen könnten dafür Tauschbörsen ins Leben rufen."
4. Vorschlag zur Mitwirkung: Senioren können mehr machen und beteiligt sein
"Meine Generation ist gesundheitlich meist noch fit und aktiv, und wir haben Zeit etwas für andere zu tun. Davon kann die Gesellschaft als Ganzes profitieren. Es ist wichtig, dass ältere Arbeitskräfte im Beruf bleiben können - wenn sie das wollen.
Eine Idee ist, verstärkt Ältere für ehrenamtliche Aufgaben zu gewinnen. Ich selbst bin nicht nur politisch engagiert, sondern auch Mitglied in drei Vereinen und bei der Freiwilligen Feuerwehr."
5. Vorschlag zur Mobilität: Mitfahrgelegenheiten und Fahrdienste schaffen
"Gerade auf dem Land könnte das öffentliche Verkehrsnetz noch erheblich verbessert werden. In Städten wie Schweinfurt, Würzburg oder Aschaffenburg funktioniert der ÖPNV oft reibungslos. Auf dem Land zeigt sich jedoch ein anderes Bild. In vielen kleinen Ortschaften, wie auch in Urspringen, gibt es nicht einmal mehr eine Einkaufsmöglichkeit und kaum Busverbindungen zum nächsten Supermarkt. Bei uns im Ort werden Fahrgemeinschaften und Fahrdienste organisiert, das könnte auch eine praktikable Lösung für andere Ortschaften sein."
Die Einführung einers Pflichtjahres für die Gesellschaft finde ich sinnvoll.
Egal, ob Wehrdienst, soziale oder ökologische Tätigkeit. Jeder würde etwas finden, das ihm sowohl Spaß bereitet als auch den
Horizont erweitert. Wir brauchen unbedingt mehr Empathie und Zusammenhalt in
unserer Gesellschaft.
Eine Reaktion auf den demografischen Wandel ist unabdingbar.
Flexiblere gesellschaftliche und persönliche Einstellungen zu sich wandelnden Bedarfen bei der Wohnsituation sind dringend notwendig. Natürlich freiwillig, niemand möchte jemandem sein Wohneigentum wegnehmen. Aber große Häuser im Alter nur noch von zwei oder gar einer Person zu bewohnen, mit der Pflege und dem Unterhalt eigentlich überfordert zu sein während Familien dringend bezahlbaren Wohnraum suchen, ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll.
Da braucht es dringend andere Konzepte und ein offeneres "Mindset" aller Beteiligten, von uns Bürgern, den Gemeinden und der Politik.
> Rabatte in Supermärkten gibt es bald nur noch für Menschen mit Handy.
> Oder das Deutschlandticket, es ist nur digital verfügbar.
Ersteres ist skandalös, weil diskriminierend. Zweiteres sitmmt nicht.
Das D-Ticket gibt es auch als Chipkarte ... Ein Smartphone ist nicht nötig!
Gegen den Ditigalzwang der Bahn bezüglich Angeboten ist eine Klage in Vorbereitung.
Vor allem wegen des - bewußten -Verstoßes gegen die EU-DSGVO!
Stichwort: DB-Navigator/Bahn-APP, https://digitalcourage.de/db-tracking
Dazu gibt es erheblichen Widerstand (z. Bsp. Verbraucherverband Bundeszentrale, AWO, ACE u.a.)
was die Freiheit der Auswahl der Form der Nutzung anbelangt.
https://digitalcourage.de/blog/2024/vzbv-forderungspapier-umfrage-digitalzwang-oepnv
Weiterführende Literatur:
Katharina Nocun: "Die Daten die ich rief"
Shoshana Zuboff: "Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus"
Doku-Empfehlung: "Software-Rebellen - Die Macht des Teilens" (ARTE), 07.05.2019"