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Lohr
Die Polizei ist ratlos: Keine Spur vom BKH-Patienten
Die Polizei ist um Detlef Bruckdorfer eher besorgt, als dass sie ihn als gefährlich einstuft. Indes beschäftigt die Therapie von Straftätern die Politik.
Detlef Bruckdorfer wird nach wie vor vermisst.
Foto: Polizei | Detlef Bruckdorfer wird nach wie vor vermisst.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:35 Uhr

Seit fast drei Wochen wird er vermisst und die Polizei ist ratlos: Von Detlef Bruckdorfer, der am 23. März von einem genehmigten Ausgang nicht ins Bezirkskrankenhaus (BKH) zurückgekehrt war, fehlt nach wie vor jede Spur.

Erst eine Woche nach seinem Verschwinden hatte die Polizei die Vermisstensuche öffentlich gemacht. Bislang gab es nur einen einzigen Hinweis: Am Wegrand außerhalb des BKH-Geländes war ein Ausweis des 51-Jährigen gefunden worden – nicht mehr. Dies führte zwar zu einer groß angelegten Suchaktion, aber nicht zum Erfolg (wir berichteten). Abgesehen davon tat sich rein gar nichts, wie der Lohrer Polizeichef Wolfgang Remelka auf Anfrage der Redaktion mitteilte. Die Polizei tappt also im Dunkeln. 

Wohnung wird kontrolliert

Wo die Suche anfangen, wo aufhören? Seine Wohnung im Raum Aschaffenburg werde regelmäßig kontrolliert, erläuterte Remelka. Dort sei bisher nicht die geringste Veränderung bemerkt worden, die darauf hindeute, dass er dort gewesen sein könnte.

Dass von dem BKH-Patienten eine Gefahr ausgeht, halten sowohl die Ärzte am Bezirkskrankenhaus als auch die Ordnungshüter für unwahrscheinlich. Darauf gebe es keinerlei Hinweise, so die Polizei. Eher machen sich die Beamten Sorgen, dass Bruckdorfer etwas zugestoßen und er womöglich hilflos ist. Schließlich ist er aufgrund einer Erkrankung auf Medikamente angewiesen.

"Ohne neuen Anhaltspunkt ergibt die Suche keinen Sinn", zuckt Remelka mit den Schultern. Auch die europaweite Fahndung habe bislang nichts gebracht. So bleibt die Hoffnung, dass der 51-Jährige irgendwann und irgendwo einmal von Zeugen gesehen wird. In diesem Fall würde die Suche sofort intensiviert, so der Leiter der Polizeiinspektion Lohr.

Gesichert wie ein Gefängnis: Die Forensik des Bezirkskrankenhauses Lohr.
Foto: Roland Pleier | Gesichert wie ein Gefängnis: Die Forensik des Bezirkskrankenhauses Lohr.

Der Fall Eugen S. machte Schlagzeilen

Die Fahndung nach Detlef Bruckdorfer begann zu einem Zeitpunkt, als die Polizei auch noch nach einem anderen BKH-Patienten aus der Forensik suchte. Eugen S. hatte das erste Mal für Schlagzeilen gesorgt, als er sich im Februar bei Gartenarbeiten abgesetzt hatte. Zwei Wochen später hatte ihn die Polizei in Würzburg aufgespürt und nach Lohr zurückgebracht

Am 17. März war der 37-jährige Gewaltverbrecher erneut entwichen - diesmal gewaltsam. Mit Hilfe zweier weiterer Patienten war es ihm gelungen, einen Sperrpfosten vor einem Fenster zu entfernen und nach einem Sprung aus dem ersten Stock den mehr als fünf Meter hohen Zaun zu überwinden. Diesmal wurde er bereits nach acht Tagen wieder gefasst – wiederum im Würzburger Stadtteil Zellerau. 

Auch wenn dieser Fall nicht unbedingt mit dem Bruckdorfers vergleichbar ist, mag dennoch das Gefühl entstehen, dass sich Vermisstensuchen häufen – zumal eine große Suchaktion am 1. März noch frisch in Erinnerung ist. Damals hatten 45 Hilfskräfte nach einem 58-jährigen BKH-Patienten gesucht, der unbemerkt aus der geschlossenen Abteilung entwichen war. Er war allerdings noch am Abend des selben Tages bei Zimmern gefunden worden.  

Tatsächlich mehr Fahndungen

Dass die Zahl der Vermisstensuchen seit Jahren tatsächlich steigen, hat mehrere Ursache, wie ein Sprecher der Polizei in einem Beitrag der Main-Post Anfang April ausführte. Dabei spielt die demographische Entwicklung ebenso eine Rolle wie unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge.

Indes sorgt der Ausbruch von vier Straftätern in Calw sowie eines weiteren aus der Psychiatrie in Weinsberg für politische Diskussionen in Baden-Württemberg. Die vier Männer aus Calw wurden einen Tag nach ihrer Flucht am Mittwoch dieser Woche wieder gefasst, meldet die Deutsche Presseagentur (dpa). Sie hatten zwei Pfleger überwältigt und in einen Raum gesperrt. Nach einem 52-jährigen Patienten, der am Donnerstag in Weinsberg über den Zaun geklettert war, wird noch gesucht.

Sozialminister forder Änderung von Paragraf 64

Bei den Entwichenen handele es sich um Therapieabbrecher, erklärt Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) in einer Pressemitteilung. "Nach der Abbruchentscheidung gehören diese Personen aus meiner Sicht nicht mehr in den Maßregelvollzug, sondern in den Strafvollzug." Solche Delinquenten seien schwer zu handhaben. Zugleich forderte er eine Änderung im Strafrecht. Der Paragraf 64 des Strafgesetzbuches solle reformiert oder gestrichen werden.

Indes ist dies auch in Lohr ein Thema, wie am Beispiel Eugen S. deutlich wird. Nachdem er zweimal abgehauen und untergetaucht war, waren die Therapieversuche offenkundig als erfolglos einzustufen. Vier Tage nach seinem Ausbruch, am 21. März bereits, beantragte die Staatsanwaltschaft bei der Strafvollstreckungskammer, die Unterbringung von Eugen S. in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, erklärte Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen auf Anfrage der Redaktion. Die Restfreiheitsstrafe solle nicht zu Bewährung ausgesetzt werden. Aufgrund der Anhörungspflichten steht die gerichtliche Entscheidung darüber laut Raufeisen noch aus.

Eugen S.: Aus der Forensik ins Gefängnis

Dennoch landete der 37-Jährige nach seiner erneuten Festnahme am 25. März zunächst wieder in der Lohrer Forensik, wo verurteilte Straftäter als Patienten in einer geschlossenen Abteilung therapiert werden. Zehn Tage später ordnete die Staatsanwaltschaft die unverzügliche Rückverlegung von Eugen S. in die Strafhaft an. Seit 9. April warte der Verurteilte auf die weitergehende gerichtliche Entscheidung in einem Gefängnis, teilte Raufeisen mit.

Gesucht:Detlef Bruckdorfer
Der 51-jährige Detlef Bruckdorfer, der seit 23. März vermisst wird, wird wie folgt beschrieben: Er ist etwa 175 Zentimeter groß, hat eine kräftige Figur, kurze, lichte, braune Haare und einen Vollbart. Am Tag seines Ausgangs trug er eine dunkelblaue Winterjacke, dunkelblaue Jeans und schwarze Schuhe. Hinweise an die Lohrer Polizei unter Tel. (0 93 52) 87 41-0.
 
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