
In Unterfranken verschwinden immer mehr Menschen – das ist zumindest der Eindruck, den viele Menschen in den sozialen Netzwerken haben. „Kommt es nur mir so vor als ob sich die Anzeigen von vermissten Kindern häufen???“, postete etwa kürzlich eine Facebook-Nutzerin unter eine Vermisstenmeldung eines 14-jährigen Jugendlichen aus Miltenberg. Die Reaktionen der anderen Nutzer variierten von Zustimmung bis Widerspruch. Das sei „gefühlte Wahrheit!“, vermutete ein Nutzer.
Viele Vermisste im Juli
Es blieb jedoch nicht bei der Vermisstenmeldung des Jugendlichen aus Miltenberg im Juni. „27-Jährige Patientin aus König-Ludwig-Haus in Würzburg vermisst“, meldete das Polizeipräsidium Unterfranken am 1. Juli. „57-Jähriger aus Opferbaum vermisst“, hieß es am 7. Juli. Zwei Tage später: „72-Jähriger aus Lohr vermisst“. Betrachtet man die jüngsten Vermisstenmeldungen der Polizei, so verstärkt sich der Eindruck der steigenden Vermisstenzahlen. Aber was sagt die Statistik der letzten Jahre?
Mehr vermisste Personen laut Polizeistatistik
Laut Zahlen der Polizei wurden im Jahr 2006 in Unterfranken 1621 Einsätze mit dem Schlagwort „Vermisste Person“ durchgeführt. Im Jahr 2011 waren es schon 1738. Bis zum Jahr 2017 stieg die Zahl auf 2141 Einsätze an. Eine klare Tendenz, die von Polizeisprecher Philipp Hümmer folgendermaßen erklärt wird: „Hier zeigt sich wohl auch die demografische Entwicklung. Aus der polizeilichen Erfahrung lässt sich sagen, dass der Anteil lebensälterer Personen im Zusammenhang mit dem Einsatzgeschehen ,Vermissung‘ höher ist.“
Ein weiter Faktor für die Zunahme der Vermisstenfälle seien unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, die zum Teil die ihnen zugewiesenen Betreuungseinrichtungen mit unbekanntem Ziel verlassen und sich zu Familienmitgliedern im Bundesgebiet oder im Ausland begeben würden.
Minderjährige gelten schneller als vermisst
Doch ab wann gilt man eigentlich als vermisst? „Personen gelten als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthalt unbekannt ist und für sie eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen werden kann. Zum Beispiel als Opfer einer Straftat, bei einem Unglücksfall, bei Hilflosigkeit oder Selbsttötungsabsicht“, sagt Polizeisprecher Enrico Ball.
Minderjährige hingegen würden in jedem Fall als vermisst gelten, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthalt unbekannt ist. Bei ihnen müsste grundsätzlich eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen werden, solange Erkenntnisse oder Ermittlungen nichts anderes ergeben.
Einsatzmittel hängen von Einzelfall ab
Wird eine Person als vermisst gemeldet, erfasst die Polizei zunächst alle wichtigen Daten zu dem Fall. Je nach Beurteilung der Lage erkundigen sich die Beamten dann bei der jeweiligen Integrierten Leitstelle (ILS) – die den Einsatz von Feuerwehr, Sanitätern und sonstigen Rettungshelfern koordiniert – sowie bei den örtlichen Krankenhäusern nach Hinweisen auf den Vermissten.
Führt dies zu keinem Ergebnis, kann die Polizei – je nach Einschätzung der Lage – eine Funkfahndung einleiten, die Wohnung der vermissten Person durchsuchen oder eine koordinierte Suche größerer Bereiche starten. Dabei können Suchhunde, Taucher oder auch Hubschrauber mit Wärmebildkamera zum Einsatz kommen.
Vermisster 14-jähriger tot aufgefunden
So geschah es auch im Fall des Vermissten Jugendlichen aus Miltenberg. In einem mehrtägigen Einsatz suchte die Polizei die Umgebung ab. Zum Einsatz kamen Hunde, Feuerwehrboote, Hubschrauber. Am Ende war es jedoch die Bergwacht, die den Vermissten fand – tot in einem Steinbruch.
Nach ersten Erkenntnissen der Kripo Aschaffenburg, die die weiteren Ermittlungen übernommen hat, war der Jugendliche aus rund 20 Metern abgestürzt – vermutlich aufgrund eines Unfalls. „In der Mehrzahl werden die vermissten Personen jedoch lebend gefunden“, sagt Polizeisprecher Ball.
Nicht mehr vermisste Kinder in Deutschland
Bleibt noch die Frage, ob es vor allem Kinder und Jugendliche seien, die zunehmend vermisst würden. Hier kann Karl Bruhns, Mitgründer des Vereins „Initiative Vermisste Kinder“ Entwarnung geben: „Die Zahl vermisster Kinder und Jugendlicher in Deutschland hat sich in den letzten Jahren nicht gehäuft. 99 Prozent der rund 60 000 Kinder, die jährlich in Deutschland vermisst werden, tauchen innerhalb kurzer Zeit wieder auf.“