Die Entscheidung hatte ihr viele schlaflose Nächte beschert: Soll ich? Soll ich nicht? Beim Gang durch die Stadt hatte sie das leerstehende Lokal in der Obertorstraße, direkt neben der Metzgerei Mathes in Marktheidenfeld gesehen. Danach ging es Carolin Wiener nicht mehr aus dem Kopf. Wurden hier früher mal Spielwaren verkauft, beherbergte es in den vergangenen Jahren immer ein Café-Bistro.
Den Traum vom eigenen Café hatte die gebürtige Marktheidenfelderin schon als Kind. Damals noch war sie oft zu Gast Kaffeestuben: sowohl im früheren Café Behringer direkt am Marktplatz, als auch im ehemaligen Café Nägler in der Obertorstraße 4. "An die Nussecken erinnere ich mich noch heute", erzählt sie. Aber auch Carolin Wiener backte daheim, wann immer es ging: Gemeinsam mit ihrer Mutter, mit ihren beiden Omas oder auch allein, mit Liedern von Rolf Zuckowski im Ohr.
Statt Konditorin wurde Carolin Wiener Krankenschwester
Als es dann um die Berufswahl ging, entschied sich die 31-Jährige aber nicht für eine Konditorinnen-Ausbildung, sondern wurde Krankenschwester. Mittlerweile arbeitet sie auf einer Neugeborenen-Station in einem Würzburger Krankenhaus. „Die Frage, warum ich meine Leidenschaft zum Backen nicht zum Beruf gemacht habe, hat sich mir eigentlich nie gestellt“, sagt sie.
Vielleicht, weil ihr für den Traum vom eigenen Café der richtige Ort fehlte. Mit dem Leerstand in der Obertorstraße 14 änderte sich das. Nach einigem gedanklichen Hin und Her, beschloss sie 2020 das Ladenlokal anzumieten. Zusammen mit ihren Eltern krempelte sie alles um: Sie tapezierten die Wände neu, strichen Säulen und Kronleuchter mit goldener Farbe. Das Herzstück wurde die Tortentheke, randvoll mit selbstgebackenen Kuchen und Torten.
Dass es ein „Wiener Café Stübchen“ wurde, lag nahe – obwohl die Frau noch nie in Wien war. Deshalb findet sich in ihrer Auslage auch die klassische Wiener Sachertorte, Apfelstrudel aber auch Familienrezepte wie der Frankfurter Kranz nach dem Rezept von Oma Mausi oder die Schwarzwälder Kirschtorte nach Machart von Oma Hilde.
Es gibt auch Eigenkreationen, teils unfreiwillig entstanden wie die „Unfalltorte“. „Die sollte eigentlich ein Eierlikörkuchen werden. Beim Backen des Bodens hab‘ ich den Zucker vergessen“, erzählt sie. Wegwerfen wollte sie ihn nicht, also mixte sie ihn zusammen mit Schokostücken, Ingwer und Sahne. Heraus kam die Unfalltorte, die so gut ankam, dass sie sie in das Standardrepertoire aufgenommen hat.
"Unfalltorte" wird zum Hit
Genau diese Back-Experimente gefallen Carolin Wiener. „Sobald meine Mädels da sind, geh' ich in die Küche und backe“, erzählt sie. „Ihre Mädels“, das ist das Personal, dass sie nach zäher Anfangszeit gefunden hat. Ewig habe der Aushang im Fenster gehangen. Jetzt hat sie ihr Team zusammen. Das Team bedient, Wiener backt in der schmalen Küchenzeile im hinteren Teil des Cafés, so dass es manchmal bis auf die Straße hinaus zu riechen ist.
Was ihr besonders gefällt: Neues, Besonderes für ihr Café zu erwerben und auszuprobieren. Vor kurzem hat sie sich eine Form zugelegt, in der sie Zimtschnecken bäckt. Ebenfalls beim Geschäftebummel entdeckt hat sie die massive Glocke samt Schwengel, die draußen an dem Schiebefenster des Cafés hängt. Sie ist vor allem für Kinder gedacht, die sich am Fenster eine Tüte Naschkram kaufen können. Ebenfalls neu ist das Frühstück. Die Brötchen allerdings, die macht sie nicht selbst. Da bleibe sie lieber ihren Torten und Kuchen treu, als etwas Neues anzugehen.
Zwangsläufig neu waren für die Cafébetreiberin Buchhaltung, Kasse und Personal. "Ich habe die Wirtschaftsschule in Würzburg besucht", erzählt sie. Das habe ihr geholfen. Den Rest habe sie sich selbst angeeignet.
Bleibt zu bemerken: An Gästen mangelt es Carolin Wiener nicht. „Die meisten kennen das Café vom Weitersagen von Freunden oder Bekannten“, erzählt sie. Aber auch Fahrradtouristen kämen. Ob sie trotzdem weiter zweigleisig arbeiten will und Ihren Job als Krankenschwester weiter machen? "Ja", sagt sie. Einerseits sei der Beruf ein schöner Ausgleich, andererseits wisse man nie, was passiert. Das hat sie ihre Anfangszeit inmitten der Corona-Pandemie gelehrt.