Schausteller bleiben auf den Volksfesten meist im Hintergrund. Höchstens im Kartenhäuschen bekommen Besucher sie mal zu Gesicht. Trotzdem wäre ohne sie Veranstaltungen wie die Laurenzi-Messe, die Lohrer Festwoche oder die Michaelismesse in Miltenberg nicht denkbar. Doch wer sind die Menschen, die wir so selten sehen, die Woche für Woche von Ort zu Ort wandern?
Um das herauszufinden, haben wir mit Nicola Renz gesprochen. Er ist 27 und war in diesem Jahr zum ersten Mal mit seinem Geschäft, dem Glaslabyrinth, auf der Laurenzi-Messe. Seit drei Jahren besitzt er das Glaslabyrinth, das er gemeinsam mit seiner Verlobten und deren drei Kindern betreibt. Auch sein Zwillingsbruder ist Schausteller, wie schon ihr Vater und ihr Opa vor ihnen.
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Wie sieht das Zuhause eines Schaustellers aus?
Schon seit Nicola Renz ein Kind ist, lebt er auf den Festplätzen in ganz Deutschland. Auf seinem "Geschäft" steht in fetten, pinken Lettern "Happy Hour" geschrieben. Das Geschäft ist so bunt, dass man sich fast wie in einer anderer Welt fühlt, wenn man durch den schmalen Gang neben dem Ticket-Schalter nach hinten geht.
Renz und seine Familie leben in zwei Wohnwagen direkt hinter dem Glaslabyrinth. Die älteren beiden Kinder teilen sich einen Wohnwagen, es ist eine Art Kinderzimmer. Daneben steht eine enorm große Lastwagenachse, auf dem das Geschäft transportiert wird. Dazwischen liegen Nummernschilder auf dem steinigen und staubigen Boden. Der Aufgang zur Eingangstür des Haupt-Wohnwagens ist mit einem Plastik-Rasen bedeckt. Mit der kleinen Palme und dem Busch wirkt das, wie der einzige kleine Teil von Bürgerlichkeit im Leben von Renz.
Wie ist das, fast das ganze Jahr zu reisen?
Laut dem Deutschen Schaustellerbund gibt es in Deutschland etwa 9750 Volksfeste und 3000 Weihnachtsmärkte. Die Branche ist von Klein- und Kleinstunternehmern geprägt, wie Renz einer ist. Insgesamt 5300 Unternehmen mit 12 300 Geschäften gibt es, in denen 31 000 Menschen beschäftigt sind. Das sind mehr Menschen als Marktheidenfeld und Lohr zusammen haben. Diese Masse fährt jede Woche der Volksfest-Saison von Ort zu Ort. Aber was passiert, wenn die Fest-Saison vorbei ist?
"Wir haben einen festen Wohnsitz für den Winter", sagt Renz. Anfang November sei die Volksfest-Saison beendet, bis Weihnachten betreiben sie am Mainzer Hauptbahnhof noch einen Stand, an dem sie Glühwein ausschenken. "Wir haben an unserem Zuhause auch noch eine Halle, wo im Winter unsere Fahrzeuge unterstellen und wir die da auch wieder restaurieren", sagt Renz.
Pünktlich zur neuen Saison im März müssen sie fertig sein. Jedes Wochenende, an dem er auf keinem Festplatz steht, koste nur Geld. Trotzdem würde er seinen Beruf nie für einen Büro-Job aufgeben. Nur an diesem einen Ort zu sein, würde Renz schlimm finden. Das sagt er zumindest: "Ich würde mich eingesperrt fühlen. Ich muss dann weiterreisen."
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Von früh bis spät: Die Schaustellerei ist harte Arbeit
Ein Großteil der Unternehmen aufs Volksfesten – 29 Prozent – sind Gastronomie- und Imbissbetriebe, erst danach folgen Fahrgeschäfte, wie Renz eines hat, mit 27 Prozent. Den Rest machen mobile Verkaufsgeschäfte aus. Durchschnittlich stehen die Schausteller, laut dem Schaustellerbund, an 149 Tagen pro Jahr auf Volksfesten und Weihnachtsmärkten. Dabei sind die härtesten Tage, die für den Auf- und Abbau, nicht mit einberechnet.
Diese seien aber auch die aufregendsten Tage, sagt Renz. "Mein nächster Standort ist Regensburg. Das heißt: Abbauen in Marktheidenfeld bis 4-5 Uhr in der früh. Aufstehen muss ich um acht, damit wir mittags dann ankommen und wieder aufbauen können." Das sei halt nunmal so, sagt er. Wenn man selbstständig sei, arbeite man selbst und ständig.
Zeit, um die Marktheidenfeld zu erkunden, bleibt da wenig. Aufbauen, arbeiten, arbeiten, arbeiten, abbauen. Mit seiner Familie sei er lediglich im Wertheim Village gewesen, sagt Renz. Ansonsten spielt sich das Leben auf dem Festplatz ab.
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Wie finden Schausteller einen Partner?
Wenn man jede Woche woanders ist und von früh bis spät arbeitet, ist es schwierig, eine Partnerin zu finden. Deshalb würden sich Schausteller meist untereinander kennenlernen, sagt Renz. "Wir treffen uns auf Festplätzen, über Whatsapp, man kennt sich ja auch." Auch seine Verlobte habe Renz so getroffen. Dass man mit Seinesgleichen ausgehe, komme nicht von ungefähr. "Als Schausteller ist man Entfernungen gewöhnt. Für wen anders sind zum Beispiel 200 Kilometer sehr weit, wir freuen uns, wenn es nur 200 Kilometer sind."
Renz sagt aber, dass auch immer mehr Menschen von "privat", so nenne man im Gewerbe Menschen mit festem Wohnsitz, sich in Schausteller verlieben und mit auf die Reise gingen. "Das klappt bei vielen auch ganz gut", sagt Renz.
Wie ist das Leben von Schausteller-Kindern?
Trotzdem bleibt die Schaustellerei ein Familiengeschäft. Seit 105 Jahren, also in fünfter Generation, betreiben Familien im Schnitt ein Fahrgeschäft. Obwohl Nicola Renz erst die dritte Generation ist, könnten die Kinder seiner Freundin auch irgendwann mal in seine Fußstapfen treten. Das müssen sie aber nicht, sagt Renz.
"Es heißt nicht, dass man keine Schuldbildung machen kann, wenn man Schausteller ist", sagt Renz. Die beiden älteren Kinder würden ganz normal in die Schule gehen, in dem Ort, wo sie gerade sind. Das nennt sich Wanderschüler. Die Kinder bleiben dabei in einem Bundesland gemeldet, an dem sich Stoff und Ferien orientieren. Das sei sinnvoll, sagt Renz, sonst hätten sie entweder acht Wochen am Stück Ferien oder gar keine. Jeder Wanderschüler hat zusätzlich noch zwei Betreuungslehrer, die den Kindern über Whatsapp oder Telefonate mit dem Stoff helfen würden.
Wenn die Kinder sagen würden, dass sie keine Schausteller sein wollten, dann würde Renz das unterstützen. Trotzdem arbeiten die beiden älteren schon im Betrieb mit. In den Ferien seien das zwei bis drei Stunden pro Tag, sagt Renz. "Ich will, dass die Kinder mitarbeiten, damit sie lernen und auch verstehen, wie viel wir Erwachsene dafür arbeiten, dass sie es mal gut haben."